Keine einseitige Bevorzugung von Gewerkschaftsmitgliedern im Rahmen von Flächentarifverträgen!

von Hubert Hunscheidt

Vorbemerkung

Die im Arbeitgeberverband Stahl e.V. organisierten Unternehmen der deutschen Stahlindustrie lehnen einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder im Rahmen von Flächentarifverträgen kategorisch ab.

Durch einen solchen Bonus soll die bloße Mitgliedschaft in der IG Metall einen Anspruch auf Vergünstigungen in Geld und / oder Freizeit begründen.

Wir werden derartige Vereinbarungen nicht abschließen!

Die wesentlichen Gründe sind im Folgenden aufgeführt.

Fatales Signal in Krisenzeiten

Es wäre ein fatales Signal, in Zeiten einer existenziellen Krise der Stahlindustrie und der Gefährdung tausender Arbeitsplätze ausgerechnet Mitglieder der IG Metall finanziell zu bevorzugen, ohne dass es irgendeine Gegenleistung gäbe.

Der von der Gewerkschaft häufig beschworene Gedanke der Solidarität bekäme einen faden Beigeschmack, wenn auch nur der Verdacht entstünde, diese Solidarität bestehe vor allem darin, Mitgliedern finanzielle Vorteile zu verschaffen. Dieser Verdacht wäre geeignet, die bewährte Sozialpartnerschaft in der Stahlindustrie in Misskredit zu bringen und sie auf diese Weise ernsthaft zu
schwächen.

Nur eine starke Sozialpartnerschaft ist indessen in der Lage, die bevorstehenden tiefen Umbrüche in der Stahlindustrie zu bewältigen.

Steigerung der Attraktivität der Gewerkschaft nicht Aufgabe der Arbeitgeber

Die Gewerkschaften argumentieren damit, ein Mitgliederbonus erhöhe die Attraktivität der Gewerkschaftszugehörigkeit, stärke so die Gewerkschaft und damit letztlich die Tarifautonomie.

Zuzugeben ist, dass der kontinuierlich sinkende Organisationsgrad sowohl bei Gewerkschaften als auch bei Arbeitgeberverbänden die Tarifautonomie langfristig schwächt. Eine Stärkung der Verbands- bzw. der Gewerkschaftszugehörigkeit liegt also im wohlverstandenen Interesse sowohl von Gewerkschaften als auch von Arbeitgeberverbänden.

Allerdings ist es zunächst einmal die Aufgabe der Sozialpartner, für ihre jeweilige Attraktivität selbst zu sorgen.

Dies einseitig auf Kosten des Tarifpartners zu versuchen, ist schlicht plump. Die Arbeitgeberverbände fordern ja auch keinen Rabatt auf künftige Tariferhöhungen z.B. für ihre langjährigen Mitglieder, was die Attraktivität einer Verbandszugehörigkeit zweifellos erhöhen würde.

Die Ursachen für den Mitgliederschwund der Gewerkschaften liegen in einer generellen Abnahme der Attraktivität von Verbänden und Vereinen aller Art sowie in der Tatsache, dass die von den Gewerkschaften und / oder der Politik erreichten Regelungen in der Regel allen Beschäftigten zugutekommen.

Mindestlohn- und Tariftreuegesetze befördern die Entbehrlichkeit von Gewerkschaften geradezu. Einer gewerkschaftlichen Bindung bedarf es zur Durchsetzung individueller Interessen insbesondere bei Fachkräften ohnehin de facto nicht.

Verantwortungsvolle Tarifverträge, insbesondere im Rahmen von Transformations- bzw. Sanierungsprozessen sind die beste Werbung für eine Tarifautonomie und führen am ehesten zu deren Stärkung.

Keine Benachteiligung von Nichtgewerkschaftsmitgliedern durch den Arbeitgeber

Arbeitgeber und Gewerkschaften der deutschen Stahlindustrie treten zu Recht seit langem Diskriminierung in jeder Form entschieden entgegen.

Damit ist es schlechterdings unvereinbar, wenn nun ausgerechnet vom Arbeitgeber verlangt wird, Nichtmitgliedern der Gewerkschaft Vergünstigungen vorzuenthalten und sie auf diese Weise zu benachteiligen. Denn die Bevorzugung einzelner Personen oder Gruppen enthält zugleich immer auch eine Benachteiligung aller anderen.

Eine derartige Benachteiligung führt einerseits zu einer - gesetzlich verbotenen - Störung des Betriebsfriedens und zugleich zu einer geradezu aberwitzigen Rollenumkehr. Bei Beschwerden von Nichtmitgliedern, sie hätten keinen Bonus erhalten, müsste der gleichsam natürliche Adressat dieser Beschwerden, der Arbeitgeber, ihnen nahelegen, zur Erlangung eines Bonus in die Gewerkschaft einzutreten. Das ist auch mit einem weiten Verständnis von Sozialpartnerschaft schlechterdings unvereinbar.

Gewerkschaftsmitgliedschaft keine „Leistung“ im Rahmen des Arbeitsverhältnisses

Das Arbeitsverhältnis ist ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich geschuldete (!) Leistung (Arbeit) und Gegenleistung (Entlohnung) gegenüberstehen und wechselseitig bedingen. Kernelement ist die Werthaltigkeit der jeweiligen Leistung bzw. Gegenleistung.

Die Gewerkschaftsmitgliedschaft als solche ist keine Leistung des Arbeitnehmers und eine geschuldete Leistung ist sie erst recht nicht. Sie hat im Übrigen für den Arbeitgeber keinerlei materiellen Wert. Sie steht also außerhalb des Wechselverhältnisses der jeweils geschuldeten, werthaltigen Leistungen. Es gibt daher keinen Anlass, sie im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu privilegieren und zu bonifizieren.

Etwas anderes kann möglicherweise dann gelten, wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaft auf konkrete, messbare finanzielle Ziele, etwa im Rahmen von Sanierungstarifverträgen einigen und die Gewerkschaft durch ihre Organe, Betriebsräte, Vertrauenskörper etc., an der erfolgreichen Realisierung dieser Ziele aktiv und verantwortlich mitwirkt. In diesen Fällen ist es denkbar, der Gewerkschaft einen erfolgsabhängigen Bonus zu gewähren, über den sie dann nach eigenem Ermessen zugunsten der Beschäftigten in dem betreffenden Unternehmen verfügen kann.

In diesem Falle erbringt die Gewerkschaft eine Leistung, die dem Unternehmen dient, möglicherweise sogar seinen Fortbestand sichern hilft. Anders als der simple Mitgliederbonus (Mitgliedschaft gegen Vergünstigung) besteht hier eine wechselseitige Leistungsbeziehung, die auch für den Arbeitgeber von Wert ist.

Ein durch messbare Erfolge konditionierter Gewerkschaftsbonus passt daher in die Systematik von Leistung und Gegenleistung und ist so dem Verdacht einer Vetternwirtschaft mit der Gewerkschaft entzogen.

Schließlich vermeidet ein solcher Gewerkschaftsbonus eine Benachteiligung von Nichtmitgliedern durch den Arbeitgeber.

Eine solche Regelung kann aber nicht anlasslos in der Fläche, sondern allenfalls in firmenspezifischen Tarifverträgen, insbesondere im Rahmen von Sanierungen oder Umstrukturierungen vereinbart werden. Maßgeblich sind stets die Verhältnisse vor Ort.

Quelle: Arbeitgeberverband Stahl e.V.