Produktionsengpässe verzögern Erholung

von Hubert Hunscheidt

Im Sommer 2021 ist die Erholung der deutschen Wirtschaft gut vorangekommen. Allerdings behindern Engpässe beim Seetransport und der Herstellung von Vorleistungsgütern den Welthandel. Der Anstieg der Rohstoffpreise schlägt sich in recht hohen Inflationsraten nieder. Auch trübt die Zunahme von Neuinfektionen die Aussichten wieder ein. Deshalb ist mit einem schwachen Jahresschlussquartal zu rechnen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 um 2,2% und im Jahr 2022 um 3,6% zunehmen wird (Ostdeutschland: 1,8% und 2,8%).

Die weltwirtschaftliche Produktion dürfte im Sommerhalbjahr deutlich zugelegt haben. Schwungvoll ist die Konjunktur aber nur in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften des Westens. Insbesondere in weiten Teilen Asiens, wo ein Großteil der Bevölkerung ohne vollständigen Impfschutz ist, haben Wellen von Delta-Infektionen die wirtschaftliche Aktivität zuletzt schwer belastet. Zudem schlägt sich der Anstieg der Rohstoffpreise in recht hohen Raten der Verbraucherpreisinflation nieder. Nichtsdestotrotz werden sich die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem Kurswechsel viel Zeit lassen. Die Wirtschaft in den westlichen Industrieländern erhält damit weiter Rückenwind von Seiten der Wirtschaftspolitik. In anderen Weltregionen, auch in Ostasien, sind die Bedingungen wegen niedriger Impfquoten weniger günstig. Das Angebot im Verarbeitenden Gewerbe wird zudem weltweit und bis in den Winter hinein von ausgeschöpften Produktionskapazitäten begrenzt.

In Deutschland konnten im Sommer dank der Impfkampagne viele Einschränkungen von Dienstleistungsangeboten gelockert werden, und die privaten Haushalte konsumierten im zweiten Quartal wieder deutlich mehr. Dennoch liegt der private Konsum weit unter Vorkrisenniveau, und ein rasches Aufholen ist angesichts der Angebotsbeschränkungen im Verarbeitenden Gewerbe und der steigenden Neuinfektionen nicht in Sicht. „Für das Jahr 2022 stehen die Chancen aber gut, dass die Wirtschaft ihren Weg in die Normalität wieder aufnimmt, auch weil sich die Situation auf den Arbeitsmärkten stetig bessert“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Die Kapazitäten dürften zum Ende des Jahres 2022 wieder normal ausgelastet sein, zumal das Produktionspotenzial langsamer als vor der Krise wächst. Die Inflation bleibt auch in den nächsten Monaten weiter kräftig, da die CO2-Preise zu Beginn des Jahres 2022 weiter steigen werden, die aktuellen Verknappungen auf den internationalen Märkten wohl nur langsam zurückgehen und der Mindestlohn kräftig erhöht wird. In diesem Jahr dürfte die Inflation 2,9% erreichen. Auch weil zu Beginn des kommenden Jahres Basiseffekte entfallen, dürfte die Inflation im Jahr 2022 auf 2,6% zurückgehen. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit dürfte sich in diesem Jahr auf 4,5% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt belaufen, im Jahr 2022 auf 1,3%.

Ein Risiko für die Konjunktur in Deutschland ergibt sich aus der engen Einbindung des deutschen Verarbeitenden Gewerbes in die internationalen Wertschöpfungsketten. Deren derzeitige Störungen treffen die deutsche Wirtschaft laut Holtemöller besonders, und es ist schwer einzuschätzen, wann sie behoben sein werden. Zudem sind die im Vergleich zu anderen Ländern Europas recht guten Erfolge in der Pandemiebekämpfung zurzeit auch ein Risikofaktor, denn die Zahl der durch eine überwundene Erkrankung immunen Personen ist relativ gering und der Bevölkerungsanteil der Geimpften wohl zu niedrig, um eine Corona-Welle im Herbst zu verhindern.

Quelle: Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) / Foto: Joerg_Trampert_pixelio.de

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