EU gründet Europäische Rohstoffallianz

von Hubert Hunscheidt

Permanentmagnete auf Basis seltener Erdmetalle sind wesentliche Bestandteile vieler High-Tech Produkte und von großer Bedeutung für die Digitalisierung und den Übergang zu sauberer Energie. Trotzdem muss ein Großteil der Rohstoffe importiert werden, um den Bedarf der Europäischen Union (EU) zu decken. Als Hauptexporteur dominiert und kontrolliert China den weltweiten Markt. Mit der Gründung der Europäischen Rohstoffallianz (European Raw Materials Alliance) unternimmt die EU nun einen wichtigen Schritt, um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken. Die Sicherung der Rohstoffe zur Produktion von Seltenerdmagneten steht dabei ganz oben auf der Agenda. Mit der Entwicklung einer Recycling-Lieferkette leistet das EU-Projekt SUSMAGPRO einen wichtigen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels.

Permanentmagnete auf Basis seltener Erdmetalle (SE) sind Hightech-Produkte, unverzichtbar in Hochleistungs-Elektromotoren, Generatoren und Sensoren. Sie spielen eine fundamentale Rolle beim Übergang zu einer sauberen Energiezukunft und bilden als Funktionskomponenten in Windkraftanlagen, Elektro und Hybridfahrzeugen, Robotik und Digitalisierung die Grundlage für eine Industrie im Wert von mehr als drei Billionen US-Dollar weltweit. Experten rechnen damit, dass die Nachfrage nach Permanentmagneten im nächsten Jahrzehnt um 15-20% jährlich wachsen wird.

Nun sind „seltene“ Erden keineswegs selten, selbst in Deutschland sind in Storckwitz (Sachsen) durchaus abbauwürdige Mengen bekannt. Was der europäischen Industrie jedoch Sorgenfalten auf die Stirn treibt, ist die monopolähnliche chinesische Marktdominanz. Die Aufbereitung der im Tagebau gewonnenen Erze erzeugt große Mengen an problematischen Abfällen wie Laugen, Säuren und radioaktive Beiprodukte und die (in der Vergangenheit oft nicht vorhandenen) chinesischen Umweltauflagen ermöglichten eine konkurrenzlos kostengünstige Produktion. Dies resultierte in einem ruinösen Preiskampf, der die meisten Wettbewerber aus dem Markt fegte. Während der chinesische Staat derzeit große Anstrengungen unternimmt, illegale Minen zu schließen und Umweltstandards an internationale Maßstäbe anzupassen, haben seine langfristigen Investitionen und die damit verbundene Marktentwicklung in den letzten 50 Jahren den Marktzugang für europäische Unternehmen zunehmend erschwert.

Dabei ist besorgniserregend, dass die VR China nicht nur die gesamte Wertschöpfungskette vom Abbau der Erze bis zur Endanwendung abdeckt, sondern zudem in ihrem aktuellen Fünfjahresplan hohe Investitionen in die Branche mit einer Deckelung der Abbaukapazität und Exportbeschränkungen kombiniert. Ganz offen beschreibt China, dass die Ummünzung des Rohstoffvorteils in Technologie- und Marktführerschaft in zukunftsweisenden Schlüsseltechnologien Priorität gegenüber dem Export von Rohstoffen oder Magneten besitzt. Wachsende politische Spannungen kombiniert mit Einfuhrzollüberlegungen erhöhen die Preisvolatilität und damit die Anfälligkeit des Marktes weiter.

So ist es folgerichtig, dass die EU am 29. September nun die Europäische Rohstoffallianz (European Raw Materials Alliance, ERMA) gegründet hat, deren erste Priorität auf der Sicherung der Rohstoffe für Permanentmagnete liegt. Die Allianz plant die Erhöhung der Versorgungssicherheit mit Magnetwerkstoffen durch strategische Zusammenarbeit mit stabileren Partnern wie Kanada oder Australien bei der Gewinnung und Aufbereitung der Ausgangsstoffe. Außerdem sieht sie die Unterstützung afrikanischer Staaten bei Aufbau und nachhaltiger Förderung sowie die Ausweitung der Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen Ländern vor. „Die Notwendigkeit der Digitalisierung, wachsender internationaler Protektionismus und die Verpflichtung, den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen und nachhaltig zu wirtschaften, zwingt uns dazu, unsere Rohstoffquellen zu sichern. Hierzu ist die ERMA eine hervorragende Idee, die die volle Unterstützung der deutschen Bundesregierung hat. Wir unterstützen die Diversifizierung der Lieferketten und verbessertes Recycling ausdrücklich“, erklärte Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, im Rahmen der Gründungsveranstaltung. „Die Wiederverwertung der Rohstoffe aus Elektro- und Elektronikschrott im Urban Mining und eine wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit sind absolut unverzichtbar, um die Abhängigkeit von China zu verringern, hierbei muss die Recyclingquote von Permanentmagneten stark erhöht werden“, ergänzte Maroš Šef?ovi?, Vize-Präsident der Europäischen Kommission.

Im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal legt die Allianz daher einen weiteren Schwerpunkt auf die Wiederverwertung der bereits heute im europäischen Markt befindlichen 20.000 Tonnen Permanentmagnete. Hierzu leistet das EU-Projekt SUSMAGPRO einen wichtigen Beitrag. Gegenüber den bisherigen Ansätzen, die die Seltenerdmetalle Neodym und Dysprosium durch aufwendige hydro- oder pyrometallurgische Prozesse wieder als Ausgangselemente zurückgewinnen und mit Eisen und Bor neu legieren, setzt das Konsortium des Projekts, das aus 19 europäischen Partnern besteht, auf einen abgekürzten Recyclingprozess, bei dem mit Hilfe von Wasserstoff das Magnetmaterial versprödet und pulverisiert wird (HPMS, Hydrogen Processing of Magnetic Scrap). Ohne die Aufspaltung in die einzelnen Legierungsbestandteile kann das Pulver direkt wieder zu Magneten verarbeitet werden, was eine Energieeinsparung von über 90% gegenüber der Primärproduktion und sogar 98% geringere Toxizität ermöglicht. Bereits 2024 soll in vier Pilotanlagen in Schweden, Großbritannien, Slowenien und Deutschland jährlich 110 Tonnen Magnetabfall recycelt werden können. Das Konsortium bildet dabei die gesamte Verwertungskette vom großen Recyclingbetrieb über Magnethersteller bis zu Endanwendern für Traktionsmotoren, Lautsprechern, Windkraftanalagen oder Heizungspumpen ab. Das Steinbeis-Europa-Zentrum ist als Projektpartner für die Vernetzung der Forschungs- und Innovationsakteure auf europäischer Ebene verantwortlich. Es entwickelt und analysiert die Verwertungsmodelle und wird die Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit verfügbar machen. Ebenso unterstützt es die wissenschaftliche Koordination des Projekts.

„Die Schwierigkeit liegt nicht im eigentlichen Recyclingprozess. Das HPMS-Verfahren für Neodym-Eisen-Bor-Magnete ist effizient und kostengünstig. Leider gibt es jedoch eine Vielzahl von Magneten auf dem Markt, z.B. Ferrite oder Samarium-Kobalt-Magnete, die schwer zu recyceln sind und die Komponenten, die Magnete enthalten, sind nicht kennzeichnungspflichtig. Oft ist auch die Demontage von Bauteilen teurer als der darin enthaltene Rohstoffwert, weshalb Elektronikschrott häufig geschreddert wird“, erklärt Projektkoordinator Professor Dr. Carlo Burkhardt von der Hochschule Pforzheim. Eine wichtige Aufgabe im Rahmen von SUSMAGPRO ist daher die Entwicklung von Sensorik und automatischen Sortieranlagen, um die magnetischen Abfälle gezielt vorzusortieren und damit die Prozesseffizienz zu erhöhen. Das Konsortium befasst sich auch mit der Entwicklung neuer recyclingfähiger Produkte. Burkhardt ist zuversichtlich, dass durch konsequentes Recycling von Bauteilen mit hohem magnetischem Anteil, d.h. vor allem von Windkraftanlagen, Elektroautos, Computerfestplatten und Pumpen, mittelfristig eine Recyclingquote von 15-25% erreicht werden kann. „Aber nur, wenn wir alle zusammenarbeiten. Hersteller, Verbraucher und politische Entscheidungsträger sind gleichermaßen gefordert. Durch die Schaffung von Kennzeichnungsstandards, den Einsatz recyclingfähiger Produkte und die Entwicklung neuer, besonders ressourceneffizienter Wertschöpfungsketten muss es uns gelingen, den derzeitigen lokalen Nachteil nicht nur auszugleichen, sondern mittelfristig auch in einen Vorteil umzuwandeln“, so Burkhardt. Die Gründung der Europäischen Rohstoffallianz ist ein wichtiger erster Schritt in diese Richtung.

Quelle: Steinbeis-Europa-Zentrum / Vorschaufoto: marketSTEEL

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