Welthandel wieder im Aufwärtstrend dank lebhafter Investitionstätigkeit

Es ist noch nicht lange her, da stand die Befürchtung im Raum, die Globalisierung habe ihren Höhepunkt überschritten und werde möglicherweise sogar zurückgedreht. Der Begriff des „Peak Trade“ machte die Runde, der in Anlehnung an den erwarteten Rückgang der Ölförderung aufgrund erschöpfter Ressourcen (Peak Oil) eine „Erschöpfung“ der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung thematisierte. Ausgelöst wurde die Debatte dadurch, dass der Welthandel in den Jahren 2012 bis 2016 jeweils langsamer gewachsen war als die globale Wirtschaftsleistung, was man zuletzt in den Achtziger Jahren nach der zweiten Ölkrise beobachtet hatte. Für die Schwäche hatte man ein ganzes Bündel möglicher Erklärungen zur Hand. Dieses reichte von regionalen Besonderheiten wie der Rezession im Euroraum, über eine globale Investitionsschwäche, ein Rückdrehen der internationalen Aufspaltung von Wertschöpfungsketten bis hin zu einem wachsenden Protektionismus und fehlenden Integrationsfortschritten.

Seit etwa der Jahresmitte 2016 scheint die Situation eine andere zu sein. Dies zeigt anschaulich der Containerumschlagindex, den das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung gemeinsam mit dem Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) berechnet. In diesem Index wird die Zahl der Container zusammengefasst, die in über 80 Seehäfen empfangen und versendet wurden. Zwar werden nicht alle Waren in Containern versandt, weshalb zum Beispiel der Handel mit Rohstoffen und Automobilen nicht in den Index eingeht. Auch können Container Waren mit sehr unterschiedlichem Wert enthalten. Diese Nachteile werden aber dadurch wettgemacht, dass die Daten schnell vorliegen, wenig revisionsanfällig sind und nicht preis- und wechselkursbereinigt werden müssen. Sie zeichnen also unmittelbar ein Bild der „realen“ Welt.

Während der großen Rezession 2008/09 war der Containerumschlag geradezu dramatisch eingebrochen, kehrte danach aber wieder rasch auf sein altes Niveau zurück. Danach stieg er weiter, allerdings weniger stark. Im September 2014 erreichte er einen vorläufigen Höhepunkt, auf den – was in „normalen“ Zeiten ungewöhnlich ist – ein leichter Rückgang folgte. Erst im Sommer 2016 deutete sich eine Besserung an, und im November 2016 wurde der bisherige Höchstwert übertroffen. Mittlerweile weist der Containerumschlag wieder deutlich nach oben. Im September 2017 übertraf er das Vorjahresniveau um acht Prozent. Einen ähnlich kräftigen Zuwachs hatte es zuletzt 2011 gegeben.

Der Welthandel ist also derzeit – der vielerorts protektionistischen Rhetorik zum Trotz – wieder deutlich aufwärtsgerichtet. Eine wesentliche Ursache dafür scheint zu sein, dass die Anlageinvestitionen, die besonders handelsintensiv sind, weltweit deutlich besser laufen. Das ist für die Stahlbranche eine gute Nachricht, sind die Investitionsgüterhersteller doch ihre besten Kunden. Die lebhaftere Investitionskonjunktur dürfte zu der weltweit wieder etwas steigenden Kapazitätsauslastung der Stahlwerke beigetragen haben. Dies mildert das Problem der Überkapazitäten aber nur. Ein weltwirtschaftliches Wachstum, das stark genug ist, um in die vorhandenen Kapazitäten „hineinzuwachsen“, liegt außerhalb aller Vorstellungskraft.

 

Der Beitrag stammt von Prof. Dr. Roland Döhrn, RWI – Leibniz Institute for Economic Reseach, Head of Department Macroeconomics and Public Finance, RWI, Essen

Foto: RWI, Essen

 

Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.

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