Maschinenbau fordert einen „Herbst des Handelns“

von Hubert Hunscheidt

Handelskriege, Bürokratiefrust, globale Verunsicherung sowie immer höhere Kosten belasten den Maschinen- und Anlagenbau im laufenden Jahr schwer. Der VDMA sieht für 2025 daher einen Produktionsrückgang von 5 Prozent voraus. Auch 2026 ist nur ein leichtes Wachstum von 1 Prozent in Sicht. VDMA-Präsident Bertram Kawlath fordert, dass aus dem angekündigten Herbst der Reformen ein „Herbst des Handelns“ wird.

Eine Welt voller Militär- und Handelskriege, politischer Lähmung und verunsicherter Investoren hat im exportorientierten Maschinen- und Anlagenbau deutliche Spuren im laufenden Jahr hinterlassen. „Die Unternehmen sind wütend über Reformen, die versprochen, aber nicht schnell genug umgesetzt werden. Über Handelskriege, die auf dem Rücken der Betriebe ausgetragen werden. Über Regulierungen, die in erster Linie zu ausufernder Bürokratie führen und vielfach von industriellen Mittelständlern gar nicht erfüllt werden können“, betonte VDMA-Präsident Bertram Kawlath im Pressegespräch auf dem 15. Deutschen Maschinenbau-Gipfel in Berlin. Zugleich verunsichere die wachsende Zahl von Kriegen die Unternehmen. „Wir erleben, wie in unserer unmittelbaren europäischen Nachbarschaft der russische Angriffskrieg unvermindert weitergeht. Ein Angriff, der auch unser freiheitliches System bedroht. Auch im vierten Jahr dieses Kriegs gilt: Wir dürfen in unserer Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen!“, betonte Kawlath.

Produktion im ersten Halbjahr sinkt um 4,5 Prozent

All dies spiegele sich in der aktuellen Konjunkturlage und dem Ausblick für die Branche wider. Im ersten Halbjahr sank die reale Produktionsleistung im Maschinen- und Anlagenbau am Standort Deutschland um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und die Dynamik hat sich zuletzt verstärkt: der Rückgang im zweiten Quartal 2025 erreichte 4,9 Prozent und war damit größer als im ersten Quartal. „Immerhin gibt es erste Hoffnungsschimmer im Auftragseingang. Von Januar bis einschließlich Juli kamen real 2 Prozent mehr Bestellungen in die Bücher“, sagte Kawlath. Allerdings waren die technischen Kapazitäten im Juli nur zu 77,6 Prozent im Branchendurchschnitt ausgelastet – „das ist deutlich zu wenig!“, betonte der VDMA-Präsident. „All diese Faktoren führen dazu, dass wir unsere Prognose für die Produktion in diesem Jahr nach unten korrigieren müssen. Bisher gingen wir von einem Minus von 2 Prozent aus, nun rechnen wir mit minus 5 Prozent für 2025“, sagte Kawlath.

Erhebliche Risiken auch im kommenden Jahr

Für das Jahr 2026 erwarten die VDMA-Volkswirte eine leichte Erholung der Maschinenbaukonjunktur - vorausgesetzt, der von der Politik angekündigte Herbst der Reformen zeigt tatsächlich Wirkung. „Technologische Innovationen und die fortschreitende Digitalisierung bieten Wachstumspotenzial, ebenso wie die Stärkung des europäischen Binnenmarkts“, erläuterte Kawlath. Auch die EU könne sich als sicherer Hafen für Investitionen etablieren, was steigende Ausrüstungsinvestitionen begünstigt – wenngleich der Maschinenbau als Spätzykliker davon erst verzögert profitiert. „Dem stehen jedoch erhebliche Risiken gegenüber“, mahnte der VDMA-Präsident und nannte als Belastungsfaktoren:

  • eine weitere Verschärfung von Handelskonflikten, neue Zölle und geopolitische Eskalationen,
  • steigende Staatsschulden und Inflationsraten sowie die darauf folgenden höheren Zinsen,
  • die drohende Ausweitung der amerikanischen Strafzölle für Stahl und Aluminium auf weitere Maschinenbauprodukte

„Angesichts dieser schwierigen Gemengelage blicken wir derzeit nur mit leichtem Optimismus auf das kommende Jahr. Wir erwarten einen preisbereinigten Produktionsanstieg von 1 Prozent für 2026“, sagte Kawlath

Klare politische Agenda zur Standortstärkung gefordert

Der VDMA-Präsident stellte klar, dass es im „Herbst der Reformen“ vor allem um die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas gehen muss. „Nur ein industriell starkes Deutschland kann den Wohlstand hier und auch in Europa sichern“, betonte er. Der Standort Deutschland hat ein großes Kostenproblem: Bürokratie, Steuern, Lohnnebenkosten, Energie – „überall muss angesetzt werden“, forderte Kawlath. Dabei seien harte Maßnahmen unvermeidlich. „Aber ein Sozialstaat, dessen Abgabenquote immer mehr in Richtung 50 Prozent steuert, ist nicht haltbar“, warnte der VDMA-Präsident. Erwartet und notwendig sei jetzt eine klare politische Agenda, mit der erkennbar werde, wie die Wirtschaft, Arbeitsplätze und auch der Sozialstaat gesichert werden sollen. „Nennen Sie es Agenda 2030 oder anders. Aber dieser Kurs muss jetzt beschlossen und beherzt verfolgt werden. Es ist keine Zeit mehr für lange Debatten in Kommissionen oder für Koalitionsstreitigkeiten. Wir brauchen einen Herbst des Handelns“, bekräftigte er.

Gerade für den exportorientierten Maschinen- und Anlagenbau ist ein starker Heimatmarkt essenziell. Das gilt für Deutschland ebenso wie für Europa. „Wir müssen Deutschland und Europa erfolgreicher im internationalen Wettbewerb machen, weil uns auch auf den wichtigen Märkten dieser Welt der Wind immer rauer ins Gesicht weht“, sagte Kawlath. „China ist zum größten globalen Wettbewerber im Maschinen- und Anlagenbau aufgestiegen. Weil chinesische Unternehmen enorm aufgeholt haben. Aber auch, weil sie vom chinesischen Staat unfair subventioniert werden. Und wir fragen uns: Wo bleibt die politische Antwort, wo bleibt eine China-Strategie der neuen Bundesregierung?“, betonte er.

US-Strafzölle bis zu 200 Prozent drohen

Denn auch im Handel mit dem wichtigsten Partner außerhalb der EU, den USA, herrscht inzwischen ein stürmisches Klima. „Strafzölle und Drohungen sind Gift für langfristige Investitionen, die gerade in unserer Industrie eine entscheidende Rolle spielen“, betonte Kawlath. Denn die jüngste Ausweitung der US-Zölle treffe den europäischen Maschinenbau ins Mark: Rund 40 Prozent der Maschinenimporte aus der EU in die USA unterliegen nun einem Zoll von 50 Prozent auf den Metallanteil des Produkts. „Das führt für unsere Unternehmen zu zwei gravierenden Problemen: Zum einen wird die Liste von den US-Behörden alle vier Monate überprüft und kann jederzeit erweitert werden – eine tickende Zeitbombe für unsere Branche“, warnte der VDMA-Präsident. Die durch den Zolldeal erhoffte Planungssicherheit für künftige Geschäfte sei damit faktisch aufgehoben.

„Zum anderen besteht die größte Herausforderung für unsere Unternehmen nun darin, den Metallanteil zu berechnen und zu belegen sowie die Herkunft des eingesetzten Stahls und Aluminiums nachzuverfolgen. Für viele Firmen ist das schlicht nicht möglich, da sie zahlreiche Zulieferer haben und diese solche Detaildaten teilweise nicht bereitstellen“, sagte er. Im schlimmsten Fall drohen nun 200 Prozent Zoll auf das gesamte Produkt. „Deshalb stoppen einige Unternehmen ihre Exporte – das Risiko ist schlicht zu hoch“, resümierte Kawlath und forderte: „Die Europäische Union muss den USA deutlich machen, dass unsere Maschinen die amerikanische Produktion und den Export ermöglichen – und daher von Strafzöllen auszunehmen sind.“

EU muss Mercosur und andere Freihandelsabkommen umsetzen

Der VDMA-Präsident widersprach daher in aller Deutlichkeit der Aussage von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass der Zolldeal für Stabilität und Berechenbarkeit im Handel sorge. Insgesamt seien die wirtschaftspolitischen Impulse in der jüngsten „State of the Union“-Rede „sehr überschaubar“ gewesen, fügte er hinzu. „Zwar stärkt die EU-Kommission die Handelspolitik - das ist ein sehr positiver Ansatz. Jetzt muss die EU aber auch umsetzen und vor allem das Mercosur-Abkommen endlich in Kraft setzen“, forderte Kawlath. Auch weitere Abkommen zum Beispiel mit Indien müssten rasch folgen.

Positiv zu sehen seien die Ankündigung von der Leyens zu einer Roadmap zur Vollendung des Binnenmarktes und die Weiterführung der Vereinfachungsagenda, ergänzte der VDMA-Präsident. „Aber auch hier gilt: die verschiedenen Omnibusse müssen ihr Ziel auch erreichen, ohne auf der Strecke zu viel Ballast aufgeladen zu bekommen“, mahnte Kawlath. „Wenn das EU-Parlament die angekündigten Vereinfachungen und Streichungen von Regulierung wieder zunichtemacht, bleibt das Versprechen, Europa wettbewerbsfähiger zu machen, ein reines Lippenbekenntnis.“

Neue Studie zur Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Maschinenbaus

Nicht nur die Politik ist gefordert, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu stärken – auch die Unternehmen stehen in dieser Pflicht. Sie sind gefordert, ihre Wettbewerbsfähigkeit für die kommenden Jahre durch eigene Maßnahmen zu sichern. Das heißt: etablierte Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten auf den Prüfstand stellen und für eine Welt fit machen, in der insbesondere Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle spielen.

Der VDMA hat dazu mit seinem Wissenspartner McKinsey die Studie „Wettbewerbsfähigkeit in einer neuen Ära – Erfolgsfaktoren, Trends und Handlungsansätze im europäischen Maschinen- und Anlagenbau“ erstellt und auf dem 15. Deutschen Maschinenbau-Gipfel vorgestellt. Darin werden unter anderem acht Erfolgsfaktoren von operativer Exzellenz über Innovation bis zur geopolitischen Resilienz beschrieben, die künftig Wachstum und Profitabilität der Unternehmen bestimmen. Zudem werden sechs zentrale Wege aufgezeigt, wie Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern und ausbauen können – vom konsequentem Kostenmanagement über die Erschließung neuer Märkte bis zur Stärkung des Service- und Aftersales-Geschäfts. „Es geht jetzt darum, die Innovationskraft der Branche zu entfesseln – nicht nur in den Produkten, sondern auch in den Prozessen und Geschäftsstrategien“, erläuterte Dr. Dorothee Herring, Studienautorin und Senior Partner von McKinsey. „Entscheidend ist dabei, begrenzte Ressourcen wie Kapital, Mitarbeiterkapazitäten oder die Aufmerksamkeit des Managements auf die richtigen Prioritäten zu konzentrieren. Nur durch eine schonungslose Analyse und die entschlossene Umsetzung von Verbesserungen können Unternehmen ihre Position nachhaltig stärken“, betonte Dr. Herring.

VDMA bringt seine Europäisierung voran

Die Maschinen- und Anlagenbauindustrie braucht ein starkes Europa und damit auch eine europäische Interessenvertretung durch starke Industrieverbände. Der VDMA ist mit mehr als 400 Mitgliedsfirmen außerhalb Deutschlands die wichtigste Stimme des europäischen Maschinen- und Anlagenbaus und will dies künftig noch stärker nach außen zeigen. Dazu wurde bereits im vergangenen Oktober von der Mitgliederversammlung eine Namensänderung beschlossen: Der Zusatz „Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau“ wurde gestrichen, der Verband heißt seither offiziell VDMA e.V. „Selbstbewusst sagen wir zusätzlich Europas größter Verband des Maschinen- und Anlagenbaus“, betonte Kawlath. Zudem hat sich der VDMA den Claim „Advancing Europe’s Machinery Industry“ sowie ein neues Logo und ein moderneres Erscheinungsbild gegeben. „All dies steht für die europäische Stärke des Verbands und seiner Industrie, die wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen wollen“, resümierte der VDMA-Präsident.

Quelle und Foto: VDMA