Maschinen- und Anlagenbau trotzt den erheblichen Belastungen

von Hubert Hunscheidt

Die Erholung im Maschinenbau wird 2022 mit gebremstem Schwung weitergehen - vorausgesetzt es kommt nicht zu einer abrupten Unterbrechung der Energieversorgung. Ukraine-Krieg und Lieferkettenprobleme belasten die Firmen, deshalb reduziert der VDMA seine Produktionsprognose für 2022 auf plus 1 Prozent.

Die wirtschaftliche Erholung im Maschinen- und Anlagenbau wird im laufenden Jahr ungeachtet aller Schwierigkeiten mit gebremstem Schwung weitergehen - vorausgesetzt es kommt nicht zu einer abrupten Unterbrechung der Energieversorgung. "Der Krieg in der Ukraine und die anhaltenden Lieferkettenprobleme, die insbesondere durch die Lockdowns in China immer wieder verschärft werden, sind natürlich eine erhebliche Belastung für unsere Industrie. Aber zugleich können wir immer noch auf ein sehr hohes Auftragspolster von aktuell 11,6 Monaten blicken. Deshalb rechnen wir für 2022 weiterhin mit einem realen Produktionswachstum, müssen unsere Prognose aber von bisher plus 4 Prozent auf plus 1 Prozent reduzieren", sagte VDMA-Präsident Karl Haeusgen auf der Pressekonferenz des Verbands zur Hannover Messe. Für den Umsatz rechnen die VDMA-Volkswirte dieses Jahr mit einem nominalen Zuwachs von 8 Prozent. Dies würde einen Höchststand von 239 Milliarden Euro bedeuten.

Zuversicht zieht die Maschinenbauindustrie trotz der herrschenden Risiken aus zahlreichen Geschäftschancen auf vielen wichtigen Absatzmärkten. "Hierzu zählen vor allem die nach wie vor wirkenden staatlichen Konjunktur- und Infrastrukturprogramme rund um den Globus sowie die wachsenden Anstrengungen vieler Staaten, den Klimawandel zu bekämpfen. Und es braucht vielerorts hohe Investitionen, um die Wertschöpfungs- und Lieferketten neu auszurichten. All dies geht nur mit modernsten Technologien aus dem Maschinen- und Anlagenbau", betonte Haeusgen.

Geschäfte in Russland kommen weitgehend zum Erliegen

Ein Risiko für die Maschinenbauindustrie bleibt allerdings die russische Invasion in der Ukraine. Sie hat inzwischen zu einer Vollbremsung der Geschäfte mit der Region geführt. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Umfrage des VDMA unter Mitgliedsfirmen, die auf dem russischen Markt mit Produktion, Vertrieb oder Service tätig sind. 95 Prozent der knapp 300 an der Umfrage beteiligten Unternehmen meldeten, dass ihre Geschäftstätigkeit in Russland inzwischen spürbar eingeschränkt oder vollständig zum Erliegen gekommen ist. Hierbei spielen vor allem die gegenseitigen Sanktionen, Reise- und Transportbeschränkungen sowie die allgemeine Verunsicherung aufgrund des Kriegs die entscheidende Rolle.

"Wie stark der Krieg alles verändert hat, sieht man daran, dass vier von fünf Firmen ihre Geschäftsaussichten mit Russland vor der Invasion noch als gut oder zufriedenstellend bezeichneten", erläuterte Haeusgen. Nun rechnen drei Viertel der Unternehmen damit, dass sich ihre Geschäfte mit Russland in den kommenden sechs Monaten entweder noch weiter verschlechtern oder sie diese ganz aufgeben werden. Weitere 20 Prozent wagen angesichts des Kriegs überhaupt keine Prognose mehr. "Die Sanktionen gegen Russland wirken, und sie sind absolut richtig", betonte Haeusgen. "Der russische Markt ist für die Maschinenbaufirmen traditionell zwar ein Exportmarkt. Die Investitionen in Produktion und Montage vor Ort sind gemessen an der Größe des Marktes vergleichsweise niedrig. Dennoch kann der Verlust dieses Marktes für einzelne Firmen sehr schmerzhaft sein, es gibt oft langjährig enge Beziehungen, und die Betriebe fühlen sich auch zu Recht verpflichtet gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Russland. Selbst wenn es, wie wir alle hoffen, zu einem raschen Ende des Kriegs und der Wiederherstellung der territorialen Souveränität der Ukraine kommen sollte - es wird viele Jahre dauern, bis die Geschäfte mit Russland wieder auf einem echten Vertrauensverhältnis beruhen können", prognostizierte der VDMA-Präsident.

Wirtschaftsminister souverän, "Ampel-Koalition" zeigt Schwächen

Wichtig für die Maschinenbauindustrie in dieser Situation ist, dass Bundesregierung und EU eine klare Sanktionspolitik betreiben, auf die die Unternehmen sich einstellen können. Dabei müssen aber auch die Belange insbesondere der mittelständischen Unternehmen berücksichtigt werden, die für die überwiegende Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland und Europa stehen. "Es gibt aktuell einen sehr guten Austausch zwischen Industrie und Politik, das Wirtschaftsministerium und sein Minister agieren sehr professionell in Bezug auf den Ukraine-Krieg und seine Folgen. Robert Habeck zeigt Verständnis für die Industrie und macht eine verantwortungsvolle Politik", lobte VDMA-Präsident Haeusgen.

Schwächen sieht der Maschinen- und Anlagenbau dagegen in der Politik der "Ampel-Koalition" insgesamt. Diese betreffen die zögerliche Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner Partei, sich von ihren bisherigen Russland-Vorstellungen zu lösen, aber auch die Rolle der FDP in der Regierung. "Wir erwarten von der FDP, dass sie die Ampel auf einem klar marktwirtschaftlichen Kurs hält. Das Hin und Her etwa bei der Emobility-Kaufprämie oder der Kampf für Tankgutscheine zeigen jedoch, dass die Partei dabei ist, ihren Kompass zu verlieren", bemängelte Haeusgen. Davon profitiere derzeit die Union, die überraschend schnell wieder mit breiter Brust im Bundestag auftrete und gute Oppositionspolitik mache. "Allerdings muss die Union gerade in der jetzigen angespannten geopolitischen Lage weiter Verantwortung tragen und darf nicht zur Blockade-Opposition werden", mahnte der VDMA-Präsident.

EU muss weiter Einigkeit zeigen - "Fit for 55" behält oberste Priorität

Die EU wiederum hat in ihrer Reaktion auf den russischen Angriffskrieg eine zuvor nicht unbedingt erwartbare Einigkeit gezeigt. "Die bislang verabschiedeten fünf Sanktionspakete hat die EU schnell und effizient verabschiedet. Das war nicht selbstverständlich. Die Einheit Europas ist eine der wenigen positiven Erkenntnisse des furchtbaren Kriegs in der Ukraine", sagte Haeusgen. Diese Einigkeit der EU werde von der Wirtschaft aber auch erwartet. Auf der anderen Seite sind die Maschinenbaubetriebe bereit, ihren Beitrag zu dieser gemeinsamen Reaktion zu leisten.

Wichtig für den Weg nach vorne ist nach Ansicht des VDMA jedoch, dass der russische Angriffskrieg die Debatte über den Klimaschutz auch in Europa nicht in den Hintergrund drängen darf. Das Maßnahmenpaket "Fit for 55" wird immer noch im Europäischen Parlament und im EU-Ministerrat verhandelt. "Hier sind jetzt dringend Fortschritte erforderlich - sowohl für den Klimaschutz, aber auch, um die Abhängigkeit von russischer Energie zu reduzieren", forderte Haeusgen. Dabei sollte jetzt unbedingt ein wesentlich größerer Fokus auf eine Steigerung der Energieeffizienz gelegt werden. Die Technologien hierfür sind vorhanden und sie könnten kurzfristig die Abhängigkeiten Europas von Russland reduzieren.

Klimaneutralität und Versorgungssicherheit

Der Krieg in der Ukraine führt auch im Maschinen- und Anlagenbau allen Akteuren schmerzlich vor Augen, dass die Energieversorgung neu aufgestellt werden muss und es zusätzlicher Anstrengungen bedarf, um die Abhängigkeit von russischer Energie so rasch wie möglich zu beseitigen. Zugleich muss die Bekämpfung des Klimawandels energisch vorangetrieben werden. "Klimaschutz und Versorgungssicherheit müssen zusammengedacht werden", betonte Haeusgen. "Dabei gibt es unterschiedliche Konzepte, um beide Ziele gemeinsam zu erreichen. Ein neues Strommarktdesign kann beides unterstützen. Hierbei ist die Refinanzierbarkeit von Energieanlagen ein wichtiger Schlüssel", sagte der VDMA-Präsident.

Zusätzlich zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien gewinnt die Nutzung von grünem Wasserstoff für flexible Kraftwerke an Bedeutung. Die Kraftwerke übernehmen in der Transformation die wichtige Aufgabe der Reserve-Kapazitäten. „Sie fungieren gewissermaßen als Versicherung, wenn Wind und Sonne nicht in ausreichender Menge verfügbar sind“, erläuterte Haeusgen. "Der Maschinen- und Anlagenbau macht diesen Wandel erst möglich und hält die entsprechenden Technologien für die Transformation bereit."

"Industrial Transformation" als zentrale Aufgabe

Neben dem Thema Versorgungssicherheit hat die diesjährige Hannover Messe den wichtigen Schwerpunkt "Industrial Transformation". Die produzierende Industrie ist mehr und mehr gefordert, über die Optimierung ihrer Anlagen und Prozesse hinaus auch intelligente Kommunikation und Software einzusetzen und ihre Daten entsprechend zu nutzen. Als Basis hierfür entwickelt der VDMA als Vorreiter die Weltsprache der Produktion auf Basis von OPC UA. Dies erfolgt nicht nur für branchenspezifische Informationen, sondern auch für Informationen, die für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau von Relevanz sind, wie Identifikation, Statusmonitoring oder - neu gestartet - Energy Monitoring. "Der VDMA legt hiermit die Basis für die zukunftsfähige Produktion weltweit", betonte Haeusgen.

"Unter dem Label umati haben wir dazu eine einmalige globale Community ins Leben gerufen, die sich für den interoperablen Datenaustausch vom Shop-Floor bis in die Cloud einsetzt. Wir ermöglichen einen direkten branchenübergreifenden Austausch im Maschinen- und Anlagenbau und mit seinen Anwendern, Softwarelieferanten und anderen Akteuren", resümierte er.

Quelle: VDMA / Foto: Deutsche Messe AG

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