Zweigeteilte Welt bei Stahl

von Hubert Hunscheidt

Laut Stahlanalysedienst MEPS sollte die Weltstahlproduktion in diesem Jahr um rund 4% auf 1,8 Mrd. Tonnen fallen. In Nordamerika dürfte die Produktion im 2. Quartal im Jahresvergleich um über 20% zurückgehen, nachdem sie im 1. Quartal um 3,6% gefallen ist. Vor allem aber in der EU dürfte die Pandemie deutliche Spuren hinterlassen, wobei die Produktion im 1. Quartal bereits um 10% im Jahresvergleich gefallen ist und im 2. Quartal sogar um bis zu 30% fallen sollte. Die EU sollte im 2. Quartal nur etwas mehr als 30 Mio. Tonnen produzieren und damit sogar weniger als im Tiefpunkt der Wirtschaftskrise 2009.
 
Nach Einschätzung des europäischen Stahlverbandes EUROFER ist der Rückgang der Stahlnachfrage in der EU in diesem Jahr präzedenzlos und kaum abschätzbar. Bereits im vierten Quartal 2019 sei die Nachfrage um 10,8% und im Gesamtjahr um 5,3% im Jahresvergleich auf lediglich 154 Mio. Tonnen gesunken. Maßgeblich waren der Handelskrieg, die Brexit- Unsicherheit und eine schwächere Konjunktur. Der Verband sieht keine Normalisierung vor dem 4. Quartal 2020 oder sogar dem 1. Quartal 2021 und fordert deshalb schon seit einiger Zeit eine massive Senkung der Importquoten um 75% für das 2. und 3. Quartal. Denn in China, dem mit Abstand weltgrößten Stahlproduzent und Exporteur, bleibt die Produktion offensichtlich stabil. Laut MEPS ist sie dort sogar im 1. Quartal trotz des Lockdowns um 1,3% gestiegen. Im Gesamtjahr dürfte das Land erneut rund 1 Mrd. Tonne Stahl herstellen.
 
Laut des chinesischen Stahlverbandes CISA haben seine knapp 100 Mitglieder Ende April mit über 2 Mio. Tonnen Stahl täglich sogar die höchste Tagesproduktion seit September 2019 erreicht. Für die Stahlpreise in Europa ist also noch lange kein Licht am Ende des langen Tunnels in Sicht.
 
Quelle: Commerzbank AG / Commerzbank Research / Vorschaufoto: fotolia

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