EU-Debatte über „grünen Stahl“: EAF-Hersteller und Recycler warnen vor Einheitslabel

von Hubert Hunscheidt

Europäische Produzenten von Elektrostahl, führende Recyclingunternehmen und der Verband Recycling Europe haben sich in einem gemeinsamen Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie mehrere Kommissare gewandt. Die Unterzeichner äußern „ernsthafte Bedenken“ hinsichtlich der aktuellen Richtung der EU-Debatte zur Definition und Kennzeichnung von „grünem Stahl“ – eine Initiative, die nach Angaben der Beteiligten erstmals Akteure entlang der gesamten zirkulären Stahlwertschöpfungskette vereint.

Kern der Kritik ist die Idee eines einheitlichen EU-Labels auf Basis gleitender Skalenmodelle, das ursprünglich für die kohlebasierte BF-BOF-Route entwickelt wurde. Aus Sicht der EAF-Hersteller würde ein solcher Ansatz die bereits sehr niedrigen Emissionen der elektrifizierten, recyclingbasierten Elektroofenroute nicht angemessen abbilden. Vielmehr drohe, dass die klimatischen Vorteile von Schrottnutzung und Kreislaufprozessen verwässert werden.

Die Unterzeichner warnen zudem vor potenziellen Marktverzerrungen. Ein falsch kalibriertes Einheitslabel könne dazu führen, dass CO₂-arme europäische EAF-Produkte durch emissionsintensivere Importe verdrängt werden. Dies würde nicht nur die EU-Klimaziele unterlaufen, sondern auch die Rohstoffabhängigkeit Europas erhöhen und die industrielle Resilienz schwächen. Kritisiert wird außerdem, dass ein Fokus auf Scope-1- und Scope-2-Emissionen wesentliche Scope-3-Anteile – etwa bei Ferrolegierungen oder DRI/HBI – unberücksichtigt lassen würde.

Die Koalition fordert daher ein differenziertes Verfahren, das die reale EU-Industriestruktur widerspiegelt und bestehende EU-Instrumente berücksichtigt, die Zirkularität und CO₂-Reduktion gemeinsam in den Blick nehmen. Ziel sei ein wissenschaftlich fundierter, technologieneutraler Ansatz, der Emissionsvorteile der verschiedenen Produktionsrouten korrekt bewertet.

Unterzeichnet wurde das Schreiben von EAF-Herstellern aus 15 europäischen Ländern sowie von großen Recyclingunternehmen wie Galloo, EMR, Stena und Kuusakoski. Zu den beteiligten Stahlproduzenten zählen unter anderem Acciaierie Venete, AFV Beltrame, Celsa, Feralpi, Grupo Industrial, Megasa, Ori Martin, Pittini, Riva, Sidenor, Tenaris und Valbruna.

Die Branche signalisiert ihre Dialogbereitschaft und betont, dass Europa bereits über eines der weltweit CO₂-ärmsten und zirkulärsten Stahlsysteme verfüge. Dieses müsse in der Transformationsphase gestärkt werden – und dürfe nicht durch ein unpassendes Einheitslabel benachteiligt werden.