Aluminiumbranche warnt vor Wettbewerbsverlust

von Hubert Hunscheidt

Die europäische Aluminiumindustrie schlägt Alarm: In einem eindringlichen Appell warnt Jean-Marc Germain, Vorstandsvorsitzender des französischen Aluminiumherstellers Constellium, davor, dass der ab Januar greifende EU-CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) zu einer langfristigen Schwächung des Sektors führen könnte. Anstatt fairen Wettbewerb und Klimaschutz zu fördern, drohe das Instrument die Kosten für europäische Produzenten weiter zu erhöhen und klimaintensivere Anbieter aus Nicht-EU-Ländern indirekt zu begünstigen.

„Wir schießen uns wissentlich selbst ins Bein“, sagte Germain gegenüber Reuters. Für die Unternehmen sei CBAM kein kurzfristiger Schock, sondern ein schleichender Prozess, der zu Investitionsverlagerungen und einem allmählichen Niedergang europäischer Produktion führen könne. Steigende Aufschläge auf physisches Aluminium – ausgelöst sowohl durch die bevorstehende CO₂-Abgabe als auch durch Unsicherheiten an Schmelzkapazitäten in Europa, Island und Mosambik – belasteten die Industrie bereits jetzt.

Besonders kritisch sieht Constellium mögliche Schlupflöcher: Hersteller außerhalb der EU könnten emissionsintensives Aluminium weiterhin global vermarkten, während sie nur „saubere“ Mengen nach Europa exportieren und so effektiv CBAM umgehen. Recycelter Schrott könnte ebenfalls als Hintertür dienen. „Für den Planeten bringt das gar nichts“, betont Germain.

Der Kern der Kritik: CBAM erhöhe die Preise für alles Aluminium, unabhängig von Herkunft oder CO₂-Intensität, da der Marktpreis sich an der „teuersten Tonne“ orientiere. Für europäische Industriekunden entspreche dies „dem Tod durch tausend Schnitte“.

Einordnung für die Stahl- und Metallindustrie

Die Argumentation des Aluminiumsektors steht in starkem Gleichklang mit Befürchtungen der europäischen Stahlindustrie: steigende Kosten, ungleiche Wettbewerbsbedingungen und ein regulatorisches Umfeld, das Klimaziele verfolgt, aber Investitionsentscheidungen zunehmend ins Ausland drängt. Sowohl Stahl- als auch Aluminiumproduzenten fordern dringend:

  • praxisnahe Anpassungen des CBAM,
  • Schließen von Schlupflöchern,
  • effektive Handelsschutzinstrumente,
  • sowie industriekompatible Energiepreise,

damit Europa seine Grundstoffindustrien nicht durch regulatorische Überlastung verliert.

Germain bringt es auf den Punkt: Der Schaden werde nicht abrupt eintreten – „es wird ein allmählicher Niedergang sein“, wenn Europa seine Instrumente nicht industriepolitisch nachschärft.

Quelle: SURPERFORMANCE SAS / Foto: KI generiert