EMI: Deutsche Industrie litt auch im Oktober unter gestörten Lieferketten

von Angelika Albrecht

Die weitverbreiteten Lieferengpässe waren auch zu Beginn des vierten Quartals das größte Problem für die deutschen Hersteller. Das bestätigt der saisonbereinigte IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI), der im Oktober bei 57,8 Punkten nach 58,4 im Vormonat notierte. Auch wenn es der tiefste Wert seit neun Monaten ist, bewegt sich der wichtige Frühindikator für die größte Volkswirtschaft Europas damit nach wie vor komfortabel in der Wachstumszone.

„Der EMI hält sich bereits seit 16 Monaten deutlich über der Referenzlinie von 50 Punkten. Das spricht für die Robustheit der deutschen Industrie. Gleichzeitig beobachten wir aber auch, dass die Produktion aufgrund der Rohstoffknappheit an den Märkten, Kapazitätsengpässen bei Zulieferern sowie anhaltenden Transportproblemen mehr und mehr ins Stocken gerät“, betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Donnerstag in Eschborn. Deshalb sei es auch nicht verwunderlich, dass viele Hersteller pessimistischer in die nahe Zukunft blicken. „Das wird am Teilindex Jahresausblick sichtbar, der mittlerweile auf den niedrigsten Stand seit August 2020 gesunken ist“, so Frau Ullah abschließend.

„Der EMI zeigt es ganz deutlich: Die Stimmung in der deutschen Industrie wird weiter schlechter“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Donnerstag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Aber es sei nicht ein Nachfragemangel, der den Unternehmen zu schaffen mache, es sei die Angebotsseite. Überall hake und klemme es. Dies werde sich noch weit ins nächste Jahr hineinziehen, denn aufgrund der aufgestauten Nachfrage werde diese hoch bleiben. „Das Gute daran, dass das Wachstum weiterhin Impulse von der Nachfrageseite bekommt. Das Schlechte daran sind weiter steigende Preise“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.

„Lieferengpässe, Energiepreise und Corona-Gefahren lasten auf der Konjunktur“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Donnerstag dem BME. Im vierten Quartal sei daher nur noch mit einem schwachen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts zu rechnen, nachdem es noch im Sommer kräftig zulegen konnte. Kater: „Es wird aber bei der Konjunktur wohl nur eine Delle werden, nicht ein Motorschaden.“

„Der Erholungsprozess der deutschen Wirtschaft ist erheblich geschwächt. Etwa bei den energie- und rohstoffintensiven Vorleistungsgüterherstellern haben sich die Geschäftserwartungen aufgrund steigender Energiepreise und Rohstoffengpässe eingetrübt. Das bestätigt die jüngste DIHK-Konjunkturumfrage. Darüber hinaus ist der Fachkräftemangel als entscheidendes Unternehmensrisiko zurückgekehrt. Angesichts der immensen Herausforderungen werden wir nach Schätzungen des DIHK das Vorkrisenniveau erst nach dem dritten Quartal 2022 erreichen“, teilte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen am Donnerstag dem BME mit.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Donnerstag dem BME folgende Einschätzung: „Die Knappheit bei etlichen Rohstoffen hält weiter an. Obwohl die weltweite Primäraluminium-Produktion bis Ende September 2021 um 4,4 Prozent auf 45,1 Millionen Tonnen anstieg, ist der Markt noch nicht ausbalanciert. Der Abbau der Lagerbestände von Primäraluminium an den Börsen setzte sich im Oktober fort. Vor allem belasten mögliche Lieferengpässe aus China infolge von Energieabschaltungen, die auch die globale Versorgung mit Magnesium negativ tangieren könnten. Obwohl Ende Oktober ein Rückgang der Preise zu verzeichnen war, zogen die Notierungen für Primär- und Recycling-Aluminium im Monatsmittel weiter an. Auch 2022 dürfte die Marktversorgung mit Aluminium eng bleiben.“

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Produktion: Nach Bereinigung saisonaler Faktoren sackte der Teilindex Produktion auf ein 16-Monatstief und notierte nur knapp über der Wachstumsschwelle von 50,0 Punkten. Wie eine Vielzahl der Umfrageteilnehmer berichtete, führten die weltweiten Lieferengpässe zu niedrigeren Produktionsraten – entweder unmittelbar oder aufgrund von weniger Neuaufträgen.

Auftragseingang: Der Auftragseingang in der Industrie hat sich im Oktober abermals abgeschwächt. Mehr noch, der saisonbereinigte Teilindex rutschte auf den tiefsten Wert seit Beginn der Wachstumsphase im Juli 2020 ab. Viele Befragte gaben an, dass die Nachfrage zwar weiterhin grundsätzlich hoch sei, aber immer mehr Kunden (oft aus dem Automobilsektor) aufgrund von Materialmangel Kurzarbeit einführen müssen, was wiederum bedeutet, dass Aufträge storniert oder verschoben werden.

Auftragseingang Export: Die Neuaufträge aus dem Ausland wuchsen stärker als der Gesamt-Auftragseingang, wenngleich das Plus gegenüber dem Vormonat nahezu unverändert blieb. Vor allem in Nordamerika zog die Nachfrage laut Befragten kräftig an. Beim Blick auf die Teilbereiche zeigt sich, dass die Hersteller von Vorleistungsgütern hier erneut am schlechtesten abschnitten.

Jahresausblick: Die Geschäftserwartungen hinsichtlich der zukünftigen Produktionsraten haben sich im Oktober den vierten Monat in Folge leicht eingetrübt. Im Großen und Ganzen bleiben die meisten Unternehmen optimistisch, aber die Besorgnis über die anhaltenden Lieferengpässe und den damit verbundenen steigenden Inflationsdruck ließen den Teilindex Jahresausblick auf den niedrigsten Stand seit August 2020 sinken.

Beschäftigung: Vor dem Hintergrund der anhaltenden Bemühungen, die Kapazitäten zu erweitern, ist die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe im Oktober den achten Monat hintereinander gestiegen. Die Zuwachsrate blieb im Vergleich mit historischen Daten solide; sie schwächte sich allerdings erneut ab – auf den nun niedrigsten Stand seit März. Vielerorts klagten Umfrageteilnehmer über den Fachkräftemangel. Daneben gab es bei einigen Firmen auch eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich Neueinstellungen aufgrund steigender Kosten und rückläufiger Nachfrage.

Einkaufspreise: Auch im Oktober blieb der Kostendruck in der Industrie hoch. Die Inflationsrate der Einkaufspreise zog im Vormonatsvergleich erstmals seit drei Monaten wieder leicht an und notiert weiterhin nah am Allzeithoch von Juli. Aluminium, Elektronikteile, Energie, Kunststoffe und Stahl wurden am häufigsten als teurer gemeldet.

Verkaufspreise: Die Verkaufspreise stiegen zu Beginn des vierten Quartals so deutlich an wie nie zuvor in der Umfragegeschichte. Nahezu die Hälfte der befragten Unternehmen meldete eine Erhöhung, was die meisten von ihnen mit der Weitergabe höherer Kosten an die Kunden begründete. In allen drei Teilbereichen wurden kräftige Anstiege registriert, angeführt vom Vorleistungsgüterbereich.

Über den EMI:

Der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird vom Anbieter von Unternehmens-, Finanz- und Wirtschaftsinformationen IHS Markit mit Hauptsitz in London erstellt und beruht auf der Befragung von 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (Markit U.S.-PMI).

Quelle: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)/ Vorschaubild: Fotolia

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