Nach Arcelor-Mittal-Absage: Es besteht Forschungsbedarf zu grünem Stahl
von Hubert Hunscheidt

Die Entscheidung komme zu einem Zeitpunkt, an dem industriepolitische Weichen für die Zukunft gestellt werden müssten mit langfristigen Konsequenzen für den Industriestandort Bremen, hebt Torben Stührmann, Leiter des Fachgebiets Resiliente Energiesysteme der Universität Bremen, hervor. „Mit steigenden Preisen im EU-Emissionshandel wird sich die Produktion ohne grüne Transformation kontinuierlich verteuern. Bleiben Maßnahmen zur Dekarbonisierung aus, droht spätestens 2045 die Schließung des Werks.“ Bereits 2040 könnte das Auslaufen der Zertifikate aus dem EU-Emissionshandel das wirtschaftliche Aus für den Standort bedeuten.
Die Rektorin der Universität Bremen, Jutta Günther, betont: „Das an der Universität Bremen koordinierte Forschungsprojekt hyBit leistet in einem großen Verbund von wissenschaftlicher Einrichtungen und Unternehmen fundierte Forschung zur klimaneutralen Produktion in der Stahlindustrie. Das Projektteam hat es sich zur Aufgabe gemacht, Aufgabe, die Transformation hin zu grüner Stahlproduktion mit Daten, Analysen und Innovationen zu begleiten. Dafür steht hybit, und es braucht weiterhin ein starkes Zusammenspiel von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, um die industrielle Transformation in Richtung Nachhaltigkeit zu vollziehen.“
Warum Bremen als Standort so bedeutend ist, zeigt sich mit Blick auf den internationalen Wettbewerbsdruck: Es geht darum, Energie- und Stoffströme effizient zu koppeln. Die Entwicklung industrieller Symbiosen wird angesichts globaler Konkurrenz, etwa bei Strompreisen und Fachkräften, zunehmend unerlässlich. Studien von hyBit zur Wasserstofftransformation in Skandinavien und im Nahen Osten und Nordafrika zeigen, dass Standortverlagerungen zwar theoretisch attraktiv erscheinen, in der nötigen Zeit aber meist nicht realisierbar sind – oder aus Sicht resilienter Wertschöpfungsketten nicht zielführend wären. Stührmann: „Umso wichtiger bleibt es, lokale Lösungen entschlossen voranzutreiben.“ Ziel des insgesamt 30 Millionen Euro umfassenden Forschungsprojektes hyBit ist es, die optimalen Bedingungen für eine erfolgreiche Transformation zu analysieren und in konkreten Handlungsempfehlungen umzusetzen.
„Die langfristige Transformation braucht frühzeitige Entscheidungen. Grüner Stahl ab 2040 setzt jetzt Investitionen voraus, ebenso wie den Aufbau einer verlässlichen Wasserstoffinfrastruktur. Diese kann nicht allein von ArcelorMittal gestemmt werden“, sagt Torben Stührmann. Es sei zu kurz gedacht, die zugesagten milliardenschweren Fördermittel von Bund und Land Bremen auszuschlagen, nur, weil der Einsatz von Wasserstoff erst in den kommenden Jahren erwartet wird. „Die Transformation der Stahlindustrie ist eine zentrale Herausforderung der Klimapolitik – lokal wie global.“
Zum Projekt hyBit
Das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderte Projekt Hydrogen for Bremen’s industrial Transformation – hyBit – begleitet seit Ende 2022 die Transformation des Bremer Industriehafens hin zu einem klimaneutralen, nachhaltigen und resilienten Industriestandort. Ziel ist es, eine fundierte Datenbasis und konkrete Entscheidungsgrundlagen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bereitzustellen.
Das Projektkonsortium hyBit wird getragen von 19 Partnern aus Wissenschaft und Industrie, die mit einem starken Kooperationsansatz zusammenarbeiten. Projektpartner sind u. a. das Wuppertal-Institut, das Bremer Institut für Produktion und Logistik (BIBA) an der Universität Bremen, das Fraunhofer-IFAM (Bremen), das Fraunhofer-ICT (Karlsruhe) und die Hochschule Bremen, sowie weitere Schlüsselakteure der bremischen Industrie wie ArcelorMittal Bremen, swb und die BLG. In der Universität Bremen sind elf Arbeitsgruppen aus den Technik-, Geistes- und Sozialwissenschaften vertreten.
Quelle und Foto: Universität Bremen