Statement zum Scheitern der Sondierungsgespräche

Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition ist die Ausgangslage aus ökonomischer Sicht weitgehend unverändert: Die konjunkturelle Lage ist sehr gut, die deutsche Volkswirtschaft erlebt einen langen und robusten Aufschwung. Aktuell befindet sie sich sogar in einer Überauslastung der Kapazitäten. Mittel- und langfristig gibt es aber große Herausforderungen – allen voran den demographischen Wandel, die Digitalisierung, die sinnvolle Weiterentwicklung der Europäischen Union und den Klimawandel. Darauf muss eine neue Bundesregierung zukunftsfähige und belastbare Antworten finden. Angezeigt wäre eine Neujustierung des bisherigen politischen Kurses: Das Festhalten an Haushaltsdisziplin in Deutschland und dem Prinzip der Subsidiarität in Europa bleibt richtig, im Mittelpunkt des Regierungshandelns sollte aber das Bemühen stehen, die Befähigung der Bürger und Unternehmen zur erfolgreichen Bewältigung des anstehenden Strukturwandels zu stärken. Es ist aktuell offen, wie sich nun eine Regierungskoalition finden wird. Ein Bündnis, deren Partner sich in den kommenden Jahren vor allem gegenseitig blockieren würden, wäre wohl noch schlechter als eine schleppende Regierungsbildung. In jedem Fall sind die negativen Auswirkungen der gescheiterten Jamaika-Sondierungen eher langfristiger als konjunktureller Natur.

 

Prof. Dr. Christoph M. Schmidt ist Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professor an der Ruhr-Universität Bochum.

Quelle: www.rwi-essen.de

Foto: Julica Bracht/RWI

Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.

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