Verbandschef fordert politische Weichenstellungen

von Alexander Kirschbaum

Auf der 21. Handelsblatt Jahrestagung “Stahlmarkt 2017” in Düsseldorf hat Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, den Einführungsvortrag gehalten. Aus Sicht des Verbands gibt es demnach weiter große Herausforderungen für die Stahlindustrie in Deutschland und Europa. „Zwar hat sich der positive Trend bei den Auftragseingängen zuletzt fortgesetzt. Dem steht jedoch gegenüber, dass die Risiken für den Stahlmarkt unverändert fortbestehen“, sagte Kerkhoff.

Besonders bedrohlich sei aus europäischer Sicht die nach wie vor nicht überwundene Importkrise. So sind die chinesischen Importe in die EU trotz der eingeführten Antidum­pingmaßnahmen mit 6 Millionen Tonnen Walzstahl doppelt so hoch wie 2013. Zudem steigern andere Länder wie Indien oder der Iran, gestützt mit staatlicher Hilfe, ihre Einlieferungen in den europäischen Markt. In Summe sind die Walzstahlimporte in die EU 2016 um 10 Prozent gestiegen und damit das dritte Mal in Folge stärker gewachsen als der Markt. „Die aktuellen Stilllegungspläne der chinesischen Regierung reichen bei weitem nicht aus“, so der Verbandspräsident.

"Protektionismus ist die falsche Antwort"

„Leider sehen wir weltweit immer stärker protektionistische Tendenzen in Form von höheren Importzöllen, restriktiven Zertifizierungsvorschriften, Buy-National-Klauseln oder Exportsubventionen und ausufernde Subventionen, um ineffiziente Kapazitäten am Markt zu halten oder sogar auszubauen. Das sind aber falsche Antworten zur Sicherung oder Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Stahlindustrie“, so die Einschätzung von Kerkhoff auf der Jahrestagung. Aufgabe des neu geschaffenen Stahlforums im Rahmen der G-20 sei es nun, konkrete Schritte einzuleiten, um marktwirtschaftliche Anpassungsprozesse zur Bewältigung der globalen Strukturkrise zu stärken. Eine  Abschottung der USA als größtem Importmarkt der Welt durch höhere Außenzölle oder verschärfte Buy-American-Vorschriften könnte zudem laut Wirtschaftsvereinigung Stahl Handelsumlenkungen nach sich ziehen, die besonders die europäische Stahlindustrie treffen würden.

Laut Kerkhoff sei es begrüßenswert, dass auf europäischer Ebene nun Bewegung in die Modernisierung der Handelsschutzinstrumente komme. Es fehle jedoch weiterhin der gemeinsame Wille der EU-Mitgliedsstaaten, das europäische Handelsschutzinstru­mentarium deutlich zu stärken. Mit Blick auf China drohe sogar eine deutliche Ver­schlechterung der Möglichkeiten, sich gegen unfairen Handel aus diesem nicht-marktwirtschaftlichen Land zur Wehr zu setzen. So sehe der Vorschlag der Europäischen Kommission vor, dass die Beweislast in Antidumpingverfahren gegen China  auf die antragstellende europäische Industrie abgewälzt würde.

Emissionsrechtehandel: EU-Parlament geht auf Stahlindustrie zu

In seinem Vortrag forderte Kerkhoff, dass für die gesamte Stahlbranche die Zuteilung so hoch sein sollte wie die Emissionen dieser besten Anlagen. Damit sei einerseits sichergestellt, dass die Zuteilung nicht unter den technischen Mindestausstoß fällt. Die übrigen Unternehmen müssten andererseits für ihre darüber liegenden Emissionen Zertifikate kaufen und hätten einen Anreiz, zur Spitzengruppe aufzuschließen.

Am 15.02.2017 hat das Europäische Parlament seine Position zum Vorschlag der Kommission beschlossen und dabei zentrale Anliegen der Stahlindustrie zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit aufgenom­men. „Der Beschluss, für die Industriezuteilung einen deutlich höheren Zertifikateanteil vorzusehen und den Korrekturfaktor für besonders CO²- und handelsintensive Branchen zu vermeiden, ist ein wichtiger Schritt. Besonders begrüßen wir die Klarstellung des euro­päischen Gesetzgebers, dass die Benchmarks der Stahlindustrie auch eine volle Zuteilung für die Kuppelgase enthalten sollen“, sagt Kerkhoff.

Quelle: Wirtschaftsvereinigung Stahl, marketSTEEL, Vorschau-Foto: marketSTEEL, Grafik: Wirtschaftsvereinigung Stahl

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