Europa macht sich H2-ready

von Hubert Hunscheidt

Bis 2032 soll in Deutschland ein Leitungsnetz von über 9.000 Kilometern für den Wasserstofftransport entstehen. Es wird Teil eines europäischen Wasserstoffnetzes sein – Europa macht sich H2-ready. Und die Tube-Branche wird mit ihren Rohrkomponenten zum Enabler dieser umfassenden Energiewende.

Es ist Eile geboten, denn bereits bis 2045 soll Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen auf null absenken. Damit diese Aufgabe gelingt, muss der gesamte Energiesektor laut dem deutschen Verband BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) klimaneutral werden. Ein Schlüssel dafür ist grüner Wasserstoff.

Um aber die H2-Nutzung zu ermöglichen, müssen Produktionsstätten, Speicherorte und Abnehmer – wie beispielsweise Industrie- oder Gewerbeparks – miteinander verbunden werden. Was in Deutschland durch das 9.040 Kilometer große Wasserstoff-Kernnetz geschehen soll. 60 Prozent bereits vorhandener Leitungen sind daher von Gas auf Wasserstoff umzustellen – 40 Prozent des Leitungsnetzes sind neu zu bauen. Die Bundesnetzagentur erwartet, dass sich die Investitionskosten hierfür auf 18,9 Milliarden Euro belaufen. Geld, das auch in die Produktion von vielen Kilometern an Rohren für Pipelines, aber auch für Speicherung fließen wird.

Bereit für den Wasserstoffhochlauf

Mannesmann ist bereit für den Wasserstoffhochlauf. Schon seit Jahren widmet sich Mannesmann Line Pipe mit seinen H2ready-Rohren dem Transport von Wasserstoff. „Mit dem Erfahrungswert sind wir nun auch in der Lage, kundenorientierte Lösungen für die Speicherung von Wasserstoff anzubieten“, ergänzt das Unternehmen. Mannesmann-Stahlrohre sind bereits seit geraumer Zeit als Wasserstoff-Röhrenspeicher im Einsatz.

„Ein besonderes Einsatzgebiet für unsere H2ready-Rohre bietet aber auch die Speicherung von Wasserstoff in Salzkavernen als derzeit einzige großskalige Speicheroption“, erläutert Mannesmann Line Pipe. Dazu könnten Salzkavernen, die bisher nur für Erdgas genutzt werden, auch für die Speicherung von Wasserstoff umgebaut werden. „Aufgrund des enormen Speicherbedarfs ist allerdings vor allem mit dem Neubau von Kavernen zu rechnen.“ Ein Einsatz sei als obertägige Leitung möglich – aber auch als Steigleitung im Zuge der Rohrtour in die Kaverne, bei der Wasserstoff von der Oberfläche in die Kaverne transportiert wird.

Rohrhersteller sind bereit für den H2-Einsatz. So wurde die Wasserstoff-Transportleitung für das Hochdruck-Gasnetz von Snam in Italien zertifiziert. Die Zusammenarbeit zwischen Corinth Pipeworks und Snam hat „eine technisch und wirtschaftlich praktikable Lösung für den sicheren Transport von Wasserstoff unter hohem Druck durch großdimensionierte und hochfeste Stahlpipelines“ ergeben, erklärt Corinth Pipeworks. So könnten die heute produzierten und im bestehenden Gasnetz installierten Rohre den Energiemix von morgen ermöglichen. „Gemäß der Norm wurden die Stahlrohre der Qualität L415ME mit einem Außendurchmesser von 26 Zoll (660 mm) und Dicken von 11,1 und 15,9 mm im Labor bei maximalem Druck und bis zu 100 Prozent Wasserstoff getestet.“

Aufbau von Wasserstoff-Verteilnetzen

Auch Benteler ist H2-ready: Das Unternehmen fertigt speziell für Wasserstoffanwendungen entwickelte HYRESIST®-Rohrlösungen. Die nahtlosen Leitungsrohre unterstützen beispielsweise den Aufbau von Wasserstoff-Verteilnetzen. HYRESIST®-Wasserstoffrohre sind warmgewalzt, kaltgezogen und in mehreren Werkstoffklassen verfügbar. „Ein entscheidender Faktor für die Qualität der HYRESIST®-Rohre ist der hohe Reinheitsgrad der Stahlgüten, die wir in unserem Stahlwerk in Lingen herstellen. Optimierte mechanische Werte und die hohe Reinheit der verwendeten Stahlwerkstoffe beugen einer Wasserstoffversprödung vor“, erläutert das Unternehmen. Das mache die nahtlos warmgewalzten Wasserstoff-Leitungsrohre „besonders robust und langlebig“.

Neben den niedriglegierten Stahlsorten X42 und X52, die gemäß EIGA-Richtlinie IGC Doc 121/14 zum Transport von gasförmigem Wasserstoff und Wasserstoffgemischen geeignet sind, hat Thyssenkrupp optimierte Werkstoffkonzepte für den Festigkeitsbereich bis X70 im Programm. „Diese Stähle sind im Hinblick auf die zu erwartenden Normanforderungen von Längs- und Spiralnahtrohren zum Wasserstofftransport optimiert – insbesondere in Bezug auf eingeschränkte Gehalte an Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel“, betont das Unternehmen.

Höchste Korrosionsbeständigkeit
Bei Wasserstoffrohren ist auf höchste Korrosionsbeständigkeit zu achten. Zur dauerhaften Beständigkeit für den Wasserstoff-Transport wird die Innenoberfläche daher „frei von Oberflächenabsätzen geliefert (gemäß ISO 3183)“, berichtet Mannesmann Line Pipe. „Weiterhin werden innere Angriffspunkte für den Wasserstoff durch eine garantierte Unterschreitung des Phosphor- und Schwefelgehaltes im Vergleich zur EIGA-Richtlinie auf ein Minimum beschränkt.“ Ein ebenfalls weiter abgesenktes Kohlenstoffäquivalent gewährleiste „eine hervorragende Schweißbarkeit unseres Rohrwerkstoffes“. Das sichere „eine lange Lebensdauer“ und führe zu einem wartungsarmen Einsatz.

Rohre namhafter Hersteller sind bereits im Einsatz. So lieferte die Mannesmann Grossrohr GmbH Rohre zur Anbindung des LNG-Terminals Brunsbüttel. Die Leitung mit einem Durchmesser von DIN 800 hat eine Länge von ca. 54 Kilometern. Die 3.200 Rohre sind so spezifiziert, dass durch die Leitung in Zukunft auch Wasserstoff transportiert werden kann.

Der große Wurf: European Hydrogen Backbone

Die Planungen laufen bereits auf Hochtouren: So soll in Deutschland ein Wasserstoffschnellweg entstehen: Die „H2ercules-Initiative“ hat das Ziel, bis 2030 das Herzstück für die Wasserstoffinfrastruktur „im XXL-Format“ entstehen zu lassen, erklärt RWE. Dafür arbeiten u.a. RWE und OGE zusammen, um Verbraucher im Süden und Westen Deutschlands zügig mit Wasserstoff aus dem Norden zu versorgen. „Dabei sollen neben der Wasserstoffproduktion im Gigawatt-Maßstab auch Importrouten für grünen Wasserstoff eröffnet werden“, so der Konzern. Der Transport würde über ein rund 1.500 Kilometer langes Pipelinenetz umgesetzt, wovon der größte Teil auf umgestellten Erdgasleitungen beruht.

Ein großer Wurf soll auch der European Hydrogen Backbone werden – eine Initiative von über 33 Energieinfrastrukturbetreibern. Dabei würden mehrere Pipeline-Projekte miteinander verbunden, die jährlich mehr als vier Millionen Tonnen Wasserstoff aus Nordafrika nach Europa und innerhalb Europas transportieren. Ziel ist es, den Marktwettbewerb, die Versorgungssicherheit, die Nachfragesicherheit und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern. Bis 2040 könnte ein Pipelinenetz von 53.000 Kilometern Länge entstehen, das 21 Länder miteinander verbindet. Ein Megaprojekt, für dessen Umsetzung auch die ganze Leistungsfähigkeit der Rohrbranche dringend benötigt wird.

Trends und Highlights aus den Industriebereichen Draht, Kabel und Rohre sind auf der wire & Tube Expo vom 13. bis 17. April 2026 in Düsseldorf zu erleben. Aktuelle Branchen- und Produktinformationen befinden sich im Internetportal unter www.wire.de und www.Tube.de und auf linkedin: https://www.linkedin.com/showcase/wire-and-tube-leading-international-trade-fairs/.

Bildtext: Das Bild von terranets bw zeigt das Absenken eines Rohrstranges. Das Unternehmen bereitet sein Leitungsnetz zwischen Niedersachsen und Bodensee auf den Transport von Wasserstoff vor. Foto: terranets bw

Quelle: Messe Düsseldorf GmbH