Reform der Erbschaftssteuer birgt große Mehrbelastung

von Hans Diederichs

Seit Jahren ermittelt das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in regelmäßigen Abständen die Erbschaftsteuerbelastung bei der Übertragung eines großen mittelständischen Musterunternehmens in der Rechtsform einer Kapital- bzw. Personengesellschaft an nahe Familienangehörige (Ehegatte oder Kind) in Deutschland sowie im internationalen Vergleich weiterer 17 Länder.

Das Musterunternehmen weist einen erbschaftsteuerlichen Unternehmenswert von rund 103 Millionen Euro auf. Nach derzeit geltendem Recht beläuft sich die Erbschaftsteuerbelastung bei Übertragung des Musterunternehmens auf durchschnittlich 7,7 Millionen Euro. Der Durchschnittswert ist das Mittel der Steuerbelastung bei Übertragung an den Ehegatten oder ein Kind. Deutschland belegt damit im Ländervergleich Platz zwölf und befindet sich im hinteren Mittelfeld der 18 verglichenen Länder.

Neue Regelung verteuert Unternehmensübergang

Die geltende Rechtslage hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 jedoch als verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30. Juni 2016 eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen vorzunehmen. Dem Gericht gingen dabei insbesondere die Begünstigungen für Betriebsvermögen zu weit.

Die Bundesregierung hat in Reaktion auf das Urteil bereits drei verschiedene Reformvorschläge erarbeitet. Zunächst wurde seitens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) im Februar 2015 ein Eckpunkteplan vorgelegt. Bezogen auf das von uns betrachtete Musterunternehmen würde Deutschland demnach im internationalen Vergleich von 18 Ländern vom zwölften auf den 17. Platz zurückfallen. Die durchschnittliche Steuerbelastung würde sich nahezu verfünffachen, von 7,7 Millionen auf 34,6 Millionen Euro.

Referenten- und Kabinettsentwurf entschärfen Standortnachteil nicht

Weitere Konkretisierungen zur Reform der Erbschaftsteuer erfolgten im Juni 2015 durch einen Referentenentwurf des BMF und schließlich im Rahmen des Kabinettsentwurfs vom 6. Juli 2015. Dem letzten Entwurf zufolge soll die Freigrenze von 20 Millionen auf 26 Millionen Euro bzw. für Familienunternehmen auf 52 Millionen Euro erhöht, aber auch ein geringerer Verschonungsabschlag von 20 bzw. 35 Prozent für Vermögen ab 114 Millionen Euro gewährt werden.

Für unser Musterunternehmen resultiert aus der Anhebung der Freigrenze lediglich ein höherer abgeschmolzener Verschonungsabschlag von 34 Prozent bzw. von 51 Prozent für Familienunternehmen. Damit würde sich die durchschnittliche Steuerbelastung auf 23,9 Millionen bzw. 18,6 Millionen Euro (Familienunternehmen) belaufen. In beiden Szenarien ergäbe sich jedoch zum ursprünglichen Ansatz kaum eine Verbesserung im Länderranking, Deutschland würde maximal um einen Rang auf Platz 16 vorrücken.

Forscher kritisiert Ansatz der Erbschaftssteuerreform

Die Erbschaftsteuer in ihrer gegenwärtig geplanten Form würde zu einem erheblichen steuerlichen Standortnachteil werden, zumal die Erbschaftsteuer im benachbarten Ausland wenig verbreitet ist. Dies gilt insbesondere für größere Unternehmensvermögen.

"Es stellt sich deswegen die Frage, wieso sich der Gesetzgeber einer grundlegenden Reform der Erbschaftsteuer mit einer Abschaffung der Ausnahmen bei der Bemessungsgrundlage, dafür aber deutlich niedrigeren Steuersätzen, so hartnäckig verweigert", sagt Prof. Dr. Christoph Spengel, der am ZEW und an der Universität Mannheim wissenschaftlich tätig ist. "Eine solche Reform wäre aufkommensneutral, würde Deutschland als Unternehmensstandort aber deutlich attraktiver machen. Blaupausen für eine solche Neuordnung liegen seit langem vor."

Quelle: ZEW  Vorschau-Foto: fotolia

 

Zurück