Konjunktureller Tiefpunkt ist überwunden
von Hubert Hunscheidt
Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erwartet in diesem Jahr aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie einen Einbruch des deutschen Wirtschaftswachstums um 5,8 Prozent. Im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaft um 6,4 Prozent wachsen. Die Arbeitslosenquote dürfte dieses Jahr 5,9 Prozent und im kommenden Jahr 5,3 Prozent betragen. Eine deutlich eingeschränkte Nachfrage, gesunkene Energiepreise und die temporäre Mehrwertsteuersenkung wirken sich auf die Inflation aus. Sie dürfte in diesem Jahr bei 0,2 Prozent liegen, im kommenden Jahr bei 1,3 Prozent. Die Defizite der öffentlichen Haushalte dürften unter Berücksichtigung der Coronamaßnahmen und ihrer enormen Kosten 2020 und 2021 voraussichtlich 176 bzw. 62 Milliarden Euro betragen.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- Das RWI erwartet in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 5,8 Prozent. Für 2021 erwartet es dann wieder einen Zuwachs von 6,4 Prozent.
- Der Shutdown der Wirtschaftsaktivitäten im März und April führte zu einem massiven Rückgang der Produktion. Erst seit Ende April wurde damit begonnen, die Produktion nach und nach wieder hochzufahren. Sinkende Neuinfektionszahlen führten zur schrittweisen Rücknahme von eingeführten Beschränkungen. Eine vollständige Aufhebung ist aber nach wie vor nicht abzusehen. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass der Tiefpunkt durchschritten ist.
- Angesichts der Coronakrise haben die Unternehmen ihre Investitionsnachfrage stark eingeschränkt. So gingen die Ausrüstungsinvestitionen im ersten Quartal um knapp 7 Prozent gegenüber dem Vorquartal zurück. Die Bauinvestitionen hingegen wurden mit 4 Prozent zunächst noch ausgeweitet. Aber auch hier zeichnet sich eine Verlangsamung für das zweite Quartal ab. Im kommenden Jahr dürften die Investitionen kräftige Impulse durch das Konjunkturpaket der Bundesregierung erhalten.
- Die Unternehmen nahmen das von der Bundesregierung ausgeweitete Instrument der Kurzarbeit massiv in Anspruch. Allein im April wurde für über 8 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. In den kommenden Monaten dürften eine Reihe von Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie weiterhin bestehen bleiben. Gleichzeitig ist mit einem Anstieg der Zahl der Insolvenzen zu rechnen. Daher ist davon auszugehen, dass die Arbeitslosigkeit weiter steigen wird, wenn auch mit geringerer Geschwindigkeit. Dieses Jahr dürfte die Arbeitslosenquote auf 5,9 Prozent steigen, 2021 dürfte sie auf 5,3 Prozent zurückgehen.
- Die Inflation wird vor allem durch gesunkene Energiepreise und die temporäre Mehrwertsteuersenkung der zweiten Jahreshälfte 2020 beeinflusst. Hinzu kommen preisdämpfende Effekte aufgrund einer deutlich eingeschränkten Nachfrage. Diese werden die preistreibenden Effekte angebotsseitiger Beschränkungen deutlich überwiegen. Die Inflationsrate dürfte dieses Jahr 0,2 Prozent betragen. Erst im kommenden Jahr wird die Inflation wieder anziehen, für 2021 ist ein Wert von 1,3 Prozent zu erwarten.
- Durch die Coronakrise hat sich die Lage der öffentlichen Haushalte erheblich verschlechtert. So ergibt sich für 2020 und 2021 ein Budgetdefizit von etwa 176 Milliarden Euro bzw. 62 Milliarden Euro. In Relation zum BIP liegen die Finanzierungssalden bei -5,1, bzw. -2,0 Prozent. Auf der Einnahmenseite sind deutliche Einbußen beim Steueraufkommen zu verzeichnen, während gleichzeitig höhere Ausgaben für gestiegene Sozialleistungen anfallen. Hinzu kommen die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes, steuerliche Maßnahmen sowie das Konjunkturpaket mit einer Summe von etwa 130 Milliarden Euro.
Zur aktuellen Lage der deutschen Wirtschaft sagt RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt: „Der Tiefpunkt der Krise dürfte überwunden sein. Schon für den Sommer erwarten wir dank der schrittweisen Lockerungen und der massiven finanzpolitischen Impulse eine konjunkturelle Erholung. Die Stärke der Erholung wird aber maßgeblich von der weiteren Entwicklung der Pandemie in Deutschland und dem Rest der Welt abhängen.“
Quelle: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung / Vorschaufoto: marketSTEEL