Deutsche Industrie konnte Abschwung auch im Dezember verlangsamen

von Hubert Hunscheidt

Der saisonbereinigte S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) notierte im Dezember 2022 bei 47,1 Punkten und damit abermals unter der Wachstumsschwelle von 50. Immerhin legte er gegenüber November (46,2) zu und kletterte damit auf den höchsten Stand seit drei Monaten.

„Die aktuellen EMI-Daten zeigen, dass sich die Lage in der deutschen Industrie dank verbesserter Materialverfügbarkeit zum Jahresende etwas verbessert hat. Auch die Geschäftsaussichten werden von vielen EMI-Umfrageteilnehmern positiver beurteilt“, betonte Dr. Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Mittwoch in Eschborn. Ihnen bereiteten allerdings die stark gestiegenen Energiepreise nach wie vor große Sorgen. Die Stimmung werde zudem durch die anhaltend hohe Inflation und den Krieg in der Ukraine getrübt. Positiv sei dagegen, dass die Einkaufspreise im Dezember den dritten Monat in Folge gesunken sind.

„Noch signalisiert die Stimmung in der deutschen Industrie Rezession, allerdings zeigen sich erste Lichtblicke für das Jahr 2023. Im ersten Quartal wird die deutsche Wirtschaft rückläufig sein, aber danach sollten wieder positive Wachstumsraten auftreten“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Mittwoch auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Die Angebotsseite entspanne sich durch weniger Probleme bei den Lieferketten. Die Preise würden zwar auch 2023 noch steigen, aber nicht mehr so stark wie im vergangenen Jahr. „2023 kann eigentlich nur besser werden“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.

„Nach den Turbulenzen um die Energieversorgung im Winter wird in Deutschland im weiteren Jahresverlauf eine neue Normalität Einzug halten. Kurzfristig ist mit einer Erholung der Konjunktur zu rechnen, die bereits in der zweiten Jahreshälfte 2023 einsetzen sollte. Mittelfristig wird es jedoch schwierig werden, befriedigende Wachstumsergebnisse zu erzielen“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Mittwoch dem BME. Die deutsche Wirtschaft befinde sich angesichts von Demografie, Klimakrise, Deglobalisierung und technologischen Disruptionen in einer Umbruchphase, die sich im neuen Jahr fortsetzen werde.

„Zu Jahresbeginn zeichnen sich leise Hoffnungsschimmer ab, dass die Industrie etwas glimpflicher als befürchtet durch den Winter kommen könnte. Die Lieferengpässe entspannen sich schrittweise. Unternehmen können ihre Aufträge besser abarbeiten. Jedoch bleiben Risiken: Die weltweite Nachfrage schwächelt und hohe Corona-Zahlen in China und damit verbundene Produktionsausfälle könnten den internationalen Lieferverkehr wieder aus dem Gleichgewicht bringen“, teilte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen am Mittwoch dem BME mit.

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dennis Rheinsberg, Direktor - Energy & Industrials der IKB Deutsche Industriebank AG, am Mittwoch dem BME folgende Einschätzung: „Die Rohstoffpreise haben sich im Dezember überwiegend seitwärts bewegt und damit ihre Bodenbildung fortgesetzt. Entlastend wirkten die tendenziell rückläufigen Energiepreise, wenngleich sie sich weiterhin auf sehr hohem Niveau bewegen. Die Kältephase im Dezember führte nur kurzfristig zu höheren Gaspreisen, die Speicher sind mit rund 90 Prozent weiterhin gut gefüllt. Die ersten LNG-Lieferungen über schwimmende Terminals in Wilhelmshaven und demnächst Lubmin stützen die Versorgung zusätzlich. Ein Anziehen der LNG-Preise ist insbesondere aufgrund der pandemiebedingt gedämpften Nachfrage aus China kurzfristig nicht zu erwarten. Insgesamt aber könnten die milder ausfallenden Rezessionserwartungen bei niedrigen Lagerbeständen zu steigenden Rohstoffnotierungen im Verlauf des ersten Quartals führen. Dies gilt umso mehr, falls aus der Corona-Entwicklung in China eine erneute Verschärfung der Lieferkettenprobleme resultieren sollte.“

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Produktion: Die Produktion wurde im Dezember abermals weniger stark zurückgefahren. Demnach fiel der Rückgang so geringfügig aus wie seit Juni 2022 nicht mehr. Während die sinkende Nachfrage vielerorts zur Drosselung der Fertigung führte, ermöglichte die verbesserte Materialverfügbarkeit anderen Unternehmen, ihre Produktionsrate zu erhöhen und den Auftragsbestand zu reduzieren. Das leichte Plus sowohl im Konsum- als auch im Investitionsgüterbereich wurde vom abermals kräftigen Minus im Vorleistungsgüterbereich aufgewogen.

Auftragseingang: Der saisonbereinigte Teilindex notierte zum neunten Mal in Folge unter der Referenzlinie von 50 Punkten. Die Schrumpfungsrate blieb auf historisch hohem Niveau und fiel – trotz Verbesserung auf ein 6-Monatshoch – deutlich stärker aus als die der Produktion. Zahlreiche Umfrageteilnehmer berichteten, dass die hohen Preise, die weitverbreitete Unsicherheit sowie die vielerorts gut gefüllten Lager weiterhin die Nachfrage schmälern.

Auftragseingang Export: Beim Exportneugeschäft fiel das mittlerweile zehnte aufeinanderfolgende Minus zwar den zweiten Monat hintereinander kleiner aus, blieb aber dennoch kräftig. Vor allem in China und Europa ging die Nachfrage weiter zurück, so einige Befragte.

Geschäftsaussichten: Die Geschäftsaussichten haben sich am Jahresende das zweite Mal in Folge deutlich verbessert. Dennoch überwog die Zahl der Pessimisten erneut die der Optimisten – wenn auch nur knapp. Besonders pessimistisch zeigte man sich im Konsumgüterbereich.

Beschäftigung: Bei der Beschäftigung setzten sich trotz Rückgängen bei Produktion und Auftragseingang die soliden Zuwächse fort. Der saisonbereinigte Teilindex notierte im Berichtsmonat erneut und damit seit fast zwei Jahren ununterbrochen über der Schwelle von 50,0 Punkten, ging allerdings auf den niedrigsten Wert in der erwähnten Wachstumsphase zurück.

Einkaufspreise: Die Inflationsrate der Einkaufspreise hat sich zum dritten Mal hintereinander markant abgeschwächt, wie der saisonbereinigte Teilindex mit dem niedrigsten Wert seit etwas mehr als zwei Jahren signalisiert. Er notierte allerdings nach wie vor über seinem bis zum Beginn der Pandemie gemessenen Durchschnitt, was hauptsächlich den hohen Energiepreisen zugeschrieben werden kann. Einige Umfrageteilnehmer gaben an, dass sich die Preise für manche Rohstoffe aufgrund des geringeren Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage allmählich normalisieren.

Verkaufspreise: Die Kombination aus nachlassendem Kostendruck und wachsendem Widerstand der Kunden gegen Preiserhöhungen führte dazu, dass deutlich weniger Hersteller die Verkaufspreise anhoben. Der entsprechende Teilindex sackte auf ein 22-Monatstief ab, rangierte im historischen Vergleich aber weiter auf hohem, vor März 2021 nie erreichtem Niveau.

Über den EMI: Der S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird von S&P Global, einem börsennotierten US-amerikanischen Finanzdienstleistungskonzern, erstellt und beruht auf der Befragung von rund 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der Verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (S&P Global US Manufacturing PMI).

Quelle: BME Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. / Foto: Jörg Trampert pixelio.de

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