Von der Katze, die sich in den Schwanz beißt

Peter Orlandi, Stahl AG: Was wollen wir exportieren: Stahl oder Stahl produzierende Anlagen?


Wir stehen derzeit vor der Frage: Wollen wir eine florierende europäische Stahlindustrie erhalten oder statt dessen Stahl aus Fernost importieren? Die Situation ist verzwickt. Und das Problem ist selbst gemacht. Ich spreche von der Produktion von Stahl und von Stahl produzierenden Anlagen. Weil in Europa gefertigter Stahl so gut war und ist, wird er in die ganze Welt exportiert, unter anderem in die asiatischen Länder und in die USA.

Dann fragten sich einige Länder, warum sie denn den guten Stahl immer für viel Geld kaufen sollten und entschieden sich, den Stahl selbst in guter Qualität zu produzieren. Und sie erteilten Aufträge an die entsprechenden europäischen Anlagen-Spezialisten. Diese freuten sich, denn die Produktion und Montage von hochmodernen Anlagen zur Stahlherstellung ist lukrativ.

So wanderten viele Anlagen zum Beispiel nach Indien und China. Dort wurde fleißig Stahl produziert – für den Eigenbedarf und für den Export. In der Folge wanderte viel des dort gefertigten Stahls auch wieder zurück nach Europa. Dies wiederum freute die Stahlhändler, die nun eine große Auswahl an preisgünstigem Stahl hatten.

Weniger erfreut sind die hiesigen Stahlhersteller, die nun konfrontiert sind mit einem großen Wettbewerb. Dazu kommt noch ein Zollproblem: Nach neuesten Meldungen will China seine Zölle auf importierte Stahlröhren aus EU und USA verzehnfachen. China will damit den Import begrenzen und die heimische Industrie schützen, nachdem EU- und US-amerikanische Stahlunternehmen einen Marktanteil von fast 50 Prozent erreicht hatten.

Die Zollstreitigkeiten zwischen USA, China und Europa machen die Situation noch schwieriger. Denn auch die US-Wirtschaft reagiert: Sie haben bislang viel Stahl aus Europa bezogen, auf den sie nun dank ihres eigenen Präsidenten viel Zoll bezahlen müssen. Also bauen auch sie jetzt moderne Anlagen, um den benötigten Spezial-Stahl selbst zu produzieren.

Wir haben also einen massiven Interessenskonflikt. Die Welt der Stahlproduzenten wird härter, sie sehen ihre Mengen und Margen dahinschmelzen, während die Anlagenbauer sich über Aufträge aus der ganzen Welt freuen. Darüber wird auch im europäischen Parlament gestritten. Was ist nun die Lösung? Ein Import-Verbot von Stahl? Ein Exportverbot von Anlagen?

Natürlich wünsche ich allen Beteiligten im Stahlbereich gute Geschäfte. Wenn es jedoch so weitergeht, schaufelt sich die hiesige Stahlbranche ihr eigenes Grab. Deshalb plädiere ich dafür, dass sich die EU-Kommission das Hin und Her einmal genauer anschaut. Durch die vielen guten Geschäfte der Anlagenbauer mit China und Indien wandern immer mehr neue, noch modernere, schnellere Schmieden und Stranggussanlagen in diese Länder, was dazu führt, dass in noch kürzerer Zeit noch mehr Stahl produziert wird!

In China wurden zwar viele alte kleine Anlagen abgebaut. Sie wurden allerdings ersetzt durch neue Stahl- und Walzwerke mit Millionen-Tonnen-Jahreskapazität. Viele dieser Maschinen sind europäischen Ursprungs.

Ich meine, wenn ich in einem Markt des Stahlüberschusses wirklich überflüssige Kapazitäten verhindern will und weitere Importe ebenfalls, sollte ich selbst als EU doch bei mir anfangen und den Verkauf der modernsten europäischen Anlagen erstmal verhindern. Die exportorientierte Wirtschaftszone Europa sollte sich auch bewusst sein, wieviel Stahl in all den eben exportierten Produkten steckt.

Der Beitrag stammt von Peter Orlandi, Mitinhaber der Ludwig Stahl AG, Sirnach (CH), www.ludwigstahl.ch

Foto: Ludwig Stahl AG, Peter Orlandi

 

Hinweis der Redaktion:

Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.

 

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