Anlegerstimmung leidet stark

von Hubert Hunscheidt

Energie: Am Ölmarkt geht die Angst um

Mit den neuen Meldungen aus Europa und den USA geht die Angst vor einer weltweiten Pandemie durch das Covid-19-Virus um und steckt die Finanzmärkte an: Die Anlegerstimmung leidet stark. Der Ölmarkt wird somit gleich von mehreren Faktoren belastet. Nicht nur der zuletzt stärkere US-Dollar, der sich meist in gegenläufiger Richtung zu den Preisen entwickelt, setzt zu, sondern auch die massiv schwächere physische Nachfrage und nun noch der "Anleger-Exodus". Der Ausblick für die physische Nachfrage, der nach IEA-Chef Birol in diesem Jahr ohnehin als der schwächste in einem Jahrzehnt ist, könnte sich nach seinen gestrigen Äußerungen im Rahmen der IP Week in London weiter verschlechtern. Noch rechnet die IEA mit einem Nachfragerückgang nur im 1. Quartal. Doch wenn die Einschätzung des weltgrößten unabhängigen Ölhändlers zutrifft, der aktuell einen Einbruch der chinesischen Ölnachfrage um gleich 4 Mio. Barrel täglich sieht, stehen dem Ölmarkt schwere Zeiten bevor. Schließlich entspräche dies allein schon 4% der weltweiten Ölnachfrage, hinzu kommen die negativen Effekte auf den weltweiten Transport bzw. die Nachfrage andernorts.

Man möchte sich angesichts solcher Angstszenarien gern der Meinung des Chefs des weltgrößten Ölproduzenten anschliessen, der in Covid-19 nur ein vorübergehendes Phänomen sieht, das in der zweiten Jahreshälfte wieder völlig aus der Wahrnehmung verschwinden wird. Dann könnte man sich wieder der fundamentalen Analyse langfristiger Trends widmen. Denn klar ist, dass der fallende Ölpreis ein zweischneidiges Schwert ist. Schließlich verschlechtert sich damit der Produktionsausblick weiter. So wird nach Aussage des führenden US-Öldienstleistungsunternehmens das Wachstum der US-Schieferölproduktion von über 1 Mio. Barrel täglich im Vorjahr auf 600-700 Tsd. in diesem bzw. lediglich 200 Tsd. Barrel im nächsten Jahr sinken.

In dieser Situation finden Meldungen über die US-Lagerbestände kaum Beachtung. Gestern hat das API mit 1,3 Mio. Barrel einen geringeren Aufbau der Rohöllagerbestände als erwartet bzw. in der Woche zuvor berichtet. Die heutige Veröffentlichung des DOE wird wohl auch zur Nebensache.

Edelmetalle: Gold als sicherer Hafen und Krisenwährung gefragt

Das Covid-19-Virus hat die Finanzmärkte weiter fest im Griff. Während die Behörden in China bei der Eindämmung des Virus offenbar Fortschritte erzielen, breitet es sich in anderen Ländern bzw. Regionen immer weiter aus. Insbesondere in Europa sind mehr und mehr Länder betroffen. In den USA hat die Behörde zur Seuchenkontrolle und -prävention (Centers for Disease Control and Prevention – CDC) davor gewarnt, dass sich das Virus dort beinahe sicher ausbreiten wird und die Amerikaner sich darauf vorbereiten sollen. An den Aktienmärkten führte dies gestern zum zweiten Ausverkauf in Folge: Der Dow Jones Industrial Average verlor diesmal fast 900 Punkte (-3,2%), nachdem er am Vortag bereits um über 1.000 Punkte gefallen war. Gold ist in diesem Umfeld als sicherer Hafen und Krisenwährung weiter stark nachgefragt. Es holte gestern einen Teil seiner anfänglich hohen Verluste auf und handelt heute Morgen bei 1.645 USD je Feinunze. Dabei profitierte es von anhaltenden ETF-Zuflüssen. Die von Bloomberg erfassten Gold-ETFs verzeichneten gestern den 25. Handelstag in Folge Zuflüsse, was eine Rekordstrecke darstellt. Mit 10,7 Tonnen war dies zudem der zweithöchste Zufluss bislang in diesem Jahr. Und mit 2.624 Tonnen sind die Bestände der Gold-ETFs so hoch wie nie zuvor. Silber und Platin als industrielle Edelmetalle werden dagegen von den Industriemetallen in Schach gehalten. Dies hat zur Folge, dass das Gold/Silber-Verhältnis auf 91 gestiegen ist (der höchste Wert seit Juli) und sich die Preisdifferenz zwischen Gold und Platin auf rekordhohe 710 USD ausgeweitet hat. Palladium zeigt sich davon wiederum unbeeindruckt und spielt weiter in einer eigenen Liga.

Industriemetalle: Stahlnachfrage in China eingebrochen

Wie der Weltstahlverband gestern berichtete, ist die globale Stahlproduktion im Januar im Vergleich zum Vorjahr um 2,1% auf 154,4 Mio. Tonnen gestiegen. Hauptverantwortlich hierfür war demnach China, für das der Verband ein Plus von 7,2% angibt. Hierbei handelt es wohl um eine Schätzung, da das Nationale Statistikbüro in China bislang keine Daten für Januar veröffentlicht hat. Der Anstieg scheint uns auf den ersten Blick etwas hoch, da das chinesische Neujahrsfest dieses Jahr im Januar stattfand und China in der zweiten Monatshälfte durch den Ausbruch des Covid-19-Virus gelähmt wurde. Der Verband der chinesischen Eisen- und Stahlhersteller hatte für Januar nur einen moderaten Anstieg der Stahlproduktion im Reich der Mitte gemeldet. Seit Anfang Februar soll sie demnach merklich gesunken sein. Für die Betreiber von Hochöfen ist es allerdings aus technischen Gründen schwierig, die Produktion komplett herunterzufahren, ein Stillstand ist hier der letzte Ausweg. Dagegen können Elektroöfen relativ einfach ab- und auch wieder angeschaltet werden. Marktbeobachter zufolge haben daher Elektroofenbetreiber ihre Produktion gestoppt; sie machen aber nur einen kleinen Teil der gesamten chinesischen Stahlproduktion aus. Deutlich größere Auswirkungen hat das Virus auf die Stahlnachfrage in China: Viele Bauprojekte wurden in den letzten Wochen entweder langsamer oder gar nicht vorangetrieben, so dass kaum Stahl nachgefragt wurde. S&P Global Platts schätzt, dass die Nachfrage nach fertigen Stahlerzeugnissen im Februar um 75% eingebrochen ist und im März 30% unter dem Vorjahresniveau liegen dürfte. Die landesweiten Bestände von Betonstahl haben sich seit Mitte Januar mehr als verdoppelt und liegen mittlerweile auf einem Rekordhoch.

Quelle: Commerzbank AG / Commerzbank Commodity Research / Vorschaufoto: fotolia

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