Verdeckte Gefahr: Stahl-Derivate untergraben Europas Industrie
von Hubert Hunscheidt

Der europäische Industriesektor steht unter wachsendem Druck durch den ungebremsten Import sogenannter Stahl-Derivate – Fertig- und Halbfertigwaren wie Fahrzeugteile, Maschinenkomponenten, elektrische Ausrüstungen oder modulare Strukturen. Diese Produkte enthalten erhebliche Stahlanteile, gelten jedoch zollrechtlich nicht als „Stahl“ und umgehen damit sowohl EU-Handelsverteidigungsinstrumente (TDI) als auch den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM).
Während europäische Produzenten strengen Umwelt- und Wettbewerbsauflagen unterliegen, gelangen diese importierten Stahlintensivprodukte ohne vergleichbare Verpflichtungen in den Binnenmarkt – häufig aus Regionen mit staatlich subventionierter und besonders CO₂-intensiver Stahlerzeugung. Das Ergebnis sind Preisverzerrungen, Carbon Leakage und ein wachsender Druck auf europäische Hersteller, Verarbeiter und Händler. Besonders betroffen sind strategische Branchen wie erneuerbare Energien, Elektromobilität, Verteidigung und Infrastruktur.
Nach Analysen von EUROMETAL haben sich die Einfuhren von Stahl-Derivaten seit 2010 mehr als verdoppelt. Gleichzeitig stagniert die industrielle Wertschöpfung in Europa, Investitionen gehen zurück, und Produktionskapazitäten wandern ins Ausland ab. In den USA wurden ähnliche Schlupflöcher bereits geschlossen – durch die Ausweitung von Section 232 auf über 400 Derivatprodukte sowie durch die verpflichtende „Melt & Pour“-Regel, die den Ursprung des verwendeten Stahls eindeutig nachweist.
EUROMETAL fordert nun auch in Europa entschlossenes Handeln: eine Ausweitung von CBAM und TDI auf stahlintensive Waren, die Einführung eines verbindlichen Herkunftsnachweises sowie eine stärkere Überwachung durch den Zoll. Nur so lasse sich verhindern, dass Europa zum „Ventil“ für globale Umleitungsströme und Dumpingpraktiken wird – mit irreversiblen Folgen für Industrie, Klima- und Kreislaufpolitik.
„Ohne klare Regulierung riskieren wir den dauerhaften Verlust von Wertschöpfung, Know-how und Arbeitsplätzen“, warnt EUROMETAL. „Europa darf beim Schutz seiner industriellen Basis nicht länger hinter den USA zurückbleiben.“
Quelle: Eurometal / Foto: marketSTEEL