Energieintensive Industrie warnt vor Schnellschüssen bei Netzentgeltreform

von Angelika Albrecht

Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. (VIK) hat in seiner Stellungnahme zum laufenden Reformprozess „Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom“ (AgNes) der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu einer engen inhaltlichen Koordinierung von Reformvorhaben bei Sondernetzentgelten mit dem AgNes-Prozess aufgerufen.

Der VIK fordert, dass Einzelregelungen wie die vermiedenen Netzentgelte (§18 StromNEV) oder singulär genutzte Betriebsmittel (§19 Abs. 3 StromNEV) nicht isoliert behandelt werden dürfen. Sie sollten inhaltlich und zeitlich in den AgNes-Prozess integriert werden, um Widersprüche zu vermeiden und Planungssicherheit zu gewährleisten. Besondere Bedeutung misst der VIK der Reform der Sondernetzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV bei. Diese müssten eng verzahnt mit der allgemeinen Reform betrachtet werden. Eine getrennte oder verfrühte Neuregelung würde dem Anspruch an ein konsistentes, zukunftsfestes System nicht gerecht.

„Wenn Entscheidungen über Sonderregelungen vorgezogen werden, bevor die allgemeine Systematik steht, erzeugen wir nur neue Unsicherheit – das wäre kontraproduktiv für Investitionen“, führt Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK aus.

Der VIK fordert für die Neugestaltung der Netzentgeltsystematik klare Rahmenbedingungen: industrielle Wettbewerbsfähigkeit, verlässliche Kalkulierbarkeit der Entgelte und eine einfache, für alle Netznutzer handhabbare Administration.

„Die Unternehmen der energieintensiven Branchen stehen unter massivem Transformationsdruck. Wer plant, Milliarden in neue Produktionsprozesse zu investieren, braucht verlässliche, kalkulierbare und international wettbewerbsfähige Netzentgelte“, erklärt Christian Seyfert.

Die künftige Netzentgeltsystematik müsse einfach administrierbar sein und sollte Flexibilitätshemmnisse für alle Netznutzer möglichst weitgehend abbauen. Die Hebung von Flexibilität sollte dabei allerdings immer freiwillig und anreizbasiert erfolgen. Generell sollte die Senkung der Netzkosten bzw. Systemkosten durch Anreize zu systemdienlichem Ver-halten beim Reformvorhaben der BNetzA im Fokus stehen – eine reine Umverteilung zwischen verschiedenen Netznutzergruppen reicht aus Sicht des VIK nicht aus.

Die Einführung dynamischer Netzentgelte müsse schrittweise und möglichst wenig komplex erfolgen, etwa im Rahmen von Pilotprojekten.

Bei der Beteiligung von Einspeisern an den Netzkosten sind Baukostenzuschüsse gegen-über Einspeisenetzentgelten aufgrund der weniger komplexen Umsetzung und der regionalen Steuerungsfunktion des weiteren EE-Zubaus aus Sicht des VIK zu bevorzugen.

Eine Bevorzugung von Speichern ggü. anderen Akteuren in der Netzentgeltsystematik ist abzulehnen. Stattdessen werden Anreize für eine systemdienliche Fahrweise von Speichern benötigt, um tatsächlich Systemkosten reduzieren zu können. Der VIK betont, dass Speicher an Industriestandorten bei der Kapazitätsvergabe einen Vorrang vor rein marktlich betriebenen Speichern erhalten sollten, die mehr Spielraum bei der Ortswahl haben.

Über den VIK

Der VIK ist seit über 75 Jahren die Interessenvertretung industrieller und gewerblicher Energienutzer in Deutschland. Er ist ein branchenübergreifender Wirtschaftsverband mit Mitgliedsunternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, wie Aluminium, Chemie, Glas, Papier, Stahl oder Zement. Der VIK berät seine Mitglieder in allen Energie- und energierelevanten Umweltfragen. Im Verband haben sich etwa 80 Prozent des industriellen Stromverbrauchs und rund 90 Prozent des versorgerunabhängigen industriellen Energieeinsatzes und rund 90 Prozent der versorgerunabhängigen Stromerzeugung in Deutschland zusammengeschlossen.

Quelle und Vorschaubild: VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e. V. / Foto: Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK