Vorteile einer Kombination von Elektronenmikroskopie und Mikrotomographie

von Hubert Hunscheidt

Moderne Werkstoffe – insbesondere solche, die additiv gefertigt wurden, um den hohen Qualitätsanforderungen industrieller Anwendungen zu entsprechen – werden zunehmend komplexer. Von leichtgewichtigen Legierungen bis hin zu komplizierten Verbundstrukturen ist es entscheidend, das Verhalten und die Eigenschaften dieser Materialien genau zu verstehen. Vertraut man dabei jedoch auf nur eine Analysetechnik, kann es schwierig sein, ein vollständiges Bild zu erhalten.

Franz Kamutzki, Senior Account Manager bei Thermo Fisher Scientific, erklärt, wie Ingenieure und Forscher Elektronenmikroskopie (EM) und Mikrocomputertomographie (microCT) kombinieren können, um tiefere Einblicke in Materialien auf unterschiedlichen Längenskalen zu gewinnen.

Ein Beispiel für die Komplexität moderner Materialien sind funktionell graduierte Werkstoffe (FGMs), die eine kontinuierlich variable Zusammensetzung und Struktur aufweisen, um die Leistungsfähigkeit zu optimieren. Solche Materialien sind besonders in industriellen Anwendungen gefragt, bei denen extreme thermische, mechanische oder chemische Belastungen auftreten. Komponenten für die Luft- und Raumfahrt sowie Hochleistungsbeschichtungen profitieren von der Möglichkeit, Materialeigenschaften gezielt auf ein einzelnes Bauteil anzupassen – das verbessert die Haltbarkeit und senkt das Ausfallrisiko.

Die vollständige Charakterisierung von FGMs stellt jedoch eine Herausforderung dar, da ihre kontinuierlich wechselnde Zusammensetzung einen mehrstufigen analytischen Ansatz erfordert, um kritische Abweichungen zu erkennen. Jede Analysemethode liefert dabei einzigartige, sich ergänzende Informationen: EM ermöglicht Auflösungen im Nanometerbereich und liefert detaillierte Daten über die Oberflächenstruktur, Zusammensetzung und Mikrostruktur eines Materials – ein unschätzbares Werkzeug zur Untersuchung feiner Details, die die Materialleistung beeinflussen.

MicroCT hingegen erlaubt eine zerstörungsfreie 3D-Bildgebung größerer Proben und zeigt interne Merkmale wie Porosität, Risse und Dichteschwankungen. Obwohl die Auflösung geringer ist als bei EM, liefert microCT eine wichtige makroskopische Perspektive, die das Verständnis der Verteilung interner Strukturen und Defekte unterstützt.

Vorteile eines kombinierten Ansatzes

Durch die Kombination von EM und microCT entsteht ein mehrdimensionales Verständnis von Materialien, das keine der beiden Methoden allein bieten kann. Die Integration beider Techniken überbrückt die Lücke zwischen makro- und nanoskaligen Analysen und ermöglicht eine umfassende Visualisierung: Während microCT größere Defekte in 3D abbildet, liefert EM hochaufgelöste Einblicke in Merkmale wie Kornstrukturen und Elementzusammensetzungen.

So lassen sich Positionen, Größen und Typen von Defekten mit hoher Genauigkeit identifizieren. Die Erkenntnisse dieses hybriden Ansatzes helfen Ingenieuren, Fertigungsprozesse zu verfeinern und damit die Werkstoffeigenschaften und -leistung zu verbessern.

Ein Beispiel sind Kupfer-Nickel-(Ni-Cu)-Legierungen, die per Kaltgasspritzen (CSAM) hergestellt und in Raketenbrennkammern eingesetzt werden. Die additive Fertigung ermöglicht die Konstruktion komplexer, leichter Strukturen bei geringeren Kosten und kürzeren Entwicklungszyklen. Gleichzeitig müssen die Bauteile extremen Belastungen standhalten. Setzt man bei FGMs wie CSAM-Ni-Cu-Legierungen auf nur eine Analysemethode, besteht die Gefahr, entscheidende Details zu übersehen – ein Risiko, das sich angesichts der sicherheitskritischen Anwendung niemand leisten kann.

Im Artikel Multi-scale Characterization of Functionally Gradient Bimetallic Ni-Cu CSAM Alloys zeigen Yorston et al., wie der hybride Analyseansatz zur Lösung beitragen kann. MicroCT visualisierte die Porositätsverteilung in 3D und identifizierte erhöhte Porendichten in nickelreichen Bereichen. EM ergänzte dies durch nanoskalige Daten zur Defektmorphologie und Elementverteilung und deckte kleinere Defekte auf, die microCT nicht erfassen konnte. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse führten zu gezielten Anpassungen der Legierungszusammensetzung und Prozessparameter und verbesserten so die Zuverlässigkeit des Materials.

Die Vorteile der Kombination aus EM und microCT reichen weit über dieses Beispiel hinaus. Auch in anderen Branchen – etwa Luft- und Raumfahrt, Automobilbau oder Energiegewinnung – kann der hybride Ansatz dazu beitragen, Materialeigenschaften präzise zu analysieren, Entwicklungszeiten zu verkürzen, Ausfallraten zu senken und Innovationen zu fördern.

 

Hindernisse für die Einführung abbauen

Trotz ihres Potenzials stehen kombinierte EM- und microCT-Analysen in der industriellen Praxis vor Herausforderungen. Sie gelten oft als komplex, besonders wenn Anwender keine Spezialisten in der Mikroskopie sind. Auch die Skalierbarkeit für den Einsatz bei großen Probenmengen wird infrage gestellt.

Doch Fortschritte bei der Software erleichtern die Umsetzung. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Thermo Scientific™ Avizo™-Software, die durch optimierte Datenkorrelation und Visualisierung hilft, Hindernisse zu überwinden. Unabhängig von Maßstab oder Datenmodalität bietet Avizo™ digitale Bildgebungs-Workflows zur Materialcharakterisierung und Qualitätssicherung in einer einheitlichen Umgebung.

Dank fortschrittlicher Automatisierungsfunktionen lassen sich reproduzierbare, zuverlässige Workflows auch für großvolumige Analysen entwickeln. Für weniger erfahrene Anwender sorgt die Integration künstlicher Intelligenz für Zeitersparnis und konsistente Ergebnisse. Schulungen, Praxisanleitungen und der Support von Thermo Fisher Scientific erleichtern zusätzlich den Einstieg.

Durch die Verbindung beider Methoden macht Avizo™ den kombinierten Einsatz von EM und microCT praktikabel und skalierbar – und ermöglicht so eine schnellere, fundierte Entscheidungsfindung bei der Materialanalyse.

Da Werkstoffe immer komplexer werden, kann ein hybrider Analyseansatz Forschern und Ingenieuren tiefere Einblicke in ihre Eigenschaften ermöglichen. Die Kombination von EM und microCT – unterstützt durch fortschrittliche Visualisierungssoftware – liefert ein vollständiges Bild vom atomaren Maßstab bis zur Makrostruktur. So verbessert der Ansatz die Fehlererkennung, optimiert Prozesse und stellt sicher, dass moderne Werkstoffe den Anforderungen heutiger Anwendungen gerecht werden.

Bildtext 1: Korrelation mit 3D-Analyse - MicroCT-Scans allein konnten feinstrukturierte Typ-2-Porosität nicht ausreichend auflösen. Die Kombination aus LAM-SEM und 3D-Tomographie auf dem Helios 5 PFIB DualBeam bestätigte kritische Leerräume und verbesserte die volumetrische Analyse.

Bildtext 2: Segmentierung mit KI-Unterstützung - Die KI-gestützte Segmentierung beschleunigte die Analyse, da Deep Learning Porositätsmerkmale schnell identifizieren und segmentieren konnte, was die Gesamteffizienz steigerte.

Über Thermo Fisher Scientific

Thermo Fisher Scientific Inc. ist ein weltweit führender Anbieter wissenschaftlicher Lösungen mit einem Jahresumsatz von über 40 Mrd. USD. Unsere Mission: Kunden dabei zu unterstützen, die Welt gesünder, sauberer und sicherer zu machen. Ob in der biowissenschaftlichen Forschung, der Lösung analytischer Herausforderungen, der Laborproduktivität, der Diagnostik oder der Entwicklung lebensverändernder Therapien – wir bieten innovative Technologien, bequeme Bestellmöglichkeiten und pharmazeutische Dienstleistungen. Unsere führenden Marken: Thermo Scientific, Applied Biosystems, Invitrogen, Fisher Scientific, Unity Lab Services, Patheon und PPD.

Quelle und Fotos: Thermo Fisher Scientific

Zurück

s