Geschäftsführerhaftung für Kartell-Bußgelder - das „Endlos-Verfahren“ ThyssenKrupp

marketSteel: Die Medien haben immer wieder über den im Nachgang zum Schienenkartellverfahren von ThyssenKrupp gegen den eigenen – damaligen  - Geschäftsführer geführten Prozess berichtet. Worum genau geht es und wie ist der aktuelle Stand?

Sebastian Herrmann: Ein Unternehmen des ThyssenKrupp-Konzerns hatte vor den Arbeitsgerichten seinen damaligen Geschäftsführer verklagt. Gegen das Unternehmen war im Rahmen des Schienenkartells ein Bußgeld von über € 100 Mio. verhängt worden. Die Klägerin forderte insoweit Regress von ihrem Geschäftsführer mit der Begründung, dass dieser aktiv an den kartellrechtswidrigen Absprachen, die zur Verhängung der Bußgelder gegen das Unternehmen geführt haben, beteiligt gewesen sei. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch das Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf verlor ThyssenKrupp. Kern der Begründung des LAG war, dass nach der gesetzgeberischen Wertung der Normadressat der Geldbuße das Unternehmen sei und nicht die für sie handelnden Personen. Das sei auch bei zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen zu berücksichtigen. Dementsprechend könne eine GmbH nicht das gegen sie verhängte Bußgeld nach Organhaftungsgrundsätzen von ihrem Geschäftsführer erstattet verlangen.

 

marketSteel: Wie ging das Verfahren weiter?

Sebastian Herrmann: ThyssenKrupp hat Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt. Das BAG hat im Juni entschieden. Der Revision von ThyssenKrupp wurde stattgegeben und das Urteil des LAG Düsseldorf aufgehoben.

 

marketSteel: Wir haben jetzt also Klarheit bei der maßgeblichen Haftungsfrage?

Sebastian Herrmann: Leider nein. Das BAG hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das LAG zurück verwiesen und das ausschließlich auf formale bzw. verfahrensrechtliche Kriterien gestützt. Ein wesentlicher Punkt war, dass das BAG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte in Zweifel stellt. Nach Auffassung des BAG gehört der Prozess vor den Kartellsenat eines Zivilgerichts.

 

marketSteel: Was heißt das für den weiteren Verfahrensweg?

Sebastian Herrmann: Es dürfte auf zwei Alternativen hinauslaufen: Das LAG Düsseldorf hält sich weiterhin für zuständig an und entscheidet – nochmals – in der Sache. Dann landet das Ganze möglicherweise wieder vor dem BAG, mit offenem Ergebnis. Oder das LAG verweist das Verfahren an die Zivilgerichte. Dann beginnt der Prozess quasi von vorn.

 

marketSteel: Macht das hinsichtlich der Prognosen für den Ausgang des Verfahrens einen Unterschied?

Sebastian Herrmann: Schwer zu beurteilen. Das BAG hat sich zur maßgeblichen Haftungsfrage nicht geäußert. Bleibt das Verfahren also bei den Arbeitsgerichten und entscheidet in letzter Instanz das BAG, ist das Ergebnis schlicht offen. Erklärt sich das LAG indes für unzuständig und verweist das Ganze an die Zivilgerichtsbarkeit, könnte das einen leichten Vorteil für ThyssenKrupp bedeuten.

 

marketSteel: Aus welchem Grund?

Sebastian Herrmann: Dort entscheidet in letzter Instanz der Bundesgerichtshof (BGH). Dieser hat sich zwar zu der konkreten Frage, ob Kartellbußgelder als Schadensersatz im organhaftungsrechtlichen Sinne an den Geschäftsführer durchgereicht werden können, noch nicht geäußert. Aber immerhin hat der BGH in der Vergangenheit schon mehrfach ausgeurteilt, dass ein behördlich verhängtes Bußgeld einen erstattungsfähigen Vermögensschaden darstellen kann. Bekanntes Beispiel aus der BGH-Rechtsprechung ist der Steuerberater, der seinen Mandanten falsch beraten und dadurch ein von den Finanzbehörden wegen Steuerverkürzung verhängtes Bußgeld „verschuldet“ hat. Das kann sich der Mandant vom Steuerberater wiederholen, so der BGH.

 

marketSteel: Welchen Schluss muss die Unternehmensleitung daraus ziehen?

Sebastian Herrmann: Letztlich ist die gesamte Thematik eines von vielen Puzzle-Teilchen im Gesamtbild Unternehmens-Compliance. Und dass Kartellverstöße angesichts der schwindelerregend hohen Bußgelder zu den riskantesten Bereichen gehören, ist auch nicht neu. Sicherlich wird die nach dem BAG-Urteil nach wie vor im Raume stehende Möglichkeit der persönlichen Haftbarmachung der Geschäftsleitung für Kartellbußgelder eine zusätzliche Motivation für eben diese sein, Compliance im Unternehmen den erforderlichen Stellenwert zu geben. Allein ausschlaggebend sollte das natürlich nicht sein.

 

 

Sebastian Herrmann, Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Foto: Rechtsanwalt/Partner bei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner Rechtsanwälte mbB

Sebastian Herrmann ist langjähriger Experte in den Bereichen Vertragsrecht und Kartellrecht. Er erstellt und verhandelt für Unternehmen Verträge in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts. Zudem berät er im Bereich der kartellrechtlichen Prävention, implementiert Vertriebssysteme und begleitet Transaktionen (s. auch http://www.hlfp.de/anwaelte/sebastian-herrmann).

Sebastian Herrmann ist zudem einer der Referenten bei dem diesjährigen (kostenfreien) „HLFP Compliance Day“ am 11. Oktober 2017 im Borussia Park Mönchengladbach, für den Sie sich gerne anmelden können. Nähere Informationen hierzu finden Sie unter http://www.marketsteel.de/seminare.html und https://www.xing.com/events/hlfp-compliance-day-2017-stadion-1845966?came_from=11.

 

Allgemeiner Hinweis der Redaktion: Der Gastkommentar legt die Meinung des Autos dar und nicht notwendiger Weise die der Redaktion von marketSTEEL.

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