Drängendes Thema in der Krise: Liquiditätssicherung

von Hubert Hunscheidt

Das Insolvenzgeld als Sanierungsinstrument

Insolvenzgeld ist ein entscheidendes Werkzeug für Unter nehmen in der Sanierung. Doch wozu dient die Ausgleichszahlung genau? Wann hat die Belegschaft Anspruch darauf? Ab wann wird gezahlt?

Für Unternehmen, die sich in einer Krisensituation befinden und sich sanieren müssen, ist Liquiditätssicherung meist eines der drängendsten Themen. Denn für eine finanz- und leistungswirtschaftliche Neuausrichtung werden Mittel benötigt: Die entwickelten Sanierungspläne können noch so erfolgversprechend und nachhaltig angelegt sein, scheitert die Finanzierung, wird es mit der Neuaufstellung schwierig. Um konstante Liquidität zu generieren, muss der Betrieb deshalb auch in der Krise weiter produzieren oder Dienstleistungen erbringen und zugleich seine Ausgaben reduzieren. Die fortlaufenden Lohnkosten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Grundvoraussetzung für das operative Geschäft werden häufig zugleich zu einer existenziellen Herausforderung. Hier ist das Insolvenzgeld oft ein entscheidendes Hilfsmittel der gerichtlichen Sanierung, damit der Betrieb weiterlaufen kann.

Ausbleibende Löhne und Gehälter ausgleichen

Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig, kann also auch die Löhne und Gehälter seiner Belegschaft nicht mehr aufbringen, springt die Bundesagentur für Arbeit ein. Sie zahlt auf Antrag für maximal drei Monate den normalen Nettolohn weiter. Der Anspruch auf Insolvenzgeld besteht dabei rückwirkend ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dessen Ablehnung oder dem Einstellen des Betriebs. Das Insolvenzgeld umfasst neben dem Gehalt selbst auch die Beiträge zur Sozialversicherung und beispielsweise das Urlaubsentgelt im Auszahlungszeitraum.

Insolvenzgeld nicht in jedem Verfahren

Auf die Auszahlung von Insolvenzgeld können sich Unternehmen aber nicht bei jedem Sanierungsmodell verlassen. Ein aktuelles Beispiel ist hier das seit Beginn des vergangenen Jahres geltende Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG). Es soll die außergerichtliche Restrukturierung von Unternehmen vereinfachen. Dazu stehen einige wirkungsvolle Instrumente bereit. So kann eine Firma nun auch in Eigenregie einen Restrukturierungsplan entwickeln und diesen selbst mit ihren Gläubigern verhandeln. Hierbei
gilt – anders als in der freien Sanierung – das Mehrheitsprinzip. Dadurch können einzelne Gläubiger – die sogenannten Akkordstörer – mit ihrem „Nein“ nicht mehr die gesamten Bemühungen zu Fall bringen. Bei aller Wirksamkeit haben die neuen Regelungen allerdings auch Grenzen. Dies betrifft beispielsweise das Insolvenzgeld. Im Rahmen eines solchen präventiven Restrukturierungsverfahrens besteht nämlich kein Anspruch auf die Ausgleichszahlung. Für die freie Sanierung gilt dies ebenso. Der Anspruch auf Insolvenzgeld besteht weiterhin nur im Fall einer Regelinsolvenz, in der Eigenverwaltung oder dem Schutzschirmverfahren. Befindet sich ein Unternehmen in einem dieser drei Verfahren – ist also berechtigt – wie kann Insolvenzgeld dann beantragt werden?

Rückwirkende Zahlung beachten

Den Antrag für die Zahlung müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis spätestens zwei Monate nach der Verfahrenseröffnung bei der zuständigen Arbeitsagentur eingereicht haben. Der Effektivität wegen gibt hier in der Regel jedoch der Insolvenzverwalter oder der eigenverwaltende Unternehmer die entsprechenden Formulare an die Belegschaft aus und reicht sie ausgefüllt bei der Behörde ein. Die rückwirkende Auszahlung des Insolvenzgeldes stellt insolvente Unternehmen in der Praxis nicht selten vor Herausforderungen. Schließlich ist die notleidende Firma bereits bei Antragstellung zahlungsunfähig und nicht erst zur Verfahrenseröffnung, drei Monate später. Erfahrene Verwalter finden hierfür jedoch Lösungen.

Bei Bedarf rechtzeitig vorfinanzieren

Hat ein Unternehmen bereits im Eröffnungsverfahren keine Möglichkeit, seine Angestellten zu bezahlen, kann das Insolvenzgeld auch vorfinanziert werden. Dazu wendet sich der
Insolvenzverwalter oder eigenverwaltende Unternehmer – mit dem Einverständnis der Belegschaft und nach Absprache mit der Arbeitsagentur – an eine Bank. Diese streckt das Geld für die entsprechenden Monate vor und bezieht dann nach Verfahrenseröffnung die Mittel direkt von der Behörde. Die anfallenden Zinsen muss das Unternehmen hingegen selbst leisten – sie werden in der Regel in die Sanierungskosten einkalkuliert. Mit dieser Vorfinanzierung kann der Betrieb am Laufen gehalten werden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die nötige Perspektive und Motivation. Das sind wichtige Aspekte in der Argumentation gegenüber der Arbeitsagentur. Denn bleibt das Entgelt aus, können Beschäftigte gezwungen sein, die Arbeit ruhen zu lassen oder zu kündigen. Das operative Geschäft käme zum Erliegen und damit auch die Sanierungsbemühungen. Dadurch würden
vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern womöglich die Arbeitslosigkeit oder unsichere Zukunftsaussichten drohen.

Mehrfach Insolvenzgeld beziehen?

Die Ausgleichszahlung durch die Bundesagentur für Arbeit wird im Rahmen der Zahlungsunfähigkeit nur einmal gewährt. Rutscht ein Unternehmen also aufgrund fort bestehender Ursachen und Verbindlichkeiten aus einem vorherigen Verfahren wieder in die Insolvenz, fließt kein neuerliches Insolvenzgeld. Dafür wird ein erneutes Insolvenzereignis vorausgesetzt – die alten Insolvenzursachen müssen überwunden und dafür neue entstanden sein. Manche Unternehmen umgehen diese Einschränkung, indem sie ihren Betrieb in eine neue Gesellschaftsform überführen. Hierbei wird auch von der übertragenden Sanierung gesprochen.

Über Umlage finanziert

Finanziert wird das Insolvenzgeld von den Unternehmen selbst – über die sogenannte Insolvenzgeldumlage. Ihre Höhe wird durch eine jährliche Verordnung festgesetzt. Zuletzt gab es hier eine Erhöhung. Seit dem ersten Januar 2022 müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber daher monatlich 0,09 Prozent des rentenversicherungspflichtigen Arbeitsentgeltes ihrer Beschäftigten in die Umlage zahlen.

Das Insolvenzgeld auf einen Blick:

  • Ist eine Ausgleichszahlung der Bundesagentur für Arbeit, wenn sich ein Unternehmen im Insolvenzverfahren befindet
  • Reguläre Nettolöhne und -gehälter sowie Sozialabgaben werden für maximal drei Monate übernommen
  • Anrecht besteht rückwirkend ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dessen Ablehnung durch das Gericht oder der Betriebseinstellung
  • Ist bis spätestens zwei Monate nach Verfahrenseröffnung bei der zuständigen Arbeitsagentur zu beantragen
  • Anspruch darauf besteht in der Regelinsolvenz, in der Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren
  • Kein Anspruch besteht hingegen in freier Sanierung und in präventiven Restrukturierungsverfahren
  • Muss in der Praxis häufig nach Absprache mit Mitarbeitern und der Arbeitsagentur über ein Bankdarlehen vorfinanziert werden
  • Steht der Belegschaft eines Unternehmens als Leistung in aller Regel nur einmal zu
  • Wird über Mittel aus der Insolvenzgeldumlage finanziert, in die jedes Unternehmen regelmäßig einzahlt
  • Die Umlage wird jährlich festgesetzt und ist zuletzt erhöht worden

Weitere Informationen sind hier erhältlich

Quelle und Foto: Dr. Nils Freudenberg, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Insolvenzverwalter / Vorschaufoto: Fotolia

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