Elektrolyseure für grünen Wasserstoff serienreif machen

von Dagmar Dieterle

Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle für die Energiewende. Um die Produktion voranzutreiben, präsentierte Peter Altmaier vor gut einem Jahr seine Nationale Wasserstoffstrategie. Am 26. August 2021 fand nun in Frankfurt/Main die Kickoff-Veranstaltung für die mit 700 Millionen Euro bislang größte Initiative zur Umsetzung statt. Sie umfasst die drei Leitprojekte H2Giga, H2Mare und TransHyDE. „Wir benötigen dringend flexibel einsetzbare, große Elektrolyseure, um den Wasserstoff herzustellen“, mahnt Prof. Bernd Kuhlenkötter, Leiter des Lehrstuhls für Produktionssysteme (LPS) der Ruhr-Universität Bochum, der maßgeblich an H2Giga mitarbeitet. „Ohne diese Technologie ist die Produktion von grünem Wasserstoff und damit die Energiewende nicht machbar.“

Der Bedarf an Wasserstoff ist gigantisch. Die Regierung geht mittlerweile von mehreren hundertmillionen Tonnen pro Jahr aus. Ziel der nationalen Initiative ist es, bis 2030 für Deutschland Elektrolyse-Kapazitäten von immerhin fünf Gigawatt aufzubauen. Dieser Leistung entsprechen in etwa 876.000 Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr. Derzeit liegen die Kapazitäten zwar schon bei knapp 8 Mio Tonnen Wasserstoff, der bislang allerdings fast ausschließlich klimaschädlich aus Erdgas gewonnen wird. Das wollen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun ändern. „Wir wollen sowohl Elektrolyseure reif fürs Fließband machen als auch die Fließbandfertigung für die Elektrolyseurproduktion im industriellen Maßstab erarbeiten“, fasst Kuhlenkötter, der das Teilprojekt FertiRob leitet, zusammen. Der LPS arbeitet hierfür gemeinsam mit dem Institut für Produktionstechnik (wbk) vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und 14 weiteren Partnern aus der Industrie, darunter Unternehmen wie Bosch und ABB.

Massenfertigung im Blick

Es geht den Forschenden genauer gesagt darum, die Produktion von Stacks und Elektrolyseuren zu automatisieren, ihre Kapazitäten drastisch zu erhöhen und dabei die Qualitätsanforderungen einzuhalten. Die Herstellung von Stacks, dem Kernbestandteil von Elektrolyseuren, in denen die eigentliche Aufspaltung erfolgt, ist derzeit eine reine Manufaktur und damit sehr kostenaufwändig und die Fertigungskapazitäten sind begrenzt. „Wir brauchen daher auch Automatisierungslösungen für die Herstellung und Montage von kleineren Elektrolyseuren, die später zu größeren Elektrolyseur-Anlagen zusammengesetzt werden“, berichtet Kuhlenkötter. „Dieser Schritt ist notwendig, wenn wir nicht wollen, dass die Wertschöpfung wie schon bei der Sonnenenergie in den Osten abwandert, wo Arbeitskraft günstig verfügbar ist. Die Gefahr ist real, denn China zum Beispiel investiert derzeit Unsummen in Wasserstofftechnologien.“

Dabei gehen die WGP-ler aus Bochum und Karlsruhe technologieoffen an die Sache heran, wollen sich also sowohl die PEM-Technologie (Protonenleitende-Membran-Elektrolyse) als auch die alkalische (AEL) und die Hochtemperatur-Elektrolyse (HTEL) anschauen. „Jeder der drei Typen ist für spezielle Einsatzgebiete besonders geeignet“, so Kuhlenkötter. „HTEL hat – wie der Name vermuten lässt – seine Einsatzgebiete überall dort, wo hohe Temperaturen herrschen, wie zum Beispiel in der Stahlindustrie. Der Vorteil der PEM-Elektrolyseure liegt dagegen in ihrer Dynamik, sie können immer wieder ein- und ausgeschaltet werden und finden vor allem dort Verwendung, wo volatile Energiebereitstellung notwendig ist.“ So zum Beispiel in einem Stromnetz, das durch einen immer stärkeren Anteil an regenerativen Energiequellen wie Windkraft und Sonnenenergie gespeist wird. Statt Windkraftanlagen an windreichen Tagen auszuschalten, um das Stromnetz nicht zu überlasten, kann die überschüssige Energie in die Wasserstoffproduktion geschickt werden. „So können Leistungsspitzen im deutschen Stromnetz, besonders an den Standorten von Windkraft- und Sonnenkraftanlagen, sinnvoll geglättet werden. Nur leider sind PEM-Elektrolyseure sehr teuer.“

Qualitätssicherung im Blick

Der Fokus der Forschenden liegt jedoch nicht allein auf Montage, Automatisierung und einfacherer Handhabung. Bei allem spielt auch die Qualitätssicherung eine zentrale Rolle. „Um die Elektrolyseurfertigung wirtschaftlicher zu gestalten, ist es wesentlich, Strategien zur Qualitätssicherung zu erarbeiten, damit das Ergebnis des Produktionsprozesses schon durch die Beurteilung von Zwischenprodukten möglich wird“, konkretisiert Prof. Gisela Lanza vom wbk am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Unser Ziel ist daher, kritische Prozess- und Produktparameter zu identifizieren, um die Qualität der Elektrolyseure zu sichern, ohne Zeit und Geld mit unreifen Produktionsprozessen zu verlieren.“

Im Rahmen von FertiRob sollen in den kommenden Jahren digitale Zwillinge der Stacks und Anlagen sowie Virtuelle Inbetriebnahmen (VIBN) etabliert werden. Mithilfe der digitalen Abbilder werden dann Prozesse vor der realen Umsetzung optimiert und damit defekte Produkte im Vorfeld verhindert.

Flexible Zusammensetzung und Wiederverwertung mitdenken

Neben FertiRob arbeitet der LPS zudem am Projekt HyPLANT100 mit. Hier geht es darum zu erforschen, wie kleinere Elektrolyseure, beispielsweise im Maßstab von einem Computer, modulartig und effizient zu größeren Elektrolyseanlagen zusammengesetzt werden können. Sie sollen flexibel auf die jeweilige Branche zugeschnitten werden. Ein Elektrolyseur für eine Raffinerie hat andere Anforderungen zu erfüllen als eine Anlage für die Düngemittelindustrie, die Ammoniak statt mit Erdgas mit Wasserstoff herstellen will.

Neben Planung und Produktion engagieren sich Forschende der WGP zudem im Rahmen von ReNaRe um Recycling und nachhaltige Ressourcennnutzung. In diesem Teilprojekt geht es um das Recyceln von Elektrolyseuren und Werkstoffen. „Wir erforschen automatisierte mechanische Prozesse zur Demontage der Elektrolyseure. So werden die Ressourcen künftig optimal genutzt und Werkstoffe wiederverwendbar“, beschreibt Prof. Jürgen Fleischer, ebenfalls am wbk in Karlsruhe. Je nach Technologie können ganz unterschiedliche Stoffe recycelt werden, darunter Spezialstähle, Nickel, Metalle wie Iridium und Platin oder auch Seltene Erden wie Yttrium. „Auch das ist ein wichtiger Kostenfaktor. Immerhin kostet zum Beispiel ein Gramm Iridium heute etwa 150 Euro und die jährlichen Fördermengen sind sehr gering.“

An den Projekten FertiRob und HyPLANT100 beteiligen sich über 20 Partner aus Industrie und Forschung, die Bundesregierung steckt 24 Millionen Euro Fördersumme in sie. Der Lehrstuhl für Produktionssysteme (LPS) wird in diesen beiden Vorhaben mit gut 4,8 Millionen Euro gefördert. Für ReNaRe bewilligte sie rund 9 Millionen Euro für 13 Partner, davon allein für das KIT rund 700.000 Euro.

Quelle: WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik e.V.) / Foto: ThomBal­_418556265 AdobeStock

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