Umsatzfinanzierung schützt vor Liquiditätsverlust
von Dagmar Dieterle
Michael Ritter, Vorstandsvorsitzender des BFM, erklärt, wie der Finanzierungsansatz Factoring angesichts der aktuellen Lage Liquidität sichert und vor Zahlungsausfällen schützt.
Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage sind Stahlbetriebe mit zunehmenden Zahlungsschwierigkeiten oder sogar Insolvenzen ihrer Kunden konfrontiert. Michael Ritter, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Factoring für den Mittelstand (BFM), geht auf die Situation ein und zeigt, wie eine spezielle Form der Umsatzfinanzierung helfen kann, die eigene Liquidität zu sichern und das Risikomanagement zu verbessern.
marketSTEEL: Herr Ritter, was macht die Lage für die Stahlindustrie aktuell so schwierig?
Die Liquidität der Stahlbranche und ihrer Kunden steht durch die komplizierte Gesamtwirtschaftslage zunehmend unter Druck. Nach der Talfahrt im letzten Jahr kommt die Konjunktur nur langsam wieder in Gang. Hinzu tritt ein ganzer Komplex weiterer Herausforderungen. Dazu zählen die nach wie vor hohen Energiekosten, der Fachkräftemangel und die gestiegenen Arbeitskosten. Auch das Risiko von Zahlungsausfällen der Kunden hat durch steigende Insolvenzen deutlich zugenommen. So hatte die Creditreform Wirtschaftsforschung[1] für das erste Halbjahr 2024 11.000 Unternehmensinsolvenzen festgestellt. Das ist ein Höchststand seit fast zehn Jahren. Allein im verarbeitenden Gewerbe lag der Anstieg der Fälle gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei fast 22 Prozent.
Große Schwierigkeiten bereitet manchem Unternehmen der Stahlbranche auch das Thema Finanzierung. Zwar hat die EZB im Juni angefangen, den Leitzins zu senken, diese Entlastung wird aber erst nach und nach greifen. Zudem werden Stahlproduzenten als energieintensive Betriebe von manchen Banken nach wie vor von einer Kreditneuvergabe ausgeschlossen. Selbst wenn ein Unternehmen stabil läuft, können sich lange Zahlungsziele, Zahlungsschwierigkeiten oder gar Forderungsausfälle aufgrund von Kundeninsolvenzen so negativ auswirken. Daher sollten Stahlhersteller ihr Risikomanagement an die aktuelle Lage anpassen.
marketSTEEL: Und wie können sich Betriebe gegen aktuelle Risiken absichern?
Eine Möglichkeit hierzu sehe ich in einer speziellen Art der Umsatzfinanzierung – im sogenannten Factoring. Hierbei verkaufen Stahlerzeuger regelmäßig offene Forderungen an einen Finanzierungspartner und erhalten den Großteil der jeweiligen Rechnungssumme unmittelbar ausgezahlt. Dadurch haben die Unternehmen sofort freie Mittel zur Hand, auf die sie sonst Wochen, manchmal aber auch Monate warten müssten. Die Liquidität kann verwendet werden, um laufende Kosten zu decken, Skonti im Einkauf zu nutzen oder Aufträge vorzufinanzieren. Selbst bei kurzfristigem Handlungsbedarf kann ein Unternehmen mithilfe der liquiden Mittel reagieren. Dazu zählt beispielsweise auch die Rückzahlung von Corona-Hilfen. Auch vor dem Hintergrund, dass die Zahlungsziele aufgrund der wirtschaftlichen Umstände zuletzt wieder länger geworden sind, kann Factoring für Erleichterung sorgen.
marketSTEEL: Und die Finanzierung kann auch vor Risiken durch zunehmende Kundeninsolvenzen bewahren?
Ja. Durch den Ausfallschutz beim echten Factoring wird das Risikomanagement zusätzlich gestärkt. Schließlich ist es in unsicheren Zeiten nicht unwahrscheinlich, dass Kunden in eine Krise geraten und ihrer Zahlung schuldig bleiben. Mit dem Verkauf von Forderungen gibt ein Unternehmen das Risiko solcher Ausfälle jedoch ab. Kann ein Kunde tatsächlich nicht zahlen, haftet der Factoring-Partner. Für diesen Fall ist der Anbieter vorsorglich mit einer Warenkreditversicherung ausgestattet, die dann einspringt. Nutzt ein Stahlbetrieb Factoring, behält er den Rechnungsbetrag also auch bei einer Kundeninsolvenz. Durch den regelmäßigen Forderungsverkauf kommt es dabei nicht zu einer langfristigen Neuverschuldung, wie etwa bei Krediten. Das Geld einer Factoring-Finanzierung stammt direkt aus den Umsätzen, die das Unternehmen ohnehin erwirtschaftet. Es steht nur früher zur Verfügung.
Weitere Informationen: www.bundesverband-factoring.de/verband/vorstand-und-geschaeftsfuehrung
[1] Quelle: https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/insolvenzen-in-deutschland-1-halbjahr-2024