Erste OEMs helfen Zulieferern aus der Kostenfalle

von unsem Gastkommentator

Die Zahlungsfähigkeit in der automobilen Lieferkette ist durch Materialverteuerung, steigende Energiekosten etc. extrem angespannt. Viele Zulieferer sitzen in der Liquiditätsfalle und warten dringend auf Abschlüsse mit ihren Kunden. Seit Monaten fordern die Industrieverbände Blechumformung (IBU) und Massivumformung (IMU) sowie der Deutsche Schraubenverband (DSV) daher, dass OEMs und Systemlieferanten Verantwortung übernehmen und zu einer Einigung in den Gesprächen kommen. Nun signalisieren erste Automobilhersteller Unterstützung: Sie bieten ihren Lieferanten eine Zwischenfinanzierung an, um ihnen den Materialeinkauf zu erleichtern und ihre Lieferfähigkeit zu sichern. IBU, IMU und DSV begrüßen diese Maßnahme und hoffen, dass andere OEMs kurzfristig nachziehen werden. Sie betonen aber auch: „Dies entspannt die Lage aber nicht. Die Kunden der Zulieferer müssen auch Preisanpassungen final akzeptieren, um dem Lieferanten Planungssicherheit zu verschaffen.“

 

„Wichtig ist, dass weitere Kundengruppen aktiv werden“

Die Gesprächs- und Lösungsbereitschaft erster Automobilproduzenten bewertet IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs als sehr positiv. Er hofft, dass diese Beispiele schnell Schule machen: „Wichtig ist, dass weitere Kundengruppen – OEMs und Systemlieferanten – aktiv werden. Entscheidend ist aber auch, dass ihre konkreten Angebote für Lieferanten akzeptabel sind.“ Hier fehlt es teils noch an fairem Engagement: „Manche Kunden wollen zwar verhandeln, aber kaum etwas von der Mehrbelastung mittragen und stellen teilweise untragbare Bedingungen“, weiß IMU-Geschäftsführer Tobias Hain.

 

Pain Sharing reicht nicht mehr

Natürlich hat jeder Zulieferer mit seinen Kunden selbstverantwortlich eine Einigung zu erzielen, aber die Stabilität der Lieferkette liegt im Interesse aller Beteiligten. Für den Erhalt der Lieferfähigkeit der Zulieferer ist es notwendig, die gesamten Zusatzkosten in der Wertschöpfungskette durchzureichen. „Pain Sharing reicht jetzt nicht mehr. Bei vielen Zulieferern ist die Liquidität – nicht zuletzt durch die zweijährige Coronabelastung – aufgezehrt. Der Verkaufspreis ihrer Produkte liegt teilweise unter den Materialeinkaufskosten“, unterstreicht Jacobs.

 

OEMs profitieren: Zwischenfinanzierung erhält Lieferfähigkeit

Fakt ist: Wer eine Zwischenfinanzierung als schnelle Lösung anbietet, erhält die Lieferfähigkeit seiner Partner – in Zeiten von zunehmenden Engpässen bei Vorprodukten ein immer wichtigerer Faktor. „Zulieferer werden aufgrund ihrer immensen Belastungen bald unter Umständen nur noch Kunden beliefern können, die ihnen bei der außerordentlichen Kostenbewältigung helfen“, so DSV-Geschäftsführer Hans Führlbeck. Supply Chain Finance erzeugt also eine Win-win-Situation für alle Seiten.

 

Foto/s: Industrieverband Blechumformung (IBU)

Hintergrund:

Industrieverband Blechumformung e.V. (IBU)
Der IBU in Hagen vertritt als Bundesverband circa 240 Mitgliedsunternehmen der blechumformenden Industrie und deren Zulieferer. Diese überwiegend aus mittelständischen Familienunternehmen bestehende Branche wird durch eine industrielle Fertigung für marktmächtige Kunden geprägt. Das Umsatzvolumen der Branche betrug im Jahr 2020 rund 17,41 Milliarden Euro. Die Verbandsmitglieder sind mehrheitlich Zulieferer der Automobil- und Elektronikindustrie, des Maschinen- und Anlagenbaus, der Möbel- und Bauindustrie sowie der Medizintechnik.

Industrieverband Massivumformung e. V. (IMU)

Der Industrieverband Massivumformung ist der deutsche Fachverband der Branche. 250 Unternehmen betreiben Massivumformung in Deutschland. Gemeinsam bilden sie einen starken Wirtschaftsfaktor: 3 Millionen Tonnen Material verändern ihre Form beim Gesenkschmieden, Kaltfließpressen, Freiformschmieden und Ringwalzen. Massivumformung ist vor Ort: In vielen Regionen Deutschlands und damit im direkten Umfeld entstehen so hochwertige Produkte im Gesamtwert von jährlich 9 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland in dieser wichtigen Industriesparte der Marktführer Europas und die Nummer 2 weltweit.

Deutscher Schraubenverband e.V. (DSV)

Der Deutsche Schraubenverband e.V. in Hagen vertritt die Interessen der deutschen Schrauben-, Muttern- und Nietenhersteller. Dem Verband gehören 53 mittelständisch geprägte Produktionsunternehmen an. Daneben bilden 75 assoziierte Mitgliedsfirmen die gesamte Prozesskette im Rahmen der Herstellung mechanischer Verbindungselemente ab. Die Verbandsunternehmen erwirtschaften ein jährliches Umsatzvolumen von ca. 1,8 Mrd. Euro und verarbeiten über 500.000 Tonnen Walzdraht p. a. Schrauben, Muttern und Niete werden in fast allen Bereichen der industriellen Fertigung von Wirtschaftsgütern eingesetzt. Mit seiner Schraubfachakademie bietet der Deutsche Schraubenverband e.V. eine anerkannte Weiterbildung zum Schraubfachtechniker (DSV)® und Schraubfachingenieur (DSV)® an.

 

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