Compliance: Untreue durch den Vorstand

Compliance: Untreue durch den Vorstand

(BGH, Urt. v. 6.9.2016 – 1 StR 104/15; BGH, Urt. v. 12.10.2016 – 5 StR 134/15)

Compliance ist seit Jahren nicht nur in aller Munde wenn es um die Führung von Unternehmen und das Handeln in deren Namen geht. Einzelaspekte und Verantwortlichkeiten haben in dieser Zeit auch immer stärker Einzug in die zivilrechtliche, ordnungsrechtliche und strafrechtliche Rechtsprechung gehalten. Ende des vergangenen Jahres hat sich der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen mit dem Thema Compliance aus strafrechtlicher Sicht befasst. Konkret ging es um den Vorwurf der Untreue durch Vorstandsmitglieder aufgrund ihres unternehmerischen Handelns.

In einer Entscheidung aus September 2016 (Az. 1 StR 104/15) befasste sich der BGH mit der Frage, inwieweit die Einrichtung eines Compliance-Systems nachträglich die Kenntnis von schwarzen Kassen und den damit verbundenen Untreuevorsatz bei einem Vorstandsmitglied entfallen lässt. Der Bundesgerichtshof lehnte einen solchen Wegfall der Kenntnis und des Untreuevorsatzes ab. Mit der Vorstandsentscheidung über die Einrichtung des Compliance-Systems sei eine vorangegangene Kenntnis des Vorstands hinsichtlich der schwarzen Kassen nicht entfallen. Aufgrund seines Sonderwissens hätte sich der Vorstand vielmehr aktiv um die tatsächliche Auflösung der schwarzen Kassen und die Herbeiführung eines pflichtgemäßen Zustands kümmern müssen, auch wenn sich das eingerichtete Compliance-System zumindest dem Grunde nach u.a. gegen Korruption und schwarze Kassen richtet. Der Vorstand konnte sich insoweit nicht allein durch die Einrichtung des Compliance-Systems vom Untreue-Vorwurf aufgrund des vorangegangenen Fehlverhaltens befreien.

In einem zweiten Urteil (Az. 5 StR 134/15) aus Oktober 2016, ging es um die Bedeutung der „Business Judgement Rule“ in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für den in § 266 StGB geregelten Untreuetatbestand. Die „Business Judgement Rule“ besagt, dass eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, „wenn das Vorstandsmitglied [bzw. ein Geschäftsführer] bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Der BGH stellt hierzu klar, dass die Einhaltung der „Business Judgement Rule“ eine Pflichtverletzung nicht nur nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, der die allgemeine Sorgfaltspflicht des Vorstands zur ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführung regelt, sondern auch eine tatbestandsmäßige Pflichtverletzung im Sinne von § 266 StGB ausschließt. Sei die „Business Judgement Rule“, z.B. durch einen Verstoß des Vorstands gegen seine Informationspflichten, nicht eingehalten, stelle dies aber umgekehrt noch nicht zwangsläufig eine Pflichtverletzung im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 266 StGB dar. Ein entsprechender Verstoß indiziere nur entsprechende Pflichtverletzungen. Soweit eine Pflichtverletzung im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG allerdings vorliege, sei zugleich eine gravierende bzw. evidente Pflichtverletzung im Sinne von § 266 StGB gegeben.

Praxishinweis:

Beide Verfahren zeigen die enge Verbindung zwischen Verstößen gegen aktienrechtliche und organisatorische Unternehmensführungspflichten und strafrechtlicher Sanktionierung.

Dabei veranschaulicht die erstgenannte Entscheidung auf den ersten Blick eine Binsenweisheit. Compliance-Organisationen erfüllen weder einen Selbstzweck noch sind Sie ein Allheilmittel um sich von pflichtwidrigem Verhalten freizusprechen. Vielmehr sollen der Aufbau und die Überwachung von Compliance-Strukturen dazu dienen, Verstöße im Unternehmen zu verhindern und aufgetretene Verstöße zu beheben und zu ahnden. Gerade wenn eine entsprechende Kenntnis der Unternehmensleitung in Bezug auf Compliance-Verstöße in der Vergangenheit vorhanden ist, muss diese ihre Kenntnis über die Einrichtung des Compliance-Systems hinaus zum Anlass nehmen, die vorangegangenen Verstöße aufzuarbeiten.

Das zweite Urteil widmet sich der Bedeutung der Beachtung der „Business Judgement Rule“ zur Vermeidung einer Strafbarkeit wegen Untreue. Unter Beachtung dieses aktienrechtlichen Grundsatzes handelt die Unternehmensleitung in legitimer Weise, sodass weder ein Verstoß gegen aktienrechtliche Sorgfaltspflichten noch gegen den Straftatbestand der Untreue vorliegt. Umgekehrt macht das Urteil zugleich deutlich, dass mit Erreichen der Schwelle einer Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne von § 93 Abs. 1 AktG ein Pflichtverstoß auch im Sinne von § 266 StGB evident bzw. gravierend ist. Es besteht insoweit eine unmittelbare Verknüpfung zwischen Sorgfaltspflichtverletzungen des Vorstands gemäß § 93 Abs. 1 AktG und den die Strafbarkeit gemäß § 266 StGB begründenden Pflichtverletzungen.

Information zum Autor:

Andreas Hecker, LL.M. oec., Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Herr Hecker berät Unternehmen und Unternehmensgruppen bei gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Fragen. Er veröffentlicht regelmäßig zu gesellschaftsrechtlichen Themen sowie zur Corporate Governance in ausgewählten Fachzeitschriften und Branchenmagazinen und wirkt an Gründerwettbewerben für Startups mit.

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