Deutscher Maschinenbau: Resilienz ist das Gebot der Stunde

von Hubert Hunscheidt

Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine am 24. Februar 2022 hat den deutschen Maschinen- und Anlagenbau massiv beeinträchtigt. Die noch zu Beginn des Jahres vorhandene Aufbruchsstimmung in der Branche hat sich komplett ins Gegenteil verkehrt. Sechs von zehn Entscheider:innen blicken inzwischen pessimistisch auf die Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den nächsten zwölf Monaten. Vor der russischen Invasion waren es nicht einmal zwei von zehn. Auch der Blick auf die globale Konjunktur hat sich binnen weniger Tage dramatisch verschlechtert: Vor Kriegsbeginn blickte rund die Hälfte der Befragten positiv auf die Entwicklung der Weltwirtschaft, danach sind es gerade noch 13 Prozent – der niedrigste Wert seit zwei Jahren. Dies geht aus dem aktuellen Maschinenbau-Barometer der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland (PwC) hervor.

Umsatzprognosen für die Branche drehen ins Negative

43 Prozent der Befragten erwarten eine klare Negativentwicklung für den Maschinen- und Anlagenbau im Jahr 2022. Noch vor rund zehn Wochen hatte ihr Anteil bei 16 Prozent gelegen. Die durchschnittliche Umsatzerwartung für die Gesamtbranche in den nächsten zwölf Monaten liegt derzeit bei -2,8 Prozent. Kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine waren es noch im Schnitt 7,2 Prozent. Damit ist die kontinuierliche Erholung, die man im Verlauf des letzten Jahres feststellen konnte, wieder dahin. „Der Einbruch um 10 Prozentpunkte ist frappierend. Auch die Prognosen für die eigenen Unternehmen haben rund 6 Prozentpunkte eingebüßt. Auffällig ist allerdings, dass die Umsatzprognose nicht so negativ ausfällt wie zur Hochphase der Pandemie im Herbst 2020“, kommentiert Dr. Klaus-Peter Gushurst, Leiter des Bereichs Industries & Innovation bei PwC Deutschland. „Vermutlich erzeugt der Krieg als determinierende Größe weniger Unsicherheit bei den Managern als eine nicht einschätzbare Pandemie.“

Die Auswirkungen des Krieges sind deutlich spürbar

Trotz zahlreicher Lieferengpässe von Rohstoffen und Vorprodukten im Bereich Elektronik (Halbleitermangel, Kabelbäume, …) und dem Wegfall des Russlandgeschäfts liegt die Kapazitätsauslastung der Maschinen- und Anlagenbauer unverändert bei 87,7 Prozent. Momentan arbeitet jeder zweite Betrieb am Auslastungslimit. Nicht die Auftragslage, sondern der steigende Kostendruck ist die größte Sorge der Maschinenbauer. Denn die Kosten haben sich durch den Kriegsausbruch noch einmal kräftig erhöht. 93 Prozent der Befragten rechnen entsprechend fest mit steigenden Kosten im kommenden Quartal, das sind fast 20 Prozentpunkte mehr als vor der russischen Invasion. Nahezu zwei Drittel der Entscheider:innen erwarten einen Kostenanstieg von mindestens 5 Prozent – der absolute Höchstwert aller bisherigen Befragungen.

Gefragt nach den größten Herausforderungen durch den Ukraine-Krieg benennen 84 Prozent steigende Rohstoffkosten und 77 Prozent steigende Energiekosten. Die Verfügbarkeit von Komponenten stellt 68 Prozent vor große Herausforderungen, die Störung der Lieferkette 65 Prozent. Zahlungsausfälle (11 Prozent), Probleme bei der Finanzierung (6 Prozent) oder drohende Enteignungen (5 Prozent) sind demgegenüber nachrangig. Dies überrascht insbesondere beim Thema Enteignungen – entweder ist dieses Resultat auch Ausdruck einer fatalistischen Einstellung oder man hegt die Hoffnung, dass sich das Thema über die nächsten drei bis fünf Jahre wieder entschärfen wird.

Resilience first, restructuring second

Die Maßnahmen der befragten Maschinenbauer in Reaktion auf den Krieg und seine Folgen betreffen in erster Linie die Sicherheit gegenüber Cyber-Attacken und die Stärkung der Energieeffizienz. Sechs von zehn Befragten haben Maßnahmen rund um diese beiden Aspekte geplant. 40 Prozent setzen diese bereits um. Ein Drittel der Befragten befindet sich darüber hinaus in der laufenden Umstrukturierung der Lieferkette und des Energiemixes, rund ein Viertel erschließt zudem neue Kunden. „Es zeigt sich, dass die Unternehmen Maßnahmen zur Steigerung ihrer Resilienz im Moment priorisieren – vor allem die Abwehr von Angriffen aus dem Netz und die Optimierung des Energieverbrauchs stehen hoch im Kurs. Neben der Widerstandskraft gehen einige Unternehmen bereits proaktive Schritte in der Lieferkette oder im Kundenportfolio. Allerdings stehen wir voraussichtlich auch erst am Anfang eines länger andauernden Konflikts mit einer Blockbildung vergleichbar der des Kalten Krieges des 20. Jahrhunderts. Dies wird noch viele Umstrukturierungen notwendig machen“, resümiert Gushurst.

Quelle: PricewaterhouseCoopers GmbH / Foto: marketSTEEL

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