Aktienrecht

Aktienrecht: Zur Wirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen und zur Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern

Von Andreas Hecker, LL.M. oec., Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

(OLG München, Urteil v. 12.1.2017 – 23 U 3582/16),

 

Bei der Arbeit innerhalb des Aufsichtsrats sind gerade bei Konflikt- oder Zweifelsfällen gesetzliche und satzungsmäßige Rahmenbedingungen unbedingt zu beachten. Dies gilt sowohl für die Formalvoraussetzungen für Sitzungen und Beschlussfassungen als auch für die inhaltlichen Anforderungen an einzelne Aufsichtsratsbeschlüsse. Andernfalls droht die Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit der Beschlussfassungen sowie eine Haftung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder wegen Sorgfaltspflichtverstößen. Das Oberlandesgericht München hat sich in einer im Januar ergangenen Entscheidung sowohl mit formalen als auch mit inhaltlichen Anforderungen an Aufsichtsratsbeschlüsse befasst. Im Kern ging es um die Bestellung und den Anstellungsvertrag für ein Vorstandsmitglied.

 

In dem Urteil vom 12. Januar 2017 entschied das Gericht über einen Fall, in dem ein Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied nur für die Dauer von 8 Monaten bestellt hatte. Darüber hinaus hatte der Aufsichtsrat über einen Vorstands- und Beratervertrag mit der Mehrheitsgesellschafterin abgestimmt, mit dem auch die Vergütung des neuen Vorstandsmitglieds abgegolten werden sollte. Die Abstimmungen mit sämtlichen Mitgliedern des Aufsichtsrats wurden in der Sitzung durch das Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden entschieden. An der betreffenden Aufsichtsratssitzung nahm eine Person teil, die nicht dem Aufsichtsrat angehörte. Daraufhin machte ein Mitglied des Aufsichtsrats, das gegen die Bestellung des Vorstands gestimmt hatte, im Wege der Feststellungsklage die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses geltend. Das erstinstanzlich verantwortliche LG München II hielt den Bestellungsbeschluss für nichtig, da das gewählte Vorstandsmitglied nicht über die ausreichende Qualifikation verfüge und damit der Aufsichtsrat mit seinem Beschluss seine Kompetenzen überschritten habe. Das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage hinsichtlich des Bestellungsbeschlusses abgewiesen, da der Beschluss entgegen der Entscheidung des LG München II wirksam sei. Der Klage hinsichtlich des Vorstands- und Beratervertrags gab das Gericht statt.

 

Folgende Kernaussagen enthält die Entscheidung des OLG München:

  • Einberufungs- und andere Formmängel können im Hinblick auf die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses dahinstehen, wenn alle Aufsichtsratsmitglieder in der Sitzung erscheinen und an der Abstimmung teilnehmen, ohne dass ein Aufsichtsratsmitglied der Beschlussfassung widerspricht.
  • Das Gesetz erlaubt, wie im Falle der Einladung von Sachverständigen gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG oder bei der Stellvertretung gemäß § 109 Abs. 3 AktG, die Hinzuziehung Dritter zu einer Aufsichtsratssitzung. Die Teilnahme Dritter an einer Aufsichtsratssitzung führt daher nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen, selbst wenn der Dritte die Beschlussfassung beeinflusst hat.
  • Der Beschluss über die Bestellung des Vorstands ist im konkreten Fall wirksam, da er weder gegen das Gesetz noch gegen die Satzung verstößt. Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, geeignete Vorstandsmitglieder zu bestellen und eine langfristige Personalplanung zu betreiben. Die Vorstandsmitglieder müssen in persönlicher und fachlicher Hinsicht die nötigen Qualifikationen für die Erfüllung ihrer Tätigkeit mitbringen. Allerdings hat der Aufsichtsrat bei der Auswahl der Vorstandsmitglieder und der Ausgestaltung der Bestellung ein unternehmerisches Ermessen, welches durch § 76 Abs. 3 AktG und unter Umständen durch die Satzung der Gesellschaft begrenzt wird. Im zu entscheidenden Fall wurde gegen die gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben nicht verstoßen. Im Gegensatz zur Höchstdauer der Bestellung von 5 Jahren gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG gibt es insbesondere keine Mindestbestelldauer für Vorstandsmitglieder, sodass eine Bestellung für 8 Monate nicht zur Nichtigkeit der Beschlussfassung führt.
  • Es ist zulässig, dass die Vergütung eines Vorstandsmitglieds in einem Vertrag der Aktiengesellschaft mit einem Dritten (z.B. der Muttergesellschaft oder einer Mehrheitsgesellschafterin) geregelt wird. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag neben der Vergütung des Vorstandsmitglieds die Vergütung anderer Berater umfassen soll. Allerdings ist ein Aufsichtsratsbeschluss über einen solchen Vertrag wegen Verstoßes gegen §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 84 Abs. 5 AktG nichtig, wenn der Aufsichtsrat, wie im vorliegenden Fall, nicht bestimmen kann, welcher Anteil der Vergütung auf die Vorstandstätigkeit entfällt.

 

Praxishinweis:

Das OLG München bestätigt mit seiner Entscheidung noch einmal wesentliche Aussagen des BGH und zahlreicher Obergerichte zur Wirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen und deren Überprüfung. Hierbei ist zu beachten:

  • Die Teilnahme Dritter an einer Aufsichtsratssitzung steht der Wirksamkeit der gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse nicht ohne weiteres entgegen. Allerdings ist zu beachten, dass die Teilnahme Dritter (ebenso wie der Verstoß gegen die allgemeine Verschwiegenheitsverpflichtung gemäß § 116 Abs. 3 AktG) einen Sorgfaltspflichtverstoß seitens des Aufsichtsrats darstellen kann, für dessen Schäden die Aufsichtsratsmitglieder haften.
  • Ein Aufsichtsratsmitglied kann die Wirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen mit der Feststellungsklage überprüfen lassen.
  • Aufsichtsratsbeschlüsse sind bei formellen und inhaltlichen Mängeln nichtig. Allerdings wirkt sich die Nichtbeachtung von Formvorschriften nur bei einer entsprechenden Rüge aus. Stimmen sämtliche Aufsichtsratsmitglieder ab, bleiben Formmängel folgenlos.

 

Hinsichtlich der Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern ist zudem zu berücksichtigen:

  • Eine Mindestbestelldauer für die Bestellung von Vorstandsmitgliedern besteht nach dem Gesetz nicht. Im Einzelfall ist damit auch eine Bestelldauer unter einem Jahr zulässig, z.B. in Sanierungsfällen. Allerdings sollte eine kurze Bestelldauer hinreichend vom Aufsichtsrat begründet werden, um einen Sorgfaltspflichtverstoß des Aufsichtsrats und eine ggf. daraus erwachsene Schadensersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder auszuschließen.
  • Drittanstellungen von Vorstandsmitgliedern sind zulässig. Diese können auch in einem gebündelten Vertrag mit der Vergütung externer Berater verknüpft werden. Jedoch muss die Vergütung des Vorstands schon zur Erfüllung der Vorgaben des § 87 AktG transparent sein.
  • Innerhalb der gesetzlichen und satzungsmäßigen Grenzen hat der Aufsichtsrat ein Ermessen bei der Auswahl von Vorstandsmitgliedern. Allerdings ist auch bei dieser Ermessensentscheidung die Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats zu beachten, sodass ein Verstoß hiergegen zu einer Haftung der Aufsichtsratsmitglieder führen kann.

 

Information zum Autor:

Andreas Hecker, LL.M. oec., Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Herr Hecker berät Unternehmen und Unternehmensgruppen bei gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Fragen. Er veröffentlicht regelmäßig zu gesellschaftsrechtlichen Themen sowie zur Corporate Governance in ausgewählten Fachzeitschriften und Branchenmagazinen und wirkt an Gründerwettbewerben für Startups mit.

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