Verband der Deutschen Drehteile-Industrie: Trotz guter Auftragslage vorsichtig planen

von Angelika Albrecht

Personalmangel, Materialengpässe und hohe Energiekosten sind die Themen, die den Mitgliedsfirmen des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie schlaflose Nächte bereiten. Die Auftragslage ist bei den meisten Unternehmen, die zu Beginn der Frühjahrstagung befragt wurden, sehr gut. Trotzdem sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Prognosen für dieses Jahr äußerst zurückhaltend.

„Leider haben wir die Glaskugel verloren und können überhaupt nicht sagen, was in diesem Jahr noch auf uns zukommt.“ Mit diesen Worten begrüßte Thilo Karrenberg, Vorsitzender des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie, die rund 100 Teilnehmer zur Mitgliederversammlung in Stuttgart. Dass trotz gefüllter Auftragsbücher wenig Anlass für Optimismus besteht, bestätigten die Drehteilehersteller, Maschinenbauer und Komponentenentwickler sowie Werkzeugspezialisten beim ersten Austausch in der Runde. Die Firmenvertreter aus Deutschland, Italien, der Schweiz und den Niederlanden sind sich einig, dass sie überaus vorsichtig sein müssen. Prognosen und Planungen sind im Moment äußerst schwierig, und mit Investitionen halten sich die Unternehmen zurück. „Die Aussichten sind trüb, deshalb fliegen wir alle extrem auf Sicht“, beschreibt Thilo Karrenberg den momentanen Zustand.

Dass der persönliche Austausch gerade in schwierigen Zeiten besonders wichtig ist, bewiesen die regen Diskussionen im Anschluss an die beiden ersten Fachvorträge zu den Themen Energie und Recht. Hier unterstützten die Experten mit hilfreichen Tipps und Empfehlungen, wie die Verantwortlichen mit steigenden Strompreisen, einer möglichen Gasmangellage und aktuellen Rechtsfragen umgehen können. Mit großem Interesse verfolgte das Auditorium die Beiträge am Nachmittag zu Künstlicher Intelligenz und automatisierter Produktion. Alle waren sich einig, dass das Potenzial dieser Technologien für die zerspanende Be- und Verarbeitung noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Hoffnung auf sinkende Materialpreise

Die Probleme aus 2021 haben sich für die Unternehmen in diesem Jahr durch den Ukraine-Krieg noch verschärft. „Nach wie vor dominieren die hohen Materialkosten und die Lieferengpässe den Alltag vieler Mitglieder“, fasst Werner Liebmann, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie, das Stimmungsbild der Mitglieder zusammen. „Und jetzt sind mit den gestiegenen Energiepreisen und dem hohen Krankenstand im ersten Quartal neue Unwägbarkeiten dazu gekommen.“ Auch Auftragseingang und Umsatz stimmen nicht wirklich positiv. 2021 steigerte sich der Auftragseingang nach zwei rückläufigen Jahren gewaltig, wohingegen der Umsatz deutlich zurückblieb. Im ersten Quartal dieses Jahres ist jedoch keine Steigerung beim Auftragseingang, aber dafür ein Umsatzplus zu verzeichnen. „Das ist allerdings auf die um 34 Prozent gestiegenen Materialkosten zurückzuführen“, erklärt Liebmann. Der Exportanteil blieb relativ konstant mit 37,5 Prozent. „Große Sorge bereiten uns die Investitionen, die seit 2020 stark abfallen. Das wird im zweiten Quartal noch weniger werden, weil alle ihre Ausgaben vorsichtshalber runterfahren“, befürchtet Liebmann. Bei den Energiepreisen sieht er in absehbarer Zeit keine Entspannung, ist aber zuversichtlich, dass die Materialpreise wieder sinken werden. Darauf deute zumindest die aktuelle Situation an der Börse hin.

Wie viel Veränderung verträgt ein Unternehmen?

Personalprobleme haben alle Unternehmen. „Hier spüren wir ganz deutlich die Auswirkungen von Corona. Es gab keine Ausbildungsmessen, auf denen wir uns als Arbeitgeber präsentieren konnten. Und wir durften nicht mal Praktika anbieten“, bestätigt Vorstandsmitglied Kathrin Heinrichs. Sie ist im Verband für den Nachwuchs zuständig und organisiert den Workshop „Next Generation“, der sich dieses Jahr mit dem Thema „Veränderung“ beschäftigte. Da die Mehrzahl der Unternehmen im Drehteileverband familiengeführt ist, nehmen immer mehr potenzielle Nachfolger an den Verbandstagungen teil. „Diese bringen ihre ganz eigenen Themen mit und haben alle ähnliche Fragen – egal, ob sie noch im Studium stecken, bereits im Betrieb arbeiten oder sogar schon Führungsverantwortung übernehmen“, erklärt Heinrichs.

Der Workshop „Wie viel Veränderung verträgt mein Unternehmen?“ bot den jungen Menschen reges Diskussionspotential. Unter der fachlichen Moderation von Dr. Bettina Daser, einer Beraterin für Familienunternehmen, tauschten sie sich die Junioren über verschiedene Aspekte wie Rollenverständnis, Tempo und Zeitpunkt von Veränderungsprozessen aus und stärkten nebenbei ihr eigenes Netzwerk im Verband. „Das Thema ist so umfassend und spannend, dass wir dazu mal eine separate Veranstaltung planen sollten“, fasst Kathrin Heinrichs das Ergebnis des Workshops zusammen.


Quelle und Vorschaubild: Verband der Deutschen Drehteile-Industrie im Fachverband Metallwaren- und verwandte Industrien (FMI) e.V.

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