Was sind die Trends in der Stahlschrottwirtschaft?

von Alexander Kirschbaum

Was sind die Trends in der Stahlschrottwirtschaft?

Dr. Rainer Cosson, Daniela Entzian und Bernd Meyer von der BDSV im Interview über Neuerungen im Verband, den Preisindex von Stahlschrott und Strafzölle auf Stahl.

marketSTEEL: Der Stahlschrottverband (BDSV) stellt sich neu dar. Können Sie dies näher erläutern?

Bernd Meyer: Wir haben im letzten Jahr ein Maßnahmenpaket erstellt, um dem Verband ein moderneres Erscheinungsbild zu geben. Das mündete unter anderem in der Entwicklung eines neuen Logos für die eigene Verbandsdarstellung als auch in dem neuen Claim „Schrott muss man können“. Der Satz soll deutlich machen, dass wir einerseits ganz bewusst zu dem Begriff Schrott stehen. Und dass andererseits hinter der Schrottwirtschaft viel Expertise steckt, die der Verband und seine Mitgliedsunternehmen repräsentieren. Im Zuge der Digitalisierung wollen wir zudem den Anforderungen an moderne Kommunikation für unsere Mitglieder gerecht werden. Neben dem Ausbau unserer Hauptwebseite sind wir daher auf der Suche nach neuen Tools, mit denen unsere Mitglieder verstärkt untereinander kommunizieren können.

Dr. Rainer Cosson: Die Digitalisierung ist keine Modeerscheinung, sondern ein Muss für die gesamte Stahlrecyclingwirtschaft. Daher haben wir zu dem Thema kürzlich einen Fachausschuss eingerichtet. Das Gremium soll eine Art Schaltstelle für sämtliche Fragen der Digitalisierung werden und die Branche sowie den Verband beraten. Die zwei unterhalb des Fachausschusses sogleich eingerichteten Arbeitsgruppen „Digitalisierung des Verbandes“ und „Digitalisierung der Branche“ sollen spezifische Ideen entwickeln und diese im Fachausschuss vorstellen. Grundsatzentscheidungen sind dann dem BDSV-Präsidium vorbehalten.

marketSTEEL: Der Verband veröffentlicht regelmäßig einen Preisindex von Stahlschrott. Was ist das Besondere an diesem Index?

Dr. Rainer Cosson:  Die monatlichen Veröffentlichungen der durchschnittlichen Lagerverkaufspreise bestimmter Stahlschrottsorten sind wissenschaftlich fundiert und beruhen auf anerkannten statistischen Methoden. Man spricht als Schlagwort zwar immer vom „BDSV Durchschnittspreis für Stahlschrott“, aber daran ist nur richtig, dass es BDSV-Mitglieder sind, die ihre Lagerverkaufspreise melden. Die Durchschnittspreise werden seit 2009 publiziert. Zu der Statistik tragen monatlich rund 60 BDSV-Mitgliedsunternehmen bzw. etwa ein Drittel der an Stahlindustrie gelieferten Mengen bei. Die Ermittlung der durchschnittlichen Lagerverkaufspreise als solche haben wir bei der Kölner Firma MOMIT in Auftrag gegeben. Insofern sind Vertraulichkeit und Neutralität gewährleistet. Das heißt konkret: Was unsere Mitglieder an die neutrale Meldestelle melden, ist uns völlig unbekannt.

marketSTEEL: Privatrechtliche Strukturen haben Deutschland bei Rohstoffsicherung und Ressourcenschonung in eine weltweit führende Position gebracht. Wird diese Position gefährdet bzw. sind die „Kleinsammler“ eine aussterbende Spezies?

Dr. Rainer Cosson:  In der letzten Legislaturperiode stand es zur Debatte, dass die Verpackungsentsorgung, die in Deutschland von den dualen Systemen durchgeführt wird, kommunalisiert wird. Gemeinsam mit anderen Recyclingverbänden haben wir es geschafft, dass das bisherige privatrechtliche System beibehalten wird. Wenn die privatrechtlichen Strukturen in diesem Bereich zurückgenommen worden wären, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Domino-Effekt entstanden: Immer mehr Recyclingmaterialien wären der Überlassungspflicht gegenüber den Kommunen unterworfen worden. Das würde das Aus für alle Kleinsammler bedeuten. Positiv haben wir das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Februar dieses Jahres aufgenommen, wonach auch die Entrümpelung von Haushalten nicht dem kommunalen Monopol unterliegt, sondern privatrechtlich erfolgen kann. In der laufenden Legislaturperiode des Bundes wird es zu Anpassungen des geltenden Kreislaufwirtschaftsgesetzes aufgrund der soeben geänderten EU-Abfallrahmenrichtlinie kommen müssen. Wir sehen zwar aufgrund des neuen EU-Rechts keine unmittelbare Gefahr, dass das Entsorgungssystem in Deutschland in Richtung Kommunen verschoben wird. Aber wir werden uns die Entwicklung bei den zukünftigen Änderungsentwürfen akribisch und kritisch anschauen.

marketSTEEL: Metallspäne sind ein wichtiger Rohstoff und ein wertvolles Wirtschaftsgut für die verarbeitende und recycelnde Stahl- und Nichteisen (NE)-Metallindustrie. Was gibt es zu beachten?

Daniela Entzian: Manche Behörden haben angeordnet, emulsionsbehaftete Späne als gefährlichen Abfall zu deklarieren. Dagegen haben die betroffenen Entsorgungsunternehmen in Baden-Württemberg geklagt, worauf nach einer mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Sigmaringen im Frühjahr letzten Jahres die Anordnung der Behörde zurückgenommen wurde. Allerdings besteht für andere Bundesländer – mit Ausnahme von Bayern – noch keine Verwaltungspraxis, emulsionsbehaftete Metallspäne als gefährlichen Abfall einzustufen. Tendenzen dazu sind aber leider erkennbar.

marketSTEEL: Verdampfen die Rückstände nicht ohnehin, wenn die Eisenspäne wieder eingeschmolzen werden?

Daniela Entzian:  Das ist sicher so. Aber das Problem besteht darin, dass es die Späne einsetzenden Produktionsbetriebe in der Regel ablehnen, als gefährlich deklarierte Abfälle zu verwenden.

Dr. Rainer Cosson:  Wir haben mit anderen Verbänden einen Leitfaden für den umweltgerechten Umgang mit Metallspänen herausgebracht. Dort haben wir uns zwar klar gegen die Einstufung emulsionsbehafteter Späne als gefährliche Abfälle ausgesprochen, allein schon deshalb, weil es dafür im Abfallverzeichnis keine Abfallschlüsselnummer gibt. Gleichwohl haben wir den Recyclingunternehmen empfohlen, keine tropfenden Späne zu transportieren. Es bestehen verschiedene Behandlungsmethoden im Vorfeld des Transports, dass die Späne tropffrei werden.

marketSTEEL: Wie stehen Sie als Stahlschrottverband zu dem heiß diskutierten Thema Stahlzölle?

Dr. Rainer Cosson: Wir haben die generelle Befürchtung, dass derartige Maßnahmen den gesamten Stahlmarkt beeinflussen und für Verwerfungen sorgen. Wenn Amerika sich abschottet, dann könnte mehr Stahl zu Dumpingpreisen nach Europa gelangen. Dies könnte die Produktion im Inland beeinflussen und dadurch auch den Schrottabsatz.

Daniela Entzian: In der Weltwirtschaft hängt alles miteinander zusammen. Auf den ersten Blick exportiert Deutschland den meisten Stahlschrott in die EU. Wichtigster Abnehmer der EU ist die Türkei., die ihrerseits wiederum viel Stahl in die USA exportiert. Die Türkei als weltweit größter Stahlschrottimporteur hat eine gewisse Signalwirkung für die internationalen Schrottmärkte. Vergeltungszölle sorgen eher für eine Eskalation der Situation, daher halte ich sie für nicht geeignet, um das Problem zu lösen. Als BDSV setzen wir uns für einen freien Handel ein.

Die Interviewpartner:

Dr. Rainer Cosson ist Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) (Bild oben) 

Daniela Entzian ist Referentin Betriebswirtschaft und Steuern bei der BDSV (Bild Mitte) 

Bernd Meyer ist Referent Public Affairs und Öffentlichkeitsarbeit bei der BDSV

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