Schiffsschrott als Klimaschlüssel: Report zeigt Potenzial für Europas Stahlindustrie
von Hubert Hunscheidt
Ein gemeinsamer Bericht der NGO Shipbreaking Platform, Sandbag – Smarter Climate Policy und der Universität Tuscia beleuchtet die Rolle von Schrottstahl aus ausgedienten Schiffen für die klimafreundliche Transformation der europäischen Stahlindustrie. In einer Phase, in der die EU ihre industrielle Wende hin zu Nachhaltigkeit beschleunigt, rückt das Recycling von Schiffen als wichtiger Hebel für Dekarbonisierung, Versorgungssicherheit und zirkuläre Wertschöpfung in den Fokus.
Die Stahlindustrie spielt eine zentrale Rolle in der europäischen Industriestrategie. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, muss die Produktion weg von kohlenstoffintensiven Hochöfen hin zu Elektrolichtbogenöfen verlagert werden – ein Prozess, der große Mengen hochwertigen Schrotts erfordert. Schiffsstahl gilt aufgrund strenger Bauzertifizierungen, homogener Qualitäten und hoher Materialstärke als besonders wertvoller Rohstoff für die EAF-Produktion und sogar für die direkte Wiederverwendung.
Der Bericht weist auf mehrere Innovationsprojekte hin, die zeigen, wie maritime, Stahl- und Bauindustrie Kreisläufe schließen können: digitale Rückverfolgbarkeitstools aus dem EU-Projekt CirclesOfLife, neue Forschung zur Lebensdauerverlängerung von Schiffen sowie das Start-up Nordic Circles, das Schiffsplatten direkt und emissionsarm im Bauwesen einsetzt.
Auch die Mengenpotenziale sind beachtlich:
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Derzeit werden nur rund 1 % der europäischen Schiffe in EU-Werften recycelt.
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70–95 % eines Schiffes lassen sich als Schrott zurückgewinnen – ein bislang weitgehend ungenutztes Metallreservoir.
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Recycelter Schiffsstahl spart bis zu 80 % CO₂ und rund 40 % Wasser und Energie gegenüber Primärstahl.
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In den kommenden zehn Jahren wird ein deutlicher Anstieg der Verschrottungsmengen erwartet: Bis zu 12 Mio. t Stahl pro Jahr könnten aus EU/EFTA-Schiffsabwrackungen zurückgewonnen werden – genug, um 10–15 Mio. t des europäischen Schrottbedarfs zu decken, rund 20 % des Gesamtverbrauchs.
Das Fazit des Reports: Hochwertiges Schiffsrecycling in Europa kann nicht nur Emissionen reduzieren, sondern auch die industrielle Resilienz stärken, Importabhängigkeiten verringern und die Transformation der Stahlindustrie entscheidend unterstützen.
Quelle: NGO Shipbreaking Platform / Foto: Ulli pixelio.de