Allianz-Prognose zum Versicherungsmarkt für Wasserstoff

von Hubert Hunscheidt

Rund 60 Regierungen haben Wasserstoffstrategien entwickelt und die Anzahl der geplanten Projekte liegt weltweit bereits über 1.500, verglichen mit nur etwa 200 im Jahr 2021. Das ist ein Anstieg von etwa 650 Prozent. Zur Realisierung dieser Projekte, ist laut Hydrogen Council und McKinsey bis 2030 ein Investitionsvolumen von insgesamt 680 Milliarden US-Dollar erforderlich. Diese Investitionen führen parallel zu einer stark erhöhten Nachfrage nach Versicherungslösungen, um bekannte und neue Risiken abzusichern. Mit 617 geplanten Projekten und dem höchsten angekündigten Gesamtinvestitionsvolumen von 199 Milliarden US-Dollar führt Europa deutlich vor anderen Staaten.

Obwohl das Potenzial von Wasserstoff zweifellos groß ist, gibt es zahlreiche Herausforderungen, die adressiert werden müssen. Die mögliche Größe der Wasserstoffwirtschaft hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, wie Politik oder Handels- und Wirtschaftsumfeld sowie der Nachfrage. Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden müssen die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur einplanen, damit ein wettbewerbsfähiger Ausbau im Vergleich zu anderen Energiequellen möglich ist. In allen Branchen werden strenge Sicherheitsmaßnahmen entscheidend sein, um die Risiken von Wasserstoff zu managen. Hier kommt die Versicherungsbranche ins Spiel. Während Wasserstoff in die globale Wirtschaft integriert wird, können Versicherer mit einer erheblichen Zunahme der Nachfrage nach Deckungen rechnen. Allianz Commercial erwartet, dass der Versicherungsmarkt für Wasserstoffprojektdeckungen bis 2030 auf über drei Milliarden US-Dollar Prämienvolumen wachsen wird.

„Versicherer spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft. Sie ermöglichen Investitionen und Innovationen und bieten Beratung im Risikomanagement. Zusammenarbeit und Wissensaustausch innerhalb dieser Branche sind unerlässlich, um Best Practices zu entwickeln und Fachwissen aufzubauen. In seiner Rolle als Risikoexperte kann der Versicherungssektor das Wachstum der Wasserstoffwirtschaft unterstützen und die Energiewende vorantreiben“, sagt Anthony Vassallo, Global Head of Natural Resources bei Allianz Commercial.

Wasserstoff bietet großes Potenzial, birgt jedoch Herausforderungen und Risiken

Wasserstoff ist ein vielversprechender Energieträger und wird seit vielen Jahrzehnten in der Chemie- und Raffineriebranche verwendet, daher sind Risiken wie Feuer, Explosionen und Metallversprödung bereits bekannt. Die Integration von Wasserstoff in andere Branchen bringt zugleich eine Reihe neuer Herausforderungen mit sich. Deshalb erfordern die derzeit geplanten Megaprojekte eine Erweiterung des Risikomanagements. Energieerzeugungsanlagen werden Wasserstoffspeicherung und Hochtemperaturverbrennung umfassen, was zu Lecks und Explosionen führen kann. Im Transportbereich werden Anwendungen wie Brennstoffzellenfahrzeuge ebenfalls mit Risiken wie Versprödung und Lecks konfrontiert sein. Hafen- und Lagerbetreiber sowie Kraftstoffhändler müssen mit hochentzündlichen und kryogenen Wasserstoffkraftstoffen umgehen, was das Risiko von Unfällen und Kontaminationen erhöht.

„Sich entwickelnde Technologien bringen immer Herausforderungen mit sich, wie etwa das erhöhte Risiko von Serienschäden. Ein große Wasserstoffproduktionsanlage kann Hunderte von Elektrolyseuren umfassen, wobei das gleiche Design in mehreren Anlagen repliziert wird. Serienschadenansprüche wurden bereits bei Windturbinen beobachtet, was zu großen Verlusten für Unternehmen und Versicherer geführt hat. Gleichzeitig könnte die Wasserstoffindustrie beim Hochskalieren die Lieferketten aufgrund des Risikos von Kapazitätsengpässen und Verzögerungen bei Ersatzteilen unter Druck setzen“, fügt Harald Dimpflmaier, Regional Head of Natural Resources in Deutschland und der Schweiz bei Allianz Commercial hinzu.

Risikomanagement und -minimierung sind entscheidend für Wasserstoffprojekte

Angesichts der besonderen Eigenschaften und der leichten Entflammbarkeit von Wasserstoff ist die Gewährleistung der Sicherheit entlang der gesamten Wertschöpfungskette entscheidend. Die Analyse wasserstoffbezogener Zwischenfälle zeigt, dass unbemerkte Lecks leicht zu Explosionen führen können, wie vergangenes Jahr an einer Wasserstofftankstelle in Süddeutschland geschehen. Design und Wartung von Geräten und Anlagen sowie die Schulung des Personals können helfen, das Entweichen von entzündlichem Wasserstoffgas zu verhindern. Zündrisiken können durch die Platzierung von Wasserstoffanlagen im Freien reduziert werden. Versprödungsrisiken lassen sich wiederum durch die Verwendung wasserstoffkompatibler Materialien und speziell entwickelter widerstandsfähiger Beschichtungen minimieren. Neben der Verhinderung von Zwischenfällen können Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um das Ausmaß von Sachschäden, Betriebsunterbrechungen und Haftpflichtansprüchen Dritter zu begrenzen. Gebäude und Anlagen sollten so gestaltet und gebaut werden, dass sie Naturgefahren, Feuer und Explosionen standhalten und Schäden an benachbartem Eigentum und Geräten eingrenzen.

„Angesichts der umfangreichen Wertschöpfungskette und ihrer potenziellen Anwendungen könnten die Auswirkungen auf die Versicherungsbranche weitreichend sein. Aus Versicherungsperspektive sind in den nächsten fünf bis zehn Jahren vor allem Geschäftsbereiche wie Energie, Natural Resources und Haftpflicht gegenüber Wasserstoffrisiken besonders exponiert“, erklärt Vassallo.

Quelle: Allianz Global Corporate & Specialty SE / Foto: KI-generiert