Wasserstoffstrategie des Bundes auf dem Prüfstand
von Hubert Hunscheidt
Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Gleichzeitig muss der Industriestandorts Deutschland wettbewerbsfähig bleiben – ohne fossile Energieträger. Wasserstoff soll dabei eine Schlüsselrolle spielen. Unser Sonderbericht zeigt: Trotz milliardenschwerer Förderungen bleibt der Erfolg der Wasserstoffwirtschaft ungewiss.
In seinem aktuellen Sonderbericht geht der Bundesrechnungshof auf die unzureichende Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie ein und zeigt die damit verbundenen Risiken für die Energiewende, den Wirtschaftsstandort und die Bundesfinanzen auf. Er bewertet, inwieweit der angestrebte Erfolg der Wasserstoffwirtschaft realistisch erscheint.
Klimaneutral hergestellter – „grüner“ – Wasserstoff soll eine Schlüsselrolle in der Energiewende spielen. Laut Wasserstoffstrategie soll er fossile Energieträger dort ersetzen, wo eine direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht möglich ist. Zusätzlich sollen wasserstofffähige Gaskraftwerke die Stromversorgung absichern. Der Aufbau von Angebot, Nachfrage und Infrastruktur muss von Grund auf erfolgen. Diesen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft fördert der Bund jährlich mit Milliardenbeträgen.
Angebot nicht ausreichend
Voraussetzung für eine sichere Versorgung mit Wasserstoff ist ein ausreichendes Angebot. Dieses soll durch inländische Erzeugung und mindestens zur Hälfte über Importe bereitgestellt werden. Doch weder die inländische Erzeugung noch die vorgesehenen Importe sind bis zum Jahr 2030 realisierbar.
Nachfrage bleibt aus
Absehbar fehlt die erforderliche Nachfrage aus dem Energie- und dem Industriesektor: So fehlt mangels klarer Vorgaben für wasserstofffähige Gaskraftwerke ein zentraler Nachfrageimpuls. Geplante Anwendungen in der Industrie entfallen oder verzögern sich. Zugleich soll trotz absehbar geringer Auslastung bereits im Jahr 2030 zwei Drittel des Wasserstoff-Kernnetzes bereitstehen.
Bundesfinanzen dauerhaft belastet
Die Bundesregierung ist weit von ihrem Ziel entfernt, bis zum Jahr 2030 eine Wasserstoffwirtschaft zu etablieren.
Grüner Wasserstoff bleibt absehbar deutlich teurer als fossile Energieträger – und somit nicht wettbewerbsfähig. Private Investitionen bleiben so aus. Um die Preisunterschiede auszugleichen, müsste die Bundesregierung jährlich mit Milliardenbeträgen subventionieren. Eine staatliche Dauerförderung ist damit absehbar – mit erheblichen Folgen für die Stabilität der Bundesfinanzen.
Der für den Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes gewählte Finanzierungsmechanismus birgt erhebliche finanzielle Risiken für den Bund. Gelingt der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft nicht, könnte dies den Bundeshaushalt zusätzlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag belasten.
Klimaneutralität bleibt unsicher
Grüner Wasserstoff hat grundsätzlich das Potenzial, klimaneutral erzeugt und genutzt zu werden. Jedoch kann insbesondere der Import mit erheblichen Treibhausgasemissionen einhergehen. Zudem musste die Bundesregierung bei den Nachhaltigkeitsanforderungen Zugeständnisse an internationale Produzenten machen, damit diese überhaupt grünen Wasserstoff anbieten. Es besteht das Risiko, dass eine nachhaltige Versorgung mit grünem Wasserstoff nicht gelingt.
Realitätscheck notwendig
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat den Handlungsbedarf grundsätzlich erkannt. Zugleich hält es seine Maßnahmen selbst nicht für ausreichend, um Kostennachteile von Wasserstoff absehbar auszugleichen.
"Die Bundesregierung muss prüfen, welchen Beitrag die Wasserstoffwirtschaft realistisch zur Energiewende leisten kann. Der Hochlauf von Angebot, Nachfrage und Infrastruktur muss Hand in Hand gehen. Er darf den Bundeshaushalt nicht überdehnen", Bernhard Ehmann, Leiter der Abteilung Wirtschaft, Forschung, Ernährung, Beteiligungen, Banken, Wirtschaftsstabilisierung des Bundesrechnungshofes.
Der Bundesrechnungshof sieht die Notwendigkeit, die Wasserstoffstrategie einem Realitätscheck zu unterziehen. Die Bundesregierung muss dazu prüfen, ob und wann grüner Wasserstoff in ausreichenden Mengen, zu einem wettbewerbsfähigen Preis, klimaneutral und nachhaltig verfügbar sein kann.
Sollte sie für die bestehenden Herausforderungen keine Lösungen finden, benötigt sie rechtzeitig einen Plan B, um die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 ohne eine dauerhaft subventionierte Wasserstoffwirtschaft zu erreichen.
Quelle: Bundesrechnungshof / Foto: KI-generiert