Stromversorgung auch ohne russische Energielieferungen möglich
von Angelika Albrecht
Mit einem Kohle-Embargo erhöht die Europäische Union den Druck auf Russland. Nach einer Übergangsfrist soll im August keine russische Kohle mehr importiert werden. Jüngere Studien zeigen, dass Deutschland die Einfuhren aus Russland bis zum Sommer durch Importe aus anderen Ländern ersetzen kann.
Da aber auch ein Aus für die russischen Erdgaslieferungen droht, müssen Pläne zur Versorgungssicherheit entwickelt werden. Das DIW Berlin hat in Szenariorechnungen analysiert, wie das deutsche Stromsystem auf einen Stopp russischer Energielieferungen (insbesondere Kohle und Erdgas) reagieren kann, ohne den beschleunigten Kohleausstieg beziehungsweise den Atomausstieg 2022 in Frage zu stellen.
Die DIW-Studie zeigt, dass im kommenden Jahr 2023 auch ohne russische Energielieferungen eine sichere Stromversorgung möglich ist; die Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke kann und sollte wie geplant im Dezember 2022 erfolgen. Kurzfristig müssen Kohlekraftwerke aus der Netzreserve genutzt und die Sicherheitsbereitschaft einiger Kraftwerke verlängert werden. Mittelfristig ist bei dem von der Bundesregierung im Osterpaket angestrebten beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien ein rückläufiger Bedarf an Erdgas- und Kohleverstromung bis 2030 zu erwarten. Somit bleibt das im Koalitionsvertrag angestrebte Ziel eines auf 2030 vorgezogenen Kohleausstiegs erreichbar.
Neben erheblichen Mengen an Erdgas importierte Deutschland bisher auch rund 60 Prozent seiner gesamten Kohleeinfuhren aus Russland (18 Millionen Tonnen im Jahr 2019, ohne Kokskohle). Diese Kohleimporte sollen bis August 2022 vollständig beendet werden. Darüber hinaus muss bei einem Ausfall russischer Erdgaslieferungen neben der Wärmeerzeugung auch die Stromproduktion auf Versorgungssicherheit geprüft werden. Parallel dazu hat die Bundesregierung bereits vor dem Ukraine-Krieg angekündigt, den Ausbau erneuerbarer Energien erheblich zu beschleunigen und dieses Vorhaben im sogenannten Osterpaket konkretisiert.
Bis 2030 soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion 80 Prozent betragen und bis 2035 auf 100 Prozent steigen. Zur Kompensation der Erdgasverstromung muss sowohl auf erneuerbare Energien sowie zeitweise auf zusätzliche Verstromung von Stein- und Braunkohle zurückgegriffen werden. Das vorliegende "DIW aktuell" analysiert zuerst die Auswirkungen des Kohle-Embargos gegen Russland auf die europäische Steinkohleversorgung und geht auf aktuelle Diskussionen bezüglich des Kohleausstiegs in Deutschland ein. Danach erfolgen sowohl eine Betrachtung der kurzfristigen Effekte eines möglichen Energielieferstopps aus Russland für den deutschen Strommarkt für das Jahr 2023 als auch eine Analyse der mittelfristigen Effekte bis Anfang der 2030er Jahre.
Die DIW-Studie besagt: Kohleimporte aus Russland können ersetzt werden. Die Studie wirft auch einen Blick auf die Kohlekraftwerke im deutschen Stromsektor und den geplanten Kohleausstiegspfad. Bei der Stromerzeugung geht das DIW von einem großen Einsparpotential von Erdgas durch eine erhöhte Stromerzeugung aus anderen Quellen aus.
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