Bauteiloptimierung durch kombinierte Fertigungsprozesse

Frankfurt– Für seine herausragenden Forschungsarbeiten zur Kombination von Zerspanungsprozessen mit mechanischer Oberflächenbearbeitung, erhielt Dr. Frederik Zanger vom Institut für Produktionstechnik (wbk) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) die renommierte Otto-Kienzle-Gedenkmünze der WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik).

„Dr. Zanger hat im Bereich der Prozessanalyse mittels Spanbildungssimulationen international neue Akzente gesetzt und damit auch das Karlsruher WGP-Institut in der produktionstechnischen Community weiterhin sichtbar gemacht", lobte Prof. Berend Denkena, Präsident der WGP und Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz-Universität Hannover. „Er ist zudem ein herausragender Nachwuchswissenschaftler, der die Kombination von Fertigungsprozessen – wie zum Beispiel die Prozessstrategie Komplementärzerspanung – maßgeblich voranbringt. Sein mathematischer Hintergrund ermöglicht ihm eine interdisziplinäre Arbeitsweise, die eine große Bereicherung für die produktionstechnische Forschung ist. Darüber hinaus zeichnet ihn sein persönliches Engagement in der Lehre aus."

In der modernen Produktion werden immer mehr Ansprüche an Ressourcen- und Energieeffizienz gestellt. „Das gilt zum Beispiel auch für Bauteile in Triebwerken oder Energieanlagen, die besonders hohen thermischen und mechanischen Belastungen unterliegen", berichtet Zanger von seinen Forschungen. Diese werden häufig aus Leichtbaumaterialien wie Titanlegierungen hergestellt, die allerdings aufgrund ihrer Materialeigenschaften die Werkzeuge schneller verschleißen lassen. Das wiederum führt in der weiteren Bearbeitung dazu, dass sich die Bauteileigenschaften verschlechtern.

Um die Wechselwirkung von Werkstoff und Werkzeug besser zu verstehen, hatte Zanger neben den bislang üblichen Parametern wie Temperatur, Prozesskräfte und Spanform erstmals auch den Einfluss des Werkzeugverschleißes auf die Bauteileigenschaften ins Visier genommen. Im Rahmen seiner Promotion hat er damit wesentlich zur internationalen Anerkennung des wbk im Bereich Spanbildungssimulation beigetragen. „Wenn wir mehr über den Fortschritt des Werkzeugverschleißes wissen, können wir die Prozessbedingungen derart optimieren, dass er verlangsamt wird und gleichzeitig bestmögliche Bauteileigenschaften erreicht werden", so Zanger.

Optimale Bauteileigenschaften bei kurzer Prozesskette mit Komplementärzerspanung

In seinem ersten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt  beschäftigte sich Zanger mit der Prozessstrategie Komplementärzerspanung – einer Kombination aus Zerspanungsprozess und mechanischer Oberflächenbearbeitung des Bauteils. Hierbei wird die Oberflächenbearbeitung, die üblicherweise separat folgt, mit dem Zerspanungswerkzeug vorgenommen. Das Zerspanungswerkzeug wird dabei in entgegengesetzter Richtung zum Zerspanungsprozess nochmals über die Bauteiloberfläche geführt. Der Kontakt zwischen Werkzeug und Bauteil führt dabei hauptsächlich zu einer Verfestigung der Oberfläche und damit zu höherer Lebensdauer des Bauteils.

„Mit diesem Projekt, das seit 2013 läuft und nun bis Dezember 2020 verlängert wurde, wollen wir erreichen, dass wir Bauteile mit gleicher Schwingfestigkeit herstellen können, ohne die Oberfläche nachträglich mechanisch bearbeiten zu müssen", schaut Zanger in die Zukunft. „Fest steht bereits jetzt, dass wir durch die Bearbeitung der Oberfläche die Rauheit signifikant verringern, die Verfestigung steigern und zudem tiefreichende Druckeigenspannungen einbringen können. Darüber hinaus kommt es zu einer Kornfeinung, und somit zu einer weiteren Verbesserung der Oberfläche. Damit erreichen wir eine Schwingfestigkeit des Bauteils, die auch beim Kugelstrahlen, einem Fertigungsverfahren speziell für die mechanische Oberflächenbehandlung, erzielt wird."

Künftig noch mehr neue Kombinationsprozesse im Visier

Zanger erhielt vor kurzem die Zusage für ein weiteres DFG-Projekt. Das Thema: Hämmerndes Drehen. Hierbei geht es um die Kombination der Zerspanung mit dem mechanischen Oberflächenhämmern, indem die Wendeschneidplatte hauptzeitparallel die Bauteiloberfläche durch Hämmern verfestigt. „Wenn wir diese Idee erfolgreich umgesetzt haben, steht neben der Komplementärzerspanung ein weiterer Kombinationsprozess aus Zerspanung und mechanischer Oberflächenbehandlung zur Verfügung. Auch hier ist das Ziel, ein Bauteil mit optimalen Eigenschaften herzustellen", bringt es Zanger auf den Punkt.

Zur Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik e.V.:

Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik e.V. ist ein Zusammenschluss führender deutscher Professorinnen und Professoren der Produktionswissenschaft. Sie vertritt die Belange von Forschung und Lehre gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Die WGP vereinigt 66 Professorinnen und Professoren aus 40 Universitäts- und Fraunhofer-Instituten und steht für rund 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Produktionstechnik.

Quelle und Vorschaubild: WGP - Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik

Vorschaubild: Verleihung der Otto-Kienzle-Gedenkmünze, 19. November 2019, am Werkzeugmaschinenlabor (wzl) der RWTH Aachen, (v.l.n.r.): Prof. Robert Schmitt, wzl Aachen; Dr. Frederik Zanger, wbk KIT; Prof. Berend Denkena, WGP-Präsident, IFW Hannover, Prof. Volker Schulze, wbk KIT

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