US-Stahlmarkt leidet unter Unsicherheit: Neue Zollpläne bremsen Nachfrage aus
von Hubert Hunscheidt

Unsicherheit über neue Zölle „erstickt“ die US-Stahlnachfrage
Die Ankündigung möglicher neuer Strafzölle durch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, die über die am 2. April vorgestellten „reziproken“ Maßnahmen hinausgehen, hat die Unsicherheit auf dem US-Stahlmarkt deutlich verschärft und die Risiken für den globalen Handel erhöht.
Brasilien, Kanada, die EU und Mexiko wurden darüber informiert, dass ihre Zölle weiter steigen könnten, falls bis zur neuen Frist am 1. August keine Fortschritte in den Handelsgesprächen erzielt werden. Zwar dürfen die angekündigten „reziproken“ Zölle nicht zusätzlich zu den bestehenden Section-232-Zöllen auf US-Stahlimporte erhoben werden, doch höhere Basiszollsätze würden die Rohstoffkosten für US-Stahlhersteller steigern – was wiederum den Stahlpreis erhöht und die ohnehin verhaltene Nachfrage weiter dämpft.
„Warten und Zögern lähmt die Branche“
Laura Hodges, US-Stahlmarktexpertin bei MEPS, erklärt: „Es gibt derzeit kaum positive Nachrichten für US-Stahlkäufer. Die Zinsen bleiben hoch, die Marktaktivität ist zurückhaltend, und die neuen Zolldrohungen verschärfen die Lage zusätzlich. Unsere MEPS-Teilnehmer berichten übereinstimmend, dass eine Planung in dieser unsicheren Lage kaum möglich ist. Dieses ‚Abwarten und Zögern‘ tötet die Nachfrage.“
Zolldrohungen sollen Handelsgespräche beschleunigen
Die Verhandlungen verlaufen langsamer als von der US-Regierung erwartet. Ursprünglich war der 9. Juli als Stichtag angesetzt, ab dem länderspezifische „reziproke“ Zölle über einem Basiswert von 10 % greifen sollten. Diese Frist wurde inzwischen bis zum 1. August verlängert.
Zur Beschleunigung der Gespräche hat die US-Regierung über 20 Ländern sowie der EU neue Basiszollsätze mitgeteilt: Für Brasilien soll der Satz auf 50 % steigen, die EU müsste mit 30 % rechnen (bisher 20 %), sollten keine Fortschritte erzielt werden. Für Mexiko und Kanada wurden 30 % bzw. 35 % angesetzt – allerdings gelten diese nur für Güter, die nicht den Bestimmungen des USMCA-Abkommens entsprechen.
Bisher wurden lediglich zwei vorläufige Handelsabkommen – mit dem Vereinigten Königreich und Vietnam – bekanntgegeben. Lediglich das Abkommen mit Großbritannien wurde offiziell kommuniziert. Dieses sieht einen reduzierten Zollsatz von 25 % auf Stahlimporte vor, ist jedoch an Bedingungen geknüpft, die bis zum 9. Juli erfüllt werden mussten. Da bislang keine offizielle Bestätigung erfolgte, droht eine Rückkehr zum vollen Zollsatz von 50 % gemäß Section 232.
Indirekte Auswirkungen auf den US-Stahlsektor
Obwohl die neuen Zölle nicht direkt auf Stahlimporte wirken, könnten höhere Basiszollsätze erhebliche Auswirkungen auf die Nachfrage nach US-Stahl haben. Section 232 deckt beispielsweise keine Rohstoffe wie Schrott, Roheisen (pig iron) oder DRI ab. Diese unterliegen weiterhin den „reziproken“ Zöllen – aktuell meist 10 %. Brasilien liefert etwa 30 % der US-Importe dieser Vorprodukte. Ein Anstieg auf 50 % würde die Produktionskosten deutlich erhöhen und die Nachfrage weiter belasten.
Die anhaltende Unsicherheit sorgt dafür, dass Stahlkäufer 2025 weitgehend abwartend bleiben – ein Verhalten, das sich negativ auf die Marktdynamik auswirkt.
Vor diesem Hintergrund zeigen Daten von MEPS, dass die Stahlpreise seit der Verdopplung des Section-232-Zolls auf 50 % am 4. Juni kaum nennenswert gestiegen sind. So stieg der Preis für Warmbandstahl an der Chicago Mercantile Exchange (CME) zwar zunächst von 801 auf 923 US-Dollar je Short Ton, fiel danach jedoch um fast 50 US-Dollar zurück.
Da nur noch drei Wochen bis zur Frist am 1. August verbleiben und kaum endgültige Abkommen abgeschlossen wurden, steigt die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verlängerung – was die Unsicherheit verlängert und die Nachfrage auf niedrigem Niveau hält. Auch die Hoffnung, dass die 50 % Section-232-Zölle im Rahmen der Verhandlungen zurückgenommen werden könnten, schwindet zunehmend.
Quelle: MEPS International Ltd. / Foto: Fotolia