Notfalltreffen über EU-Stahlindustrie anberaumt

von Hans Diederichs

In den kommenden Tagen soll ein Notfalltreffen der zuständigen Minister der EU-Mitgliedsstaaten stattfinden, um zu diskutieren, wie mit den Herausforderungen umgegangen werden soll, denen sich die europäische Stahlindustrie derzeit ausgesetzt sieht. Der europäische Stahlverband Eurofer begrüßte die Entscheidung, ein solches Treffen durchzuführen. Das Treffen war von Sajid David, dem Britischen Minister für Wirtschaft, Innovation und Ausbildung, angeregt worden, nachdem dieser durch eine Reihe von Arbeitsplatzstreichungen im Vereinigten Köngreich aufgeschreckt worden war.

„Steigende Importe, Preisdruck und Arbeitsplatzverluste nehmen derzeit in allen europäischen Stahlmärkten zu“, sagte Eurofer-Generaldirektor Axel Eggert. Das Hauptproblem seien dabei die massiven, teils unfair gehandelten Mengen an Stahl, die von China aus den europäischen Markt überfluten.

„Durch die massive Überkapazität – doppelt so groß wie die gesamte europäische Stahlnachfrage – hat China bisher nie dagewesene Stahlmengen auf die internationalen und europäischen Märkte geworfen“, erläuterte Eggert in einer Eurofer-Mitteilung. Ähnlich hatten sich bereits vergangenen Monat mehrere Branchenexperten auf dem MBI-Stahltag in Frankfurt geäußert.

China wirft Unmengen an Stahl auf den Markt

Innerhalb von nur zwei Jahren hat China sein weltweites Exportvolumen auf 110 Millionen Tonnen verdoppelt. Jüngsten Meldungen des Branchendienstes Platts zufolge haben die Stahlpreise zumindest innerhalb Chinas ihren freien Fall vorübergehend gestoppt. Die Preise für Stahlschrott stagnierten vergangene Woche, während Baustahl leicht höher notierte. Platts zitierte jedoch einen chinesischen Stahlhändler, der einen erneuten Preisdruck beim Stahlschrott erwartet, falls die Erzpreise weiter fallen.

Nach Aussagen von Georges Kirps, Managing Director des europäischen Stahlhandelsverbandes Eurometal, sind von den stark angewachsenen Stahlimporten aus China vor allem Italien, die Benelux-Länder und die Staaten Südosteuropas betroffen. „In Deutschland ist das Problem völlig marginal“, erläuterte Kirps Mitte Oktober auf einer Tagung in Düsseldorf.

Die Marktteilnehmer in Europa seien besonders anfällig für Preisdumping beim Stahl, so Eurofer-Generaldirektor Eggert. Der offene Markt mache die europäischen Unternehmen verwundbar. Zudem seien die Energiekosten aus Klimaschutzerwägungen hoch und dürften in der ganzen EU weiter steigen. „Auch das belastet den Stahlsektor in Europa“, fügte Eggert hinzu.

EU-Stahlindustrie veliert massiv Arbeitsplätze

Während der Finanz- und Wirtschaftskrise hat der Stahlsektor in Europa demnach rund 80.000 Arbeitsplätze abgebaut, rund 20 Prozent der Gesamtbelegschaft. Statt einen Boden zu finden, habe die Branche im vergangenen Quartal weitere 5.000 Jobs eingebüßt, so Eggert weiter. „Diese Arbeitsplatzverluste zerstören nicht nur ganze Kommunen, sondern schädigen auch die gesamte industrielle Struktur Europas auf unumkehrbare Weise. Genau deswegen ist es höchste Zeit für ein Treffen des EU-Ministerrats.“

Neben einer Änderung der Regeln für den CO2-Emissionshandel in Europa forderte Eggert von der Politik vor allem, endlich wirksame Handelsschutzmaßnahmen zu ergreifen. „Die EU hinkt hierbei anderen Regionen hinterher; die USA, Indien und die Türkei haben das Problem längst erkannt und unmittelbare Maßnahmen ergriffen“, sagte Eggert.

Eine britische Zeitung zitierte derweil Labour-Chef Jeremy Corbyn mit der Absicht, nach China zu reisen und die dortige Regierung persönlich mit den Folgen ihres Stahldumpings zu konfrontieren. Die Auswirkungen auf die britische Stahlindustrie seien „ruinös“, sagte Corbyn beim Besuch der Tata-Steel-Anlage in Scunthorpe.

Quellen: Eurofer; marketSTEEL; Vorschau-Bild: Schmuttel / pixelio

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