Die Industrie 4.0-Gießerei

von Alexander Kirschbaum

Auf dem Weg zu Stahl 4.0 war das Motto eines Stahldialogs auf der internationalen Jahrestagung STAHL 2015 am 12. November in Düsseldorf. In einem Vortrag berichtete Pascal Steinküller, Leiter Vertrieb bei der Kurtz Eisenguss GmbH & Co. KG, über die neue Eisengießerei "Smart Foundry", die das Unternehmen am Standort Haßloch in diesem Jahr in Betrieb genommen hat.

Im Jahr 2012 steckte die Handformgießerei in Hasloch im Main-Spessart tief in der Krise. Gründe hierfür waren: Platzmangel, schlechter Materialfluss, schlechte Arbeitsbedingungen, neue Umweltschutzauflagen, hohe Instandhaltungskosten sowie das Erreichen der Kapazitätsgrenze. Die Kurtz Eisenguss GmbH & Co. KG stand vor der Wahl, die Handformgießerei zu schließen oder hohe Investitionen am Standort Hasloch zu tätigen. Das Unternehmen entschied sich für eine Neuausrichtung. Erklärtes Ziel war es dabei, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die 100 Arbeitsplätze vor Ort zu erhalten. Ein besonderes Anliegen der Chefetage war die Einführung einer getakteten Fließfertigung.

Neues Materialflusskonzept

Um den Materialfluss zu optimieren, erwarb das Unternehmen vier mobile Transportsysteme des Herstellers WFT. Die fast zehn Tonnen schweren Transportsysteme werden von vier Elektromotoren angetrieben und stellen ihre Tauglichkeit schon seit einiger Zeit bei Airbus unter Beweis. Die kooperativen Transportsysteme, die sich autonom in der Fertigungshalle bewegen und sich dabei stets einer fließenden Fertigung unterordnen, sind perfekt für den Einsatz in einer Gießerei geeignet. Diese Überzeugung vertrat der Geschäftsführer Dipl.-Ing. Rainer Kurtz, wie Steinküller in seinem Vortrag berichtete. Und Kurtz sollte Recht behalten: die schwebenden Transportsysteme steuern die einzelnen Stationen in der Werkshalle, wie Kernmacherei, Kühlhalle und Gießerei, automatisch an. Wege und Produktionsschritte sind durch einen simulierten Prozessablauf vorgegeben. Das neue Produktionskonzept basiert auf einer SAP-Steuerung, Software ist für die perfekt getaktete Fließfertigung unerlässlich.

Was ist Industrie 4.0?

Die vierte industrielle Revolution kennzeichnet den Weg zur intelligenten und flexiblen Produktion, so Steinküller in seiner Präsentation. Industrie 4.0 sei die konsequente Nutzung von Chancen durch vernetzte Kommunikation. So werden in vernetzten Arbeitsplätzen die Arbeitsaufträge elektronisch an die Fertigung übermittelt. Die Anzeige der eingehenden und abgehenden Aufträge erfolgt an jedem Arbeitsplatz.

Die intelligente Automatisierung der kompletten Wertschöpfungskette erfolgt dabei durch eine vernetzte Anlagensteuerung. Anlagen, Maschinen, Werkzeuge und Werkstücke entlang des gesamten Produktions- und Logistikprozesses kommunizieren miteinander, um dessen Ergebnis fortwährend zu optimieren. Vernetzte Qualitätsdaten erhöhen die Bauteilqualität sowie die Sandqualitäten in der Gießerei. Die Rechnergestützte Instandhaltung ist prozessgesteuert und vorbeugend.

Ist-Zustand 2015

Durch die Investitionen in eine "Smart Foundry" hat die Kurtz Eisenguss GmbH & Co. KG ihre Produktionskapazität am Standort Hasloch von 10.000 Tonnen pro Jahr auf nunmehr 20.000 Tonnen pro Jahr verdoppelt. Das Unternehmen konnte nicht nur die vorhandenen 100 Arbeitsplätze in der Handformgießerei erhalten, sondern auch 25 neue Mitarbeiter einstellen. Die Arbeitsplatzbedingungen haben sich durch Be- und Entlüftungskonzepte für die Arbeitsbereiche, konstante Innentemperaturen, neuestes Equipment und eine getrennte Gießhalle mit gezielter Absaugung verbessert. Durch neue Filter- und Umluftanlagen wurde die Umweltbelastung reduziert. Zudem ermöglicht die Industrie 4.0-Gießerei Steinküller zufolge beste Material- und Ressourceneffizienz sowie Energierückgewinnung.

Quelle: Präsentation B.Eng. Pascal Steinküller auf der STAHL 2015  Bildtext: Pascal Steinküller referierte am 12. November über die "Smart Foundry" (Foto: marketSTEEL)

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