Welche Spuren wird die Coronakrise im Unternehmen hinterlassen?

Welche Spuren wird die Coronakrise im Unternehmen hinterlassen?

Was zeichnet ein nachhaltiges Geschäftsmodell aus?

Interview: Klaus Endress und Matthias Altendorf geben Antworten.

 

marketSTEEL: Herr Altendorf, was bedeutet die Coronavirus-Pandemie für Endress+Hauser?

Altendorf: Die Coronakrise hat unsere Kunden und uns vor große Herausforderungen gestellt. Als sich das Virus in China ausgebreitet hat, haben wir sofort gehandelt – erst mit Reisebeschränkungen, dann mit immer weitergehenden Maßnahmen. Die Gesundheit unserer Mitarbeitenden und Kunden hatte jederzeit Priorität. Gleichzeitig war uns wichtig, unsere Kunden auch in dieser Situation möglichst gut zu unterstützen: Wie können wir arbeits- und lieferfähig bleiben, wie können wir helfen, dass die Anlagen unserer Kunden weiter laufen?

marketSTEEL: Wie wird sich die Krise wirtschaftlich auswirken?

Altendorf: Das wissen wir heute noch nicht. Wir hatten 2020 einen guten Start, sind mit einem hohen Auftragsbestand ins laufende Jahr gegangen… Aber die Krise wird Spuren hinterlassen, bei unseren Kunden und uns. Entscheidend ist jedoch: Das, was wir tun, ist wichtig für unsere Kunden. Wir können ihnen helfen, noch besser zu werden, ihre Prozesse, Produkte und Produktionen noch effizienter zu machen. Und zwar in allen Dimensionen, so dass sie ihre Qualität weiter steigern, an Produktivität noch hinzugewinnen und den Ressourceneinsatz senken können. Das bringt unsere Kunden voran, in guten Zeiten und erst recht in schwierigen. Wir haben ein nachhaltiges Geschäftsmodell!

Endress: Die Arbeit wird uns nie ausgehen, auch in hundert Jahren nicht – solange wir Kunden und Märkte nicht aus den Augen verlieren. Die Weltbevölkerung wächst, Lebenserwartung und Wohlstand steigen. Alle diese Menschen benötigen Wasser, Lebensmittel, Energie, Medikamente, alle möglichen Güter… Zugleich müssen wir effizient umgehen mit den Ressourcen und für die Umwelt Sorge tragen. Durch all das wächst der Bedarf an Messtechnik. Dazu kommt: Wir sind weltweit präsent, und das in vielen Branchen. Eine weltweite Krise trifft uns zwar auch, aber nicht frontal und digital, weil sich einzelne Regionen und Industrien unterschiedlich entwickeln. Daraus ergeben sich Chancen für Aufträge und Beschäftigung.

marketSTEEL: Gibt es Parallelen zur Finanzkrise 2008/09?

Endress: Die Finanzkrise hatte ganz andere Auslöser, ist von der Welt der Banken auf die Realwirtschaft übergesprungen. Aber auch damals ist es für viele steil nach unten gegangen. Es war, als wären die Kunden nicht mehr aus dem Urlaub zurückgekommen. Andere hat diese Entwicklung zeitlich versetzt erreicht. Damals haben wir gesagt: Wir müssen das Unmögliche denken, es überdenken – und dann entweder umsetzen oder verwerfen. Viele dieser Erfahrungen – gute Erfahrungen – können wir auch heute nutzen: wie wir mit Schwarzen Schwänen umgehen, also mit unerwarteten Ereignissen, die große Auswirkung haben; wie wir in einer fragilen Welt erfolgreich überleben.

Altendorf: Heute wie damals gilt, dass die Familie Endress zum Unternehmen steht. Sie hat uns ihr volles Vertrauen geschenkt, dass wir das Unternehmen gut durch diese schwierige Zeit bringen. Wir wollen auch in dieser Krise unsere Mitarbeitenden halten. Endress+Hauser ist solidarisch und trägt Verantwortung. Wir haben seit 2009 kontinuierlich daran gearbeitet, die wirtschaftliche Solidität des Unternehmens zu erhöhen, seine Resilienz, um genau in solch einer Situation einen langen Atem zu haben.

marketSTEEL: Unter den aktuellen Eindrücken gerät 2019 fast schon aus dem Blick… Warum ist es 2019 für Endress+Hauser so gut gelaufen?

Altendorf: Wir sind in allen Arbeitsgebieten, Branchen und Regionen gewachsen – wenn auch mit unterschiedlicher Dynamik. Allerdings muss man sagen: In der Prozessautomatisierung ist es vielen Wettbewerbern ebenfalls nicht schlecht gegangen. Die Fabrikautomatisierung hat stärker unter der Konjunktur gelitten. Aber hinter unseren guten Zahlen steckt auch viel Arbeit. Wir hatten keine großen Projekte. Dafür haben wir Geschäft mit vielen einzelnen Kunden gemacht, mit kleinen und mittleren Projekten. Die Grundlagen dafür haben wir in den vergangenen Jahren gelegt… vielleicht hatten wir auch das Glück des Tüchtigen!

marketSTEEL: Vor der Coronakrise hat die Klimapolitik die öffentliche Debatte dominiert. Was bedeutet dies für Endress+Hauser?

Altendorf: Einerseits können wir unseren Kunden helfen, Energieverbrauch, Ressourceneinsatz und Schadstoffausstoß zu senken. Das ist unser Kerngeschäft, das machen wir jeden Tag. Andererseits müssen wir auch selbst verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen. Da tun wir vieles, wenn auch sicher noch nicht alles, was möglich wäre. Aber wir waren der Zeit immer ein bisschen voraus, und so soll es bleiben!

Endress: Das sind Anliegen, die wir seit Jahrzehnten haben! Wir waren im Umweltschutz aktiv, als andere noch gar nicht über das Thema gesprochen haben. Weil wir der Meinung waren: das ist wichtig.

marketSTEEL: Was tut Endress+Hauser denn konkret?

Altendorf: Wir haben als Hersteller den Vorteil, dass wir nicht sehr energieintensiv produzieren. Gebäude- und Büroinfrastruktur, Arbeitswege, Geschäftsreisen, Materialtransport… das sind unsere größten Quellen für den ökologischen Fußabdruck, hier können wir ansetzen. Etwa, indem wir Gebäude bauen, die sehr energieeffizient sind, überall auf der Welt. In Kanada gehen wir jetzt noch einen Schritt weiter: Wir errichten ein Gebäude, das zu 100 Prozent energieautark arbeitet. Wir nehmen auch höhere Kosten dafür in Kauf, denn wir sind der Meinung, das ist das richtige Signal.

 

Zu den Personen

  • Bindeglied zur Familie

Dr. h.c. Klaus Endress (Jahrgang 1948) hat ein Studium als Diplom-Wirtschaftsingenieur an der Technischen Universität Berlin absolviert. Er trat 1979 ins väterliche Unternehmen ein und übernahm 1995 die Leitung der Firmengruppe. 2014 wechselte er als Präsident in den Verwaltungsrat. Klaus Endress ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.

  • Im Unternehmen verwurzelt

Matthias Altendorf (Jahrgang 1967) hat seine Karriere bei Endress+Hauser mit einer Lehre als Mechaniker begonnen, an die sich Studium, Auslandsaufenthalt und Weiterbildung anschlossen. 2009 wurde Matthias Altendorf ins Executive Board berufen, 2014 übernahm er die Leitung der Firmengruppe. Matthias Altendorf ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohnes.

 

Fotos: Christoph Fein, Andreas Pohlmann

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