Arbeitsverträge

Arbeitsverhältnisse enden nicht automatisch mit dem Eintritt in das Regelrentenalter. Auch eine Kündigung aus diesem Grund ist unwirksam. Daher finden sich sowohl in Einzelarbeitsverträgen als auch in Tarifverträgen Vereinbarungen, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze enden soll. Solche Altersgrenzenregelungen können auch von Betriebsrat und Arbeitgeber in Betriebsvereinbarungen getroffen werden. Dies ist gerade in Betrieben der „Old Economy“ wichtig, denn hier wurden früher solche Altersgrenzen oft nicht in die Arbeitsverträge aufgenommen. Eine Vorsorge durch Betriebsvereinbarungen kann daher gerade im Mittelstand wichtig sein.

 Der erste Senat des BAG hat bereits 2013 (1 AZR 417/12) die Grundlagen hierfür festgestellt. Demnach liegt hierin keine Altersdiskriminierung, solange zulässige sozial- und beschäftigungspolitische Ziele (z.B. Karrierechancen für Jüngere) verfolgt werden. Den Betriebsparteien steht die entsprechende Regelungskompetenz zu (§ 88 BetrVG) und die Regelung durch Tarifverträge geht nicht vor, soweit es in der Vergangenheit noch keinen einschlägigen Tarifvertrag hierzu gab. Das BAG hatte nun die Gelegenheit, seine viel diskutierte Entscheidung weiterzuentwickeln und zum Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge bei der erstmaligen Einführung von Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen Stellung zu nehmen.

Der Fall

Der vom BAG entschieden Fall mutet etwas skurril an: Der Kläger war 44 Jahre auf der Grundlage eines mündlichen Arbeitsvertrages bei der beklagten Arbeitgeberin tätig. Er war auch lange Mitglied im Betriebsrat. Nun stand er kurz vor seinem 65. Geburtstag. Nach dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit Regelaltersgrenze verlor er binnen vier Monaten seinen Arbeitsplatz aufgrund dieser Befristung. Dies war sogar noch schneller als bei einer Kündigung. Hier wäre die gesetzliche Frist sieben Monate gewesen.

Der Kläger meinte, sein mündlich unbefristet geschlossener Arbeitsvertrag gehe als günstigere Absprache der Betriebsvereinbarung vor. Außerdem sei die Betriebsvereinbarung mit § 75 Abs. 1 BetrVG unvereinbar, denn es fehle an einer Übergangsregelung für rentennahe Arbeitnehmer. Das Arbeitsgericht in Detmold hatte die Klage abgewiesen. Das LAG Hamm und das BAG billigten dagegen den Befristungskontrollantrag des klagenden Arbeitnehmers gemäß § 17 Satz 1 TzBfG. Die Betriebsvereinbarung verstößt gegen den nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für die Betriebsparteien geltenden Grundsatz des Vertrauensschutzes und ist deshalb – im Verhältnis zum rentennahen Kläger – unwirksam, so das BAG.

Das BAG meinte, dass die Regelaltersgrenze grundsätzlich per Betriebsvereinbarung eingeführt werden kann. Allerdings muss bei der erstmaligen Einführung einer Altersgrenze auf die Interessen der bei Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung rentennahen Arbeitnehmer Rücksicht genommen werden. Die Vorteile einer solchen Altersgrenze, nämlich die Verbesserung der Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer, kommen nämlich diesen rentennahen Arbeitnehmern kaum noch zu Gute. Außerdem brauchen Arbeitnehmer typischerweise eine angemessene Zeit, um sich auf eine veränderte Rechtslage einzustellen und ihre Lebensplanung anzupassen, sodass rentennahe Jahrgänge nach der Ansicht des BAG grundsätzlich Übergangsregelungen benötigen (z.B. Kompensationszahlung, Übergangsfristen). Deren nähere Ausgestaltung, so das BAG, unterliegt dem Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien. Eine solche Übergangsregelung fehlte jedoch in der fraglichen Betriebsvereinbarung. Schlimmer noch, dem klagenden Arbeitnehmer wurde sogar die für ihn geltende gesetzliche Kündigungsfrist von sieben Monaten genommen.

Praxistipp

Auf der Grundlage des neuen Urteils des ersten Senats und seiner vorangehenden Entscheidung aus dem Jahr 2013 lassen sich kollektive Altersgrenzenregelungen weitgehend rechtssicher gestalten. Für die notwendigen Übergangsregelungen für rentennahe Jahrgänge hat das BAG Leitlinien gesetzt. Soweit alte Arbeitsverträge im Unternehmen ohne Altersgrenzenregelungen bestehen, sollte über eine entsprechende Betriebsvereinbarung nachgedacht werden.

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nformation zum Autor:

Dr. Jörg Podehl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Sozietät Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf. Er berät vor allem Unternehmen und Manager. Seine besonderen Schwerpunkte sind komplexe Kündigungssachverhalte, das Kollektivarbeitsrecht und internationale Arbeitsrechtsfälle. Zum Rechtsverkehr mit Indien hat er zahlreiche Publikationen verfasst.

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