Feralpi Stahl - Ein Blick in die Zukunft

von Dagmar Dieterle

Interview Uwe Reinecke, Werksdirektor, ESF Elbe-Stahlwerk Feralpi GmbH

 

Die ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi GmbH im sächsischen Riesa produzieren ausschließlich Stahlerzeugnisse für die Bauindustrie. Mit einer Million Tonnen Stahl ist das Unternehmen das zehntgrößte in Deutschland, das mittlerweile zu den modernsten Stahlwerken Europas zählt. Da die ESF ihren Elektrostahl ausschließlich aus Stahlschrott produziert, leistet sie einen wichtigen Beitrag zum Recyclingkreislauf. Wir sprachen mit Uwe Reinecke, dem Werksdirektor der ESF in Riesa.

 

marketSTEEL: Herr Reinecke, warum steht ESF für grünen Stahl?

Bereits seit 10 Jahren investieren wir erhebliche Mittel in umweltfreundliche Technologien. Da Umwelt und Mensch im Ethikkodex von Feralpi verankert sind, ist uns auch die Umweltzertifizierung wie EMAS wichtig. Das machen, meines Wissens nach, nur zwei Stahlwerke in Deutschland. Mit EMAS, dem europäischen Umweltmanagementsystem, sind wir in der Lage, Ressourcen intelligent einzusparen.

 

marketSTEEL: Feralpi will bis zu 180 Millionen Euro investieren. Wo wandert das Geld hin?

Das geplante Investitionsvolumen ist nach dem Werksaufbau in den Jahren 1992 und 93 eine weitere spannende Phase des Unternehmens. So ist ein neues Walzwerk geplant, das mit umweltfreundlichen Technologien ausgestattet sein wird. Das Ziel ist es nicht mehr mit Gas, sondern mit grünem Strom und Induktionserwärmung zu arbeiten. Dafür macht Feralpi Stahl sich stark.

Zusammen mit der Fertigstellung des neuen Walzwerkes wird auch die Einführung eines innovativen Produktes auf den deutschen Markt einhergehen. Was in Italien und Spanien bereits hergestellt wird, ist ein bis zu acht Tonnen schweres warmgespultes Coil, mit dem wir eine Vorreiterrolle auf dem deutschen Markt einnehmen werden.

Neben dem Walzwerk wird die größte Investition in die neue Schrottaufbereitung fließen: Den Schrott müssen wir sauberer und stückiger gestalten. Einhergehend mit besserem Schrott verbessern sich die Energie-Eintragswerte, sodass der Elektrolichtbogenofen energiesparender betrieben werden kann.

Weiterhin wird in die Optimierung der Werksinfrastruktur investiert: Werkslogistik und Warenein- und -ausgang für etwa 500 Lkws pro Trag werden neugestaltet und digitalisiert. Außerdem benötigen wir ein neues Umspannwerk, da wir zukünftig mehr Verbraucher am Netz haben.

Somit beläuft sich die gesamte Investitionssumme auf 160 bis 180 Millionen Euro bis zum Jahr 2025.

 

marketSTEEL: Die Stahlbranche steht wegen der hohen Energiekosten unter Druck. Wie reagieren Sie mit Ihrem Elektrolichtbogenofen auf diese Situation?

Wir kaufen sehr hohe Mengen an Energie, wie Strom und Gas zu. Wir sind aber auf einem guten Weg unsere Beschaffungsstrategie mithilfe einer Beratungs­gesellschaft neu aufzustellen und mehr Forward auf die nächsten drei Jahre einzukaufen. Aktuell reagieren wir, indem wir uns die Strompreise am Vortag ansehen und flexibel darauf reagieren. Das bedeutet, sobald gewisse Strompreisgrenzen überschritten sind, nehmen wir den Ofen auch mal einen halben oder einen ganzen Tag aus dem Rennen, was der Vorteil eines solchen Aggregates ist, aber sich negativ auf die Energieeffizienz auswirkt.

Aber der Strom ist nur ein Kapitel. Das zweite ist die Gasversorgung, die uns größere Sorgen macht. Da unser Hubherdofen am Walzwerk noch gasbetrieben ist wie auch die Pfannenfeuer, liegt das Augenmerk auf der Frage, ob wir noch genug Gas gerade im nahenden Winterhalbjahr bekommen.

Perspektivisch ist der Wasserstoffeinsatz als Ersatz im Gespräch, wobei wir mit verschiedenen Unternehmen als „Energie- und Wasserstoffallianz im Industriebogen Meißen“ auf die politische Plattform getreten sind, die Industrie der Region mit Wasserstoff zu versorgen. Da wir hier ein hohes Verbrauchspotenzial haben, haben wir es nun geschafft, dass die zentralen Pipelines in die Region kommen und wir ab 2027 auf Wasserstoff setzen können.

 

marketSTEEL: Ein Blick in die Zukunft: Was sind Ihre Lieblingsvisionen?

Mein Lieblingsthema ist natürlich die Energietransmission. Neben dem Wasserstoff geht es für Feralpi darum, direkt in die Erzeugung von grüner Energie einzusteigen. Während die Italiener eher auf Photovoltaik setzen, möchten wir in Deutschland, wo die Sonne ja nicht das große Thema ist, auf die Windkraft setzen. Und da gehen die Überlegungen hin bis zum Einstieg als Energieversorger, um alternative Energie für grünen Stahl selbst zu produzieren.

Meine zweite große Vision ist, junge Menschen für Stahl zu interessieren. Beginnend bei der Berufsausbildung und Praktika für Hochschulstudenten bis hin zu Trainee-Programmen, die derzeit in Italien und Deutschland aufgebaut werden.

Wir wollen den jungen Menschen das Material Stahl als zukunftsträchtigem Werkstoff wieder näherbringen und Feralpi sieht sich da mit dem Elektrolichtbogenofen und der Verwertung von Schrott auf dem richtigen Weg.

 

Herr Reinecke, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

 

fotos: marketSTEEL

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