Kehrtwende am Importmarkt – Preisrückgang bei Flachstahl gestoppt

von Dagmar Dieterle

Der Preisrückgang bei Flachstahl ist im Juli vorerst ausgelaufen. Dafür verantwortlich ist eine scharfe Kehrtwende am Importmarkt. Von China ausgehende höhere Weltmarktpreise schlagen sich auf der EU-Importseite nieder. Dies mindert für EU-Hersteller den Preisdruck. Ob die bei Flachstahl teilweise schon für das vierte Quartal avisierten höheren Preise tatsächlich kommen werden, hängt vor allem von der weiteren Weltmarktentwicklung ab. Einiges spricht dafür, dass die Preise in China durchaus wieder sinken könnten. Sicher ist das aber nicht. Derweil wird die EU demnächst weitere Anti-Dumping-Maßnahmen beschließen. Nach den bisherigen Eindrücken wird das zwar den Importwettbewerb spürbar schwächen, aber nicht ausschalten.

Die unübersichtliche Gemengelage am Stahlmarkt setzt sich fort. Nachdem die Preise für Flachprodukte im ersten Quartal ein Mehrjahreshoch erreicht, dann aber wieder ein Stück weit nachgegeben hatten, ist der Rückgang ab Mitte Juli zunächst einmal zum Stillstand gekommen. Die Gründe dafür sind in erster Linie auf der Importseite zu finden. Preisgünstige und reichhaltig verfügbare Importangebote aus Drittländern hatten im Frühjahr zusammen mit einer lagerzyklisch schwächeren Nachfrage zu sinkenden EU-Preisen geführt. Nun haben Drittlandanbieter ihre Aktivitäten am EU-Markt reduziert und die Preise erhöht.

Auslöser dafür ist eine neuerliche Kehrtwende am chinesischen Stahlmarkt. Nach einer vor allem bei Flachstahl deutlichen Preiskorrektur im Frühjahr haben die chinesischen Exportpreise für Warmbreitband seit Anfang Juni um mehr als 70,- $/t zugelegt. Dies hat das Preisniveau am Weltmarkt insgesamt deutlich nach oben gezogen. Aus EU-Perspektive wirkt die anhaltende Euroaufwertung zwar ein Stück weit dämpfend. Doch die Importangebote stellen derzeit keinen ernsthafte Alternative mehr dar. Zudem konzentrieren sich Drittlandanbieter zum Beispiel aus Indien aktuell eher auf den asiatischen Markt. Damit sind gegenüber dem Frühjahr wesentliche Wettbewerbselemente entfallen.

Wie lange sich die Preise am chinesischen Markt auf dem jetzigen Stand halten werden, ist unklar. Ein wichtiger Faktor sind offenbar die behördlich verfügten Werksschließungen. Diese betrafen in vielen Fällen illegale und statistisch nicht erfasste Anlagen, die nun durch legale Hersteller mit höheren Preisen ersetzt werden. Betroffen sind zwar vor allem Langprodukte. Die durch die Umstellung entfachte positive Stimmung trifft aber den gesamten Markt. Auch fallen das Wirtschaftswachstum und damit der Stahlbedarf stärker als erwartet aus. Weltmarktführer ArcelorMittal hat aktuell seine Prognose für die chinesische Nachfrage in diesem Jahr auf +2,5 bis +3,5% erhöht, nachdem zunächst ein Nullwachstum prognostiziert worden war. Allerdings ist die Stahlproduktion des Landes im ersten Halbjahr mit 4,6% noch stärker gewachsen und hat ein Rekordniveau erreicht. Zudem liegen die Exporte um mehr als ein Viertel unter dem Vorjahr. Dies spricht dafür, dass die Preise in China durchaus wieder sinken könnten. Sicher ist das aber nicht. Vor allem der Zeitpunkt ist schwer absehbar.

Immerhin hat das zweite Quartal gezeigt, dass der von Drittlandimporten ausgehende Wettbewerb in der EU im Grundsatz noch funktioniert. Dies ist angesichts der vielen Antidumping-Maßnahmen durchaus bemerkenswert. Mit dem kurz vor dem Abschluss stehenden Verfahren gegen Warmbreitbandeinfuhren aus Russland, der Ukraine, Brasilien und dem Iran wird nun ein neues Kapitel aufgeschlagen. Für diese vier Länder strebt die EU-Kommission eine Kombinationslösung an. Demnach sollen herstellerspezifische Zölle zwischen 5,3% und 33,0% bis zu einem Einfuhrpreis von 472,- €/t erhoben werden. Im Falle Serbiens soll das Verfahren dagegen ohne Maßnahmen beendet werden.

Der angestrebte Mindesteinfuhrpreis gibt den betroffenen Lieferanten von Warmbreitband defacto eine über dem Niveau der vorigen Wochen liegende Untergrenze vor. Dies dürfte neben den Preisvorgaben des Weltmarktes ein weiterer Grund für den jüngsten Importpreisanstieg sein. Ob sich auch nicht von Zöllen betroffene Lieferanten an der gesetzten Marke orientieren werden, kann erst bei wieder niedrigeren Weltmarktpreisen beurteilt werden. Sollte der Vorschlag der Kommission von den Mitgliedstaaten so bestätigt werden, müssen die mittelfristigen Wirkungen insgesamt differenziert beurteilt werden. Neben den individuellen Zollspannen spielen dabei auch die Preisrelationen am Weltmarkt und die Produktspezifikationen eine Rolle. Die Maßnahmen sind zweifellos aus Verarbeitersicht negativ zu werten. Andererseits stellt der – von den Mitgliedstaaten noch zu bestätigende – Vorschlag der Kommission aber nicht den „worst case“ dar.

Noch im dritten Quartal wird auch die vorläufige Entscheidung im EU-Verfahren gegen die Einfuhr verzinkter Bleche aus China fallen. Nach den Erfahrungen in den bisherigen Verfahren gegen China ist mit Zöllen in beträchtlicher Höhe zu rechnen. Trotzdem besteht die Hoffnung, dass genau wie bei den übrigen bereits betroffenen Erzeugnissen auch hier die ausgesperrten chinesischen Lieferungen relativ gut durch alternative Quellen kompensiert werden könnten. Insgesamt gibt es Grund zu der Erwartung, dass die Antidumping-Kampagne zwar den Importwettbewerb sprübar schwächt, aber nicht ausschaltet.

Während der Urlaubszeit sind keine großen Preissprünge zu erwarten, auch wenn die Preise etwas steigen könnten. Ob die bei Flachstahl teilweise schon für das vierte Quartal avisierten höheren Preise tatsächlich kommen werden, wird vor allem von der Importseite abhängen. Denn am EU-Markt hat sich die Angebots-Nachfrage-Relation im Vergleich zum Jahresanfang spürbar entspannt. Eine neuerliche Verengung zeichnet sich bisher nicht ab. Somit könnten wieder fallende Weltmarktpreise auch am EU-Markt für neuen Preisdruck sorgen. Dies gilt vor allem auch deshalb, da der Abstand der Flachstahlpreise zu den Rohstoffkosten nach wie vor so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr ist.

Quelle: http://www.stahlmarktconsult.de/blog/entry/kehrtwende-am-importmarkt-preisrueckgang-bei-flachstahl-gestoppt

 

Der Beitrag stammt vom Leverkusener Stahlmarkt-Berater Andreas Schneider, StahlmarktConsult. Foto: StahlmarktConsult

Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.

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