Ökonomen sehen Griechenland-Deal kritisch

von Hans Diederichs

ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hat die Einigung des Euro-Gipfels vom Montagmorgen kritisiert. Ähnlich äußerte sich am Dienstag sein designierter Nachfolger, ZEW-Präsident Clemens Fuest, vor Journalisten in Mannheim.

„Viele Leute glauben, dass das vorliegende Papier gut für Griechenland ist. Das ist es nicht“, sagte Sinn am Montag in München. „Während der Beschluss den Rest Europas viel Geld kosten wird, wird all dieses Geld nicht genügen, um die griechischen Bürger zufriedenzustellen.“ Griechenland sei zu teuer und deshalb nicht mehr wettbewerbsfähig. „Es macht keinen Sinn, die Probleme des Landes mit immer mehr Geld zuschütten zu wollen. Das ist teuer und verhindert die Schaffung wettbewerblicher Wirtschaftsstrukturen. Nachhaltige Arbeitsplätze erzeugt der Geldsegen nicht.“

Zumindest einen positiven Punkt konnte hingegen Sinns designierter Nachfolger Clemens Fuest der Griechenland-Entscheidung abgewinnen: "Die gute Nachricht ist, dass diese Vereinbarung klar gemacht hat: Es gibt kein Kreditprogramm ohne Auflagen. Dieses Prinzip wurde verteidigt. Hätte die Eurozone das unterlassen, so wäre es zu einer Destabilisierung gekommen." Vom Nutzen des Programms für Griechenland ist jedoch auch Fuest nicht überzeugt. "Die Frage ist: Steht die griechische Regierung hinter dem Reformprogramm? Ich denke nicht, und das ist die schlechte Nachricht."

Sinn: Grexit wäre besser gewesen

Nach Meinung von Hans-Werner Sinn könne die Abmachung nur dann zu einer nachhaligen Verbesserung der Situation in Griechenland führen, wenn sie eine reale Abwertung von Löhnen und Preisen innerhalb des Landes einleite. „Doch eine solche reale Abwertung bräuchte sehr viel Zeit, und sie wäre äußerst ineffizient und unfair, weil sie asymmetrisch verliefe und Schuldner in den Bankrott triebe.“

Die einzige Möglichkeit, ohne größere soziale Auswirkungen billiger und damit wettbewerbsfähiger zu werden, sei eine offene Abwertung der Währung für Griechenland, sagte Sinn weiter. „Da das im Euro nicht geht, bleibt nur der Austritt. Das griechische Volk ist stolz und intelligent, Griechenland ist die Wiege der europäischen Kultur. Ich verstehe nicht, warum das Land finanziell abhängig sein will von anderen Ländern.“

Nur der Schäuble-Vorschlag des temporären Austritts habe das Potenzial gehabt, Griechenlands Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen, fügte Sinn hinzu. Dass es dazu nicht gekommen sei, bedeute eine Fortsetzung der griechischen Tragödie für zunächst weitere drei Jahre.

Fuest: Es handelt sich um ein Transfer-Programm

Auch Fuest sieht im neuen Programm kein Werkzeug, um die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands zu verbessern. "Die neue Vereinbarung ist im Grunde ein Transfer-Programm und das obwohl der griechische Schuldenstand aller Definition nach nicht mehr nachhaltig ist. Die griechische Wirtschaft dürfte dieses Jahr um rund 3 Prozent schrumpfen und es kann noch schlimmer werden, je nachdem, wie lange es dauert, bis die Banken wieder öffnen."

Den weiteren Fortgang der Dinge sieht auch Fuest äußerst kritisch. "Es besteht die Gefahr, dass das Programm nicht funktioniert und der Konflikt zwischen den Nord- und Südländern in der Eurozone wieder aufflammt. Das könnte sich zu einer Quelle stetiger und zunehmender Unstimmigkeiten innerhalb der Eurozone entwickeln."

Quelle: ifo-institut / marketSTEEL  Bildtext: ifo-Präsident Sinn sagt, nur ein Grexit könne Griechenland jetzt noch helfen (Quelle: ifo)

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