Bauwirtschaft trotzt der Corona-Krise, aber 2021 ruhigeres Geschäft erwartet
von Hubert Hunscheidt
Die Bauwirtschaft ist in Deutschland bislang verhältnismäßig gut durch die Corona-Pandemie gekommen und dürfte auch in den nächsten Jahren solide Wachstumsraten verzeichnen. Das geht aus der neuesten Bauvolumenrechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. Den Berechnungen der ÖkonomInnen Martin Gornig, Claus Michelsen und Laura Pagenhardt zufolge ist das Bauvolumen in Deutschland im vergangenen Jahr nominal um zusammengenommen vier Prozent auf etwa 444 Milliarden Euro gestiegen – trotz der Corona-Pandemie. Obwohl sich die Wachstumsrate damit im Vorjahresvergleich halbierte, ist die Bauwirtschaft weitaus weniger krisengeschüttelt als viele andere Branchen. Für dieses und das kommende Jahr ist ein weiterer Anstieg der Bautätigkeit zu erwarten, um knapp drei beziehungsweise gut fünf Prozent. „Die Corona-Pandemie geht zwar auch an der deutschen Bauwirtschaft nicht spurlos vorbei – wir reden aber von einem weniger starken Plus, unter dem Strich also immer noch einem Wachstum“, sagt DIW-Konjunkturchef und Immobilienökonom Claus Michelsen. „Die Baukonjunktur ist eine Stütze der deutschen Wirtschaft und wird auch in den kommenden Jahren zum Wachstum beitragen.“
Wohnungsneubau präsentiert sich krisenresistent
Nach wie vor wird hierzulande in erheblichem Umfang vor allem in den Neubau von Wohngebäuden investiert. Mit Wachstumsraten in den Jahren 2020 bis 2022 von nominal gut fünf, vier und fünfeinhalb Prozent (im Vergleich zu ebenfalls rund fünfeinhalb Prozent im Vor-Corona-Jahr 2019) zeichnet sich lediglich eine kleine Wachstumsdelle ab. Ein maßgeblicher Grund ist, dass die Bauunternehmen ihre Arbeit bisher zu keiner Zeit einstellen mussten, sondern unter Hygieneauflagen fortführen konnten. Zudem hilft, dass Wohnungsbaukredite nach wie vor historisch günstig sind. Auch das entschlossene Eingreifen der Bundesregierung zur Stabilisierung der Haushaltseinkommen, beispielsweise durch das Kurzarbeitergeld, sowie die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung dürften einen stärkeren Einbruch der Bautätigkeit im abgelaufenen Jahr verhindert haben. Die Zahl der Baugenehmigungen lag von Januar bis Oktober 2020 um 3,4 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Der sogenannte Bauüberhang entspricht derzeit der Wohnungsbauleistung von rund zweieinhalb Jahren.
Wirtschaftsbau bricht ein
Wo Licht ist, gibt es jedoch auch Schatten: Erstens weist die Bautätigkeit an bestehenden Wohngebäuden deutlich mehr Corona-Spuren auf als die Neubautätigkeit. So dürfte die schlechte wirtschaftliche Lage und die Ungewissheit, kombiniert mit Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen, viele ImmobilieneigentümerInnen veranlasst haben, nicht dringend notwendige Ausbauarbeiten zu verschieben. Und zweitens wurde insbesondere der Nichtwohnungsbau erheblich von der Corona-Pandemie ausgebremst: Der Wirtschaftsbau wird in diesem Jahr wohl sogar schrumpfen, nachdem es schon 2020 nominal betrachtet nur noch ein Mini-Wachstum von gut einem Prozent gab. Preisbereinigt, also real, ist die Bauleistung bereits im vergangenen Jahr gesunken. „Auf Seiten der Unternehmen sorgen Verluste, weniger Eigenkapital und wirtschaftliche Unsicherheit dafür, dass weniger – oder zumindest keine zusätzlichen – Produktionskapazitäten gebraucht werden“, erklärt Laura Pagenhardt, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Konjunkturpolitik am DIW Berlin.
Bautätigkeit der öffentlichen Hand steigt deutlich, Kommunen im Mittelpunkt
Hoffnungen ruhen auf dem öffentlichen Bau: Er dürfte von den drei Baubereichen in diesem Jahr mit nominal 6,9 Prozent am kräftigsten wachsen, bevor es 2022 wohl noch einmal um fast fünf Prozent bergauf geht. Im vergangenen Jahr war die Entwicklung noch etwas verhalten: Aufgrund wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen hielten sich die Kommunen mit Investitionen zurück, auch die dünn besetzten Bauämter halfen nicht. Das Konjunkturpaket, das auch öffentliche Investitionen vorsieht, zeigte noch wenig Zugkraft. Das sollte sich in den kommenden Jahren ändern, zumal der Bund auch kommunale Steuerausfälle kompensiert.
Nun komme es darauf an, dass die Mittel tatsächlich in der Bauwirtschaft ankommen, so Martin Gornig, stellvertretender Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte am DIW Berlin: „Im Zweifel müssen die Konditionen für die Kommunen noch einmal vorteilhafter gestaltet werden, damit die notwendigen Investitionen in Bildung, Klimaschutz, Infrastruktur und Digitalisierung auf kommunaler Ebene nicht ins Stocken geraten.“ Längerfristig könnte eine kommunale Finanzreform den Städten und Gemeinden mehr Spielraum verschaffen. Ebenfalls würde vielen überschuldeten Kommunen eine Reduzierung ihrer Altschuldenlast helfen, so die StudienautorInnen. Hier seien in erster Linie die Länder gefragt. Der Bund könnte hingegen in Form einer Gemeinschaftsaufgabe zur Stabilisierung der kommunalen Investitionstätigkeit beitragen.
Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. / Foto: marketSTEEL