Mit Hochdruck in die Wasserstoff-Ära

von Hubert Hunscheidt

Wasserstoff gilt als der Energieträger der Zukunft: vielseitig einsetzbar, aus erneuerbaren Energien herstellbar sowie hocheffizient als Brennstoff und zur Energiespeicherung. Seiner Schlüsselrolle zur Dekarbonisierung der Industrie und damit zur Energiewende trägt die Europäische Union mit der Wasserstoffstrategie Rechnung. Ziel dieser Strategie ist es, bis zum Jahr 2030 eine europäische Eigenproduktion von rund zehn Millionen Tonnen grünem Wasserstoff zu erreichen sowie weitere zehn Millionen Tonnen zu importieren. Voraussetzung dafür ist auch die Verfügbarkeit der entsprechenden Infrastruktur in Form eines europaweiten Wasserstoff-Transportnetzes. Dieser European Hydrogen Backbone (EHB) soll zu rund 70 Prozent durch Umrüstung bestehender Erdgasleitungen und zu 30 Prozent aus Neubau von Wasserstoffleitungen entstehen. Der griechische Rohrhersteller Corinth Pipeworks S.A. (CPW) und Europas größtes Grobblechwalzwerk Dillinger mit Stammsitz im Saarland treiben als Pioniere den Bau von Hochdruckgasleitungen für bis zu hundertprozentig reinem Wasserstoff voran. Beispielhaft dafür steht ihre erfolgreiche Zusammenarbeit bei den ersten für reinen Wasserstoff zertifizierten Leitungen Europas in Polen und Italien.

Corinth Pipeworks ist ein führender Tier-1-Lieferant für Stahlrohre, die den höchsten Standards der Öl- und Gasindustrie entsprechen und das weltweit. Mehr als 90 Prozent der Projekte betreffen Gastransportleitungen für Erdgas, Wasserstoff und Carbon Capture and Storage-Technologien. Eine führende Rolle in Forschung und Entwicklung für Rohrleitungen im Energiesektor rundet das Portfolio ab. Dabei setzt das Unternehmen mit Sitz in Thisvi (Theben) nahe der namensgebenden Stadt Korinth auf das Prinzip von One-Stop-Shopping. So liefert es alle geschweißten Produkte für Wasserstoffleitungen aus einer Hand - von der Fertigung über die Zertifizierung im eigenen hochmodernen Wasserstofflabor bis zur Auslieferung. 1969 in Korinth gegründet, eröffnete das Unternehmen im Jahr 2000 in Thisvi seine neue Produktionsstätte mit exklusivem Hafenzugang. Auf dem über 800.000 Quadratmeter großen Werksgelände, 130.000 Quadratmeter davon überdacht, sind zehn Produktionsbetriebe untergebracht: darunter vier Rohrwerke, die Rohre von 2,5 bis 100 Zoll Durchmesser herstellen, zwei Werke für Rohraußenbeschichtung, ein weiteres für Rohrinnenbeschichtung, eine Betonbeschichtungsanlage sowie eine Doppelverbindungsanlage für Rohrleitungen. Die jährliche Produktionskapazität beträgt bis zu eine Million Tonnen. Seit 2016 gehört das Unternehmen zur Cenergy Holdings SA. Die Aktien-Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke (Dillinger) ist weltweit führend in der Herstellung von hochwertigen Grobblechen. Diese Hightech-Bleche finden Einsatz in technisch anspruchsvollen Projekten der Bereiche Stahlbau, Off- und Onshore, Windkraft, Linepipe, Druckbehälter- und Maschinenbau. Von der Roheisen- und Stahlerzeugung, über zwei Walzwerke bis hin zu Handels-, Brennschneid- und Anarbeitungsbetrieben bietet Dillinger ebenfalls alles aus einer Hand. Corinth Pipeworks und Dillinger verbindet eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Pionier mit eigenem Wasserstofflabor

Im Jahr 2020 stellte Corinth Pipeworks ein Emerging Fuels Team auf, um eine Strategie zur zukunftsweisenden Entwicklung der Rohrtechnik zu definieren und voranzutreiben. Dieses Team bilden drei, jeweils seit mehr als zwei Jahrzehnten für das Unternehmen tätige Experten: Athanassios Tazedakis, Senior Operations Direktor, Metallurgie-Ingenieur und promovierter Schweißingenieur, Nikolaos Voudouris, Leiter Forschung und Entwicklung, Chemieingenieur und promovierter Materialwissenschaftler, sowie Efthymios Dourdounis, Leiter Qualitätssicherung, Chemieingenieur und promovierter Metallurgie-Ingenieur. Zu jener Zeit gab es noch kein europäisches Standardisierungsprogramm für Wasserstoffleitungen, sodass Corinth Pipeworks mit der Entwicklung der entsprechenden Protokolle für das Qualifizierungsprogramm auf Basis des ASME-Codes B31.12 Option B aus den USA begann. Corinth Pipeworks integrierte die Anforderungen des Codes in eine standardisierte Prüfung und Zertifizierung gemäß ASME-Code B31.12 Option B für Blech und Schweißverbindungen von Rohren für den Transport von Wasserstoff-Erdgas-Gemischen oder reinem gasförmigen Wasserstoff ohne Auslegungsbeschränkung. Neben der genannten Qualifizierung hat das Unternehmen eine eigene Testumgebung geschaffen. Als weltweit einziger Rohrhersteller verfügt CPW heute über ein hochmodernes Wasserstoffprüflabor, um Rohre für reinen Wasserstoff unter statischer oder zunehmender Belastung und hohem Druck bis 300 bar gemäß ASME B31.12-Code und anderen relevanten Standards auf Zähigkeit, Duktilität und der damit verbundenen Zähigkeitsverringerung aufgrund von Wasserstoffversprödung zu prüfen und zertifizieren. Dieses Wissen zu wasserstoffspezifischen Phänomenen ermöglicht es Corinth Pipeworks, Endprodukte mit dem notwendigen Sicherheitslevel zu liefern und tiefere Einblicke in die Designanforderungen für Netzbetreiber zur Verfügung zu stellen. Heute bedeutet dieses Know-how zu Stahlgüten, Dicken und Pipeline-Technologie einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, um selbst für anspruchsvollste Projekte eine nachweislich sichere Eignung und Auslegung der Produkte zu gewährleisten. Ein Garant für diese zuverlässige Produktsicherheit sind für den Rohrhersteller strategische Kooperationen mit erstklassigen Stahlwerken, zu deren Spitze Dillinger zählt. "Die Tatsache, dass sich der Stahl so verhält, wie wir es aufgrund unserer Erfahrungen mit dem Unternehmen und unserer Finite Elemente (FEM)-Analyse für das spezifische Produkt vorhergesagt haben, ist extrem wichtig", erläutert Athanassios Tazedakis die Bedeutung dieser gewachsenen Kooperation.

Hochdruckgasleitung für Polen

Der polnische Gasnetzbetreiber GAZ-System Poland SA zählt schon lange zum Kundenstamm von Corinth Pipeworks. Im Jahr 2021 erhielt der griechische Rohrhersteller eine Anfrage von GAZ-System für eine 80 Kilometer lange Hochdruckgasleitung. Diese Leitung soll zunächst Erdgas transportieren, künftig aber wasserstofftauglich sein, um Teil des europäischen Wasserstoff-Backbones zu werden. Die standardisierte Prüfung und Zertifizierung durch das Wasserstofflabor von Corinth Pipeworks überzeugte GAZ-System auf ganzer Linie, sodass der Gasnetzbetreiber die Anforderungen des ASME-Code B31.12 in seine eigene Spezifikation für die geplante Hochdruckgasleitung aufnahm. Die beauftragte 80 Kilometer lange Leitung von Gustoržyn nach Wronów ist Teil einer größeren Hochdruckgasleitung. Die längsnahtgeschweißte Rohrleitung (LSAW) hat einen Durchmesser von 1.016 Millimetern und eine Wandstärke von 22,2 Millimetern. Außen wurde sie mit einer dreilagigen Polyethylen-Beschichtung als Korrosionsschutz und innen mit einer Epoxid-Beschichtung versehen. Der Betriebsdruck der Leitung von 80 bar entspricht dem in Europa typischen Druck für Transportleitungen. Efthymios Dourdounis betont: "Sie wurde jedoch mit viel höherem Druck als im Betrieb erforderlich bei uns getestet und hält einem Druck von bis zu 200 bar stand." Athanassios Tazedakis ergänzt: "Um die damit verbundenen Anforderungen zu erfüllen und zu übertreffen, müssen wir sehr sorgfältig und konservativ bei der Auswahl unserer Partner vorgehen." Für den Lieferanten des Vormaterials fiel die Wahl auf die Dillinger Hüttenwerke, die für diesen Abschnitt 11.000 Tonnen Grobblech der Güte L485ME lieferten. "Das ist die höchstfeste Stahlsorte, die gemäß ASME-Code B31.12 für Wasserstoffanwendungen qualifiziert werden kann", erklärt Efthymios Dourdounis und fügt hinzu: "Gängiger sind die Güten L415, L450 oder L485. Die von GAZ-System spezifizierte Güte L485ME ermöglicht jedoch durch die hohen mechanischen Eigenschaften und die hohe Streckgrenze eine geringere Wandstärke, sodass bei gleichem Auslegungsdruck weniger Stahl erforderlich ist."

Maßgeschneiderte Grobbleche für Wasserstoffrohre

Basis für die Wahl von Dillinger als Lieferant waren die umfangreichen Datenbankinformationen zu Stahleigenschaften und Anforderungen, die Corinth Pipeworks an den Stahl stellte, sowie die von Dillinger in der Vergangenheit unter Beweis gestellten Fähigkeiten. Ausschlaggebend ist laut Nikolaos Voudouris für den Rohrhersteller, dass die Bleche sich so umformen lassen, dass sie die herausfordernden Spezifikationen für Wasserstoffleitungen erfüllen. "Wir haben strenge Anforderungen hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung und der mechanischen Eigenschaften des Stahls, die wir garantieren müssen, um die hohe Qualität der Rohre sicherzustellen." Dafür sei extrem wichtig, dass das Rohrblech sich bei der Formgebung vorhersagbar verhalte, damit die Vorbereitung für das Schweißen korrekt erfolgen könne. In der vorangegangenen FEM-Analyse werde im Detail festgelegt, wie alle Umformschritte und die Bleche für die spezifischen Rohrentwürfe eingesetzt werden müssen. "Wir produzieren keine handelsüblichen Rohre, sondern jedes Projekt wird von uns von Grund auf neu entworfen. Wir erhalten von den Kunden Entwürfe für eine ganz bestimmte Anwendung mit bis ins Detail spezifizierten Anforderungen." Der Stahlzulieferer müsse deshalb den Stahl so entwerfen, dass er diese Anforderungen des Kunden erfülle und gleichzeitig alle Einschränkungen durch Normen einhalte. Die Wasserstoffnorm komme zu allen anderen Normen für eine Rohrleitung hinzu. "Bei Dillinger wissen wir, dass das Blech unseren Erwartungen und Vorhersagen tatsächlich entspricht: hohe Reinheit durch geringe Anteile an Phosphor und Schwefel, eine gute Mikrostruktur mit geringem Kohlenstoffanteil, niedriger Härte, guter Duktilität sowie leichter Schweißbarkeit."

Im Schulterschluss zu zertifizierter Sicherheit

Für Dillinger sprächen zudem die hohe Lieferzuverlässigkeit, die Verfügbarkeit der gewünschten Güten- und Dickenkombination sowie die mechanischen Eigenschaften der Bleche. Athanassios Tazedakis ergänzt: "Wasserstoffversprödung ist eine der größten Herausforderungen, die wir hierbei bewältigen müssen - insbesondere bei hochfesten Stählen! Sie ist ein entscheidender Faktor für uns bei der Auswahl des hochfesten Materials von Dillinger! Nur so können wir sicherstellen, dass das Versprochene auch geliefert wird, und zwar nicht nur von Dillinger, sondern auch von uns." Nikolaos Voudouris betont: "Unsere Beziehung zu Dillinger beruht allerdings nicht nur auf der Qualität des Materials, sondern auf dem Gesamtpaket: Wir erhalten eine sehr hochwertige Dokumentation zum Stahl. Alles ist auf höchstem Niveau, das metallurgische Know-how, die Reaktionsfähigkeit, um Dinge schnell an Anforderungen anzupassen und die Kommunikation. Wir sprechen dieselbe Sprache." Deshalb führe man auch häufig Gespräche, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen und die eigenen Agenden in diesen technisch anspruchsvollen Projekten zu aktualisieren.

Die für GAZ-System gelieferte Hochdruckgasleitung ist seit 2023 in Betrieb und damit eine der ersten in Europa, die für den Transport von reinem Wasserstoff zertifiziert ist. Die erste Wasserstoffleitung dieser Art wurde ebenfalls von Corinth Pipeworks geliefert - für den italienischen Fernleitungsnetzbetreiber SNAM S.p.A (Società Nazionale Metanodotti). Sie umfasst bis heute mehr als 600 Kilometer wasserstoffzertifizierter Rohre des griechischen Rohrherstellers - darunter auch wieder hochfester Stahl der Güte L450 des saarländischen Stahlproduzenten. "Die Zusammenarbeit mit Dillinger bedeutet für uns doppelte Unterstützung", sagt Athanassios Tazedakis. "Dillinger liefert Produkte für Pipelines, die Wasserstoff in großer Menge bereitstellen sollen, und stellt dieses Produkt dank immenser Investitionen in seine Produktionsanlagen auch mit geringen CO2-Emissionen her, da Wasserstoff bei der Herstellung genutzt wird. Unsere Philosophien und Mentalitäten passen also gut zusammen. Deshalb steht Dillinger für uns ganz oben auf unserer Liste."

Nächste Meilensteine für On- und Offshore-Leitungen im Visier

Die anspruchsvollen Anwendungen mit Wasserstoff läuten aus Sicht des Experten in Europa eine neue Ära ein, bei der die Herausforderungen gemeinsam angegangen werden müssten, denn der Erfolg sei für beide Unternehmen sehr wichtig. Die Umrüstung bestehender Leitungen erfordere von den Gasnetzbetreibern hohe wirtschaftliche Opfer: Sie müssten die Pipeline über die gesamte Länge überprüfen und bei vorhandenen Schäden oder verdächtigen Streckenabschnitten, die für Erdgas nicht kritisch sind, den Druck in der Pipeline für den Transport von Wasserstoff senken. Rentabel sei eine Wasserstofftransportleitung allerdings nur mit großen Durchflussmengen, sodass er eine hohe Nachfrage nach neuen Pipelines erwarte. Gleichzeitig ist Corinth Pipelines erneut als Vorreiter an vielen Projekten beteiligt, um die derzeit noch fehlenden Standards für Offshore-Pipelines zu formulieren. "Die Qualifizierung dieser Pipelines für den Transport von Wasserstoff auf See muss auf strengen Eingangsprüfungen und Materialvalidierungen beruhen. Darauf müssen wir ebenso wie Dillinger vorbereitet sein!" Corinth Pipelines und Dillinger seien als Partner für den Zukunftsmarkt Wasserstoff bereit: "Wir haben fertige Lösungen, den Markt bereits mit Produkten auf dem neuesten Stand der Technik beliefert und den Willen zu weiteren Verbesserungen und zur Vertiefung der Zusammenarbeit!"

Quelle und Foto: AG der Dillinger Hüttenwerke