Grüner Stahl in Europa: Vision, Realität und Herausforderungen bis 2025
von Hubert Hunscheidt

Auf dem International Iron Ore & Green Steel Summit 2025 wurde deutlich: Die Zukunft ist grün – aber nicht ohne offene Fragen.
Was bedeutet „grüner Stahl“ im Jahr 2025 wirklich?
Die europäische Stahlindustrie setzt zunehmend auf klimafreundliche Produktionsverfahren. Große Flachstahlhersteller haben eigene Marken für CO₂-reduzierten Stahl entwickelt – XCarb, Arvzero, SSAB Zero, Bluemint und Greentec sind nur einige Beispiele. Doch eine verbindliche Definition, was „grün“ tatsächlich bedeutet, fehlt weiterhin.
Fernando Pessanha Santos, Strategiechef von Hydnum Steel, betont: „Wir verfolgen Nachhaltigkeit ganzheitlich – vom Wasserverbrauch bis zu den Emissionen. Aber einheitliche Kriterien für grünen Stahl existieren nicht.“ Auch GravitHy-CEO Jose Noldin fordert Klarheit: „Ohne einheitliche Definition verlieren sich Kunden in der Vielzahl von Ansätzen.“
Rohstoffe: Der Engpass auf dem Weg zur grünen Transformation
Mit dem Wechsel zur DRI-/EAF-Technologie wächst die Sorge um knappe Ressourcen wie hochwertige Eisenerzpellets und Stahlschrott. Projekte wie das von GravitHy haben sich bereits mit großen Anbietern wie Rio Tinto abgesichert, doch der Markt könnte bei weiter wachsender Nachfrage an Grenzen stoßen. Gleichzeitig bietet die Knappheit Chancen – höhere Preise fördern Investitionen in neue Technologien und Produktionskapazitäten.
Zögerliche Zahlungsbereitschaft: Premiums für grünen Stahl noch nicht etabliert
Zwar wächst das Interesse an grünem Stahl – besonders in hochwertigen Segmenten wie der Automobil- oder Luxusgüterindustrie – doch entlang der Lieferkette ist die Bereitschaft, Aufpreise zu zahlen, weiterhin begrenzt. Besonders bei Langprodukten ist der Spielraum gering, da diese ohnehin oft bereits CO₂-ärmer hergestellt werden. Der Preisaufschlag für grünen Flachstahl liegt laut Fastmarkets aktuell bei bis zu 200 €/Tonne, während er bei Langstahlprodukten nur 20–30 €/Tonne beträgt.
Blick nach vorn: Chance oder Risiko für Europas Stahlindustrie?
Steigende Produktionskosten, asiatische Billigimporte und sinkende Nachfrage setzen die europäische Stahlbranche unter Druck. Dennoch sind die Expert:innen auf dem Gipfel zuversichtlich: Die gesetzlichen Klimaziele bis 2050 und der anstehende CO₂-Grenzausgleich (CBAM) ab 2026 werden die grüne Transformation vorantreiben – nicht als Bürde, sondern als Chance.
„Der Markt wird sich anpassen“, so Pessanha. „Ein grüner Produzent wird bald wirtschaftlich im Vorteil sein – der Wandel kommt, und er beginnt im Geldbeutel.“
Quelle: Fastmarkets Global Limited / Foto: marketSTEEL