Sofortmaßnahmen zum Schutz der europäischen Stahlwertschöpfungskette
von Hubert Hunscheidt

Die europäische Stahlwertschöpfungskette steht an einem kritischen Wendepunkt. Die Deindustrialisierung schreitet entlang der gesamten Kette – von der Stahlproduktion über den Handel bis zur Weiterverarbeitung – immer schneller voran. Damit gerät nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit des Sektors unter Druck, sondern auch die langfristige Nachhaltigkeit einer Branche, die für die strategische Autonomie und das industrielle Fundament Europas essenziell ist.
EUROMETAL und EUROFER fordern daher gemeinsam die rasche Einführung robuster handelspolitischer Schutzmaßnahmen für stahlbasierte Produkte. Ziel sei es nicht, Importe vollständig zu stoppen, sondern ein Gleichgewicht herzustellen und die Einfuhren auf ein Maß zu begrenzen, das mit einer nachhaltigen EU-internen Stahlverarbeitung und -produktion vereinbar ist. Diese Forderung steht im Einklang mit dem „Steel and Metals Action Plan“, der sich den Schutz und die Stärkung industrieller Kapazitäten sowie hochwertiger Arbeitsplätze entlang der gesamten Lieferkette zum Ziel gesetzt hat.
Der anhaltende Zustrom stahlbasierter Erzeugnisse aus Nicht-EU-Staaten verdrängt zunehmend EU-gefertigte Produkte vom Markt – häufig ohne unter denselben Schutzmechanismen zu stehen wie Rohstahlimporte. Besonders betroffen sind Sektoren, die für Europas grüne Transformation entscheidend sind. So machen stahlbasierte Produkte für bestimmte Energieanwendungen inzwischen bis zu 50 % des EU-Bedarfs aus – mit gravierenden Folgen: Arbeitsplatzverluste, sinkende Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie ein weiterer Rückgang der Stahlproduktion in Europa.
EUROMETAL und EUROFER bekräftigen ihr Bekenntnis zu einem resilienten, wettbewerbsfähigen und integrierten europäischen Stahlökosystem. Der „Steel and Metals Action Plan“ benennt zu Recht die Gefahr, dass CO₂-Verlagerung (Carbon Leakage) bei CBAM-pflichtigen Produkten auch weiter entlang der Wertschöpfungskette auftreten kann. Ein vergleichbares Risiko besteht in der Handelspolitik: Werden nachgelagerte Produkte nicht ausreichend geschützt, drohen zusätzliche Belastungen und strukturelle Schäden in tieferliegenden Bereichen der Lieferkette.
Die OECD beobachtet bereits eine grundlegende Veränderung der globalen Handelsströme – mit Rekordwerten bei den direkten chinesischen Stahlexporten im Jahr 2024 und einem starken Anstieg indirekter Exporte von Stahl, der in weiterverarbeiteten Produkten enthalten ist, insbesondere aus China, Südasien und der ASEAN-Region.
Die Stärkung aller Stufen der Stahlwertschöpfung ist entscheidend, um Europas Zugang zu hochwertigen Materialien zu sichern, die industrielle Dekarbonisierung voranzutreiben und eine gerechte Transformation in eine grüne und digitale Zukunft zu ermöglichen.
Quelle: EUROFER AISBL und EUROMETAL / Foto: marketSTEEL