EU-Parlament will Berichtspflichten und Sorgfaltsanforderungen für Unternehmen vereinfachen
von Hubert Hunscheidt
Das Europäische Parlament hat eine Verhandlungsposition angenommen, die Unternehmen in Europa künftig deutlich von bürokratischem Aufwand entlasten soll. Im Mittelpunkt stehen vereinfachte Nachhaltigkeitsberichte sowie reduzierte, verantwortungsbezogene Sorgfaltsanforderungen, die bislang häufig im Zusammenhang mit dem europäischen Lieferkettenregelwerk diskutiert wurden.
Nach der neuen Position sollen nur noch große Unternehmen mit mehr als 1 750 Beschäftigten und einem Jahresnettoumsatz über 450 Millionen Euro verpflichtet sein, detaillierte soziale und ökologische Berichte zu erstellen. Die Anforderungen der EU-Taxonomie sollen ebenfalls auf diese Gruppe beschränkt bleiben. Gleichzeitig sollen Berichtsstandards insgesamt verschlankt, qualitative Angaben reduziert und branchenspezifische Berichte künftig freiwillig werden.
Für die Stahl- und Metallindustrie – geprägt von einer Vielzahl mittelständischer Service-Center, Weiterverarbeiter und spezialisierter Produzenten – wäre eine solche Entlastung von hoher Bedeutung. Kleinere und mittlere Unternehmen würden ausdrücklich davor geschützt, von ihren größeren Geschäftspartnern zusätzliche Angaben einfordern zu müssen, die über freiwillige Standards hinausgehen.
Die Sorgfaltsanforderungen sollen zudem ausschließlich für sehr große Unternehmen mit mehr als 5 000 Beschäftigten und einem Jahresnettoumsatz über 1,5 Milliarden Euro gelten. Diese Unternehmen sollen Risiken entlang ihrer geschäftlichen Aktivitäten künftig vor allem auf Basis bereits verfügbarer Daten bewerten. Systematische Informationsabfragen bei kleineren Zulieferern sollen entfallen und nur in Ausnahmefällen möglich sein. Auch ein verpflichtender Transformationsplan zur Ausrichtung der Geschäftsmodelle an den Pariser Klimazielen soll künftig nicht mehr verlangt werden.
Bei Verstößen sollen nationale Behörden Geldbußen verhängen können, wobei die EU gemeinsame Leitlinien vorgeben will. Zudem fordert das Parlament ein EU-weites digitales Portal, das Unternehmen kostenlosen Zugang zu Vorlagen, Leitfäden und relevanten Berichtspflichten ermöglicht. Dieses ergänzt den European Single Access Point.
Der Berichterstatter Jörgen Warborn betonte, dass einfache Regeln und geringere Kosten die Wettbewerbsfähigkeit stärken sollen. Unternehmen bräuchten klare Strukturen, um zu investieren und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Verhandlungen zwischen Parlament und Mitgliedstaaten beginnen am 18. November. Ziel ist eine Einigung bis Ende 2025.
Für die Stahl- und Metallindustrie könnte die geplante Entlastung eine spürbare administrative Vereinfachung bringen. Insbesondere mittelständische Unternehmen, die als Zulieferer in teils komplexen Wertschöpfungsketten agieren, würden von reduzierten Berichtspflichten und weniger Anfragen durch Großkunden profitieren. Gleichzeitig bleibt abzuwarten, ob die geplanten Schwellenwerte im finalen Gesetzgebungsverfahren Bestand haben. Aus Branchensicht ist entscheidend, dass regulatorische Vorgaben handhabbar bleiben und keine zusätzlichen Kostenlasten in energieintensiven und global wettbewerbsorientierten Industriezweigen entstehen.
Quelle: Europäisches Parlament / Foto: Fotolia